«Zu Hause bevorzuge ich die Stille»

Keine Konzerte, dafür mehr Zweisamkeit mit seiner Frau, backen und fernsehen: Auch für den Star-Geiger war die letzte Zeit ungewöhnlich und manchmal schwierig. Denn obwohl er auch Ruhe braucht: Die Liebe zur Musik und den Fans schenkt ihm viel Lebenskraft.

Neue Leidenschaften haben sich für André Rieu (72) in der Pandemiezeit aufgetan – Backen und eine Ärzte-Serie. Und jeden Abend spielte er auf seiner Geige: «Man muss dranbleiben!» Trotz Beschäftigung: Der Kontakt zum Publikum fehlte ihm. Umso glücklicher ist er nun, dass es wieder losgeht. So tritt er im Januar im Zürcher Hallenstadion auf. Eine Einstimmung gibt’s bereits jetzt auf «auftanken.tv» mit der Serie «André Rieu – Welcome to My World», wo er Einblicke in sein Musikerleben gewährt. Und am 19. 11. erscheint sein neues Album (siehe Box).

 

GlücksPost: Sie haben schon oft in der Schweiz gespielt. Haben Sie das Land gut kennengelernt?

André Rieu: Ich würde gerne noch mehr kennenlernen. Ganz besonders schön waren unsere Aufnahmen für das Lied «Edelweiss», die wir in der Eiger-Mönch-Jungfrau- Region gemacht haben. Eine herrliche Landschaft – so etwas haben wir in den Niederlanden nicht! (Lacht.) Auch privat sind wir sehr gern in der Schweiz, vor allem am Vierwaldstättersee, am Lago Maggiore und in Lugano.

Werden Sie rund ums Konzert am 28. Januar etwas Freizeit haben?

Ich fürchte zu wenig, da wir tags zuvor in Frankfurt spielen und erst an diesem Tag anreisen. Das Schöne für mich ist, die Menschen zu treffen, das gelingt mir in den Konzerten. Die Schweizer kennen meine Musik so gut, das ist für mein Orchester und mich wie nach Hause zu kommen!

Sie touren jeweils durch die ganze Welt, nächstes Jahr zum Beispiel auch durch die USA. Ist das nicht wahnsinnig anstrengend?

Nein, weil alles perfekt organisiert ist. Das Einzige, was anstrengend sein kann, ist der Jetlag. Ich hatte mal ein Jahr, da waren wir in drei Monaten in den USA, Europa, Südamerika und Australien. Am Ende wussten wir gar nicht mehr, in welcher Zeitzone wir gerade sind (lacht). Ansonsten sind meine Tage auf Tournee sehr ruhig: Ich schlafe, esse und bin dann fit für drei Stunden auf der Bühne!

Haben Sie vom Weltenbummeln nie genug?

Nein, im Gegenteil! Es war immer mein Traum, mit meinem eigenen Orchester um die Welt zu reisen.

Dann hat es Ihnen zuletzt gefehlt?

Zum Glück bin ich auch zu ­Hause glücklich, und meine Frau und ich haben eine gemeinsame Leidenschaft für die Sendung «Die jungen Ärzte» entwickelt. Aber uns allen haben die Musik und die Konzerte unendlich gefehlt.

Sie haben das grösste private Orchester der Welt: Hatten Sie da auch Existenzängste?

Zum Glück nicht, da die niederländische Regierung uns als Unternehmen sehr unterstützt hat. Meine Musiker haben volles Gehalt bekommen, ich musste niemanden entlassen. Dafür bin ich sehr dankbar. Sonst hätte ich meine Stradivari verkauft. Denn eine Geige kann ich wieder kaufen, aber ein Orchester wie meines entsteht nicht mal eben so.

2008 haben Sie eine Pleite erlebt. Kamen da Erinnerungen hoch?

Der Unterschied zu 2008 war, dass ich es damals selbst in der Hand hatte. Ich konnte weiterspielen, und wir haben alle Schulden bezahlt. Jetzt sind wir nicht verschuldet, aber ich bin total abhängig von den geltenden Regelungen in den unterschiedlichen Ländern.

Haben Sie zu Hause viel musiziert?

Ich habe jeden Abend Geige geübt. Man muss dranbleiben, einfach eine Zeit lang aufhören, das geht nicht. Aber zu Hause bevorzuge ich ansonsten die Stille. Ich höre privat nie Musik.

Sie haben einmal erzählt, dass Sie viel Zeit mit Backen verbracht haben. Haben Sie jetzt, wo’s wieder losgeht, auch noch Zeit dazu?

Weniger, aber ich versuche, auch jetzt noch Torten zu backen, wenn ich kann. Es macht einfach so viel Spass und ist lecker. Ich habe in der Coronazeit für die ganze Strasse gebacken und schaue mir dafür Backfilmchen auf Youtube an.

Was sind Ihre Spezialitäten?

Ich backe Ihnen alles, was sie wollen! Zu meinem Geburtstag habe ich meinem Orchester eine riesengrosse «Croquembouche»-Torte gebacken, mit der ich alle im Studio überrascht habe.

Wie beurteilt Ihre Frau Marjorie Ihre Küchen- und Haushaltskünste?

Sie liebt es, wenn ich koche! Meistens frage ich sie morgens, was sie am Abend gern essen möchte, und dann bereite ich das mit viel Liebe zu. Sie hat die ersten 40 Jahre unserer Ehe gekocht, und jetzt mache ich es, wenn ich zu Hause bin.

Hatten Sie als Ehepaar mehr Zeit für Zweisamkeit als sonst?

Ja, natürlich, wobei wir vorher auch viel Zeit miteinander hatten. Ich bin ungefähr das halbe Jahr auf Tour, und das halbe Jahr zu Hause. Alle Proben und auch meine Sommer-Openairs finden in Maastricht statt. Auf Tour sind wir jeden Tag in Kontakt.

Gab es auch mal Schwierigkeiten zwischen Ihnen in dieser Zeit? Und was war das Schöne?

Schwierigkeiten nicht, aber wenn ich Autorennen schaue, muss ich die alleine gucken (lacht). Das Schöne ist, dass wir nach über 45 Jahren Ehe noch immer sehr viel miteinander lachen können und uns nie die Gesprächsthemen ausgehen. Ohne meine Frau wäre ich in der Gosse gelandet, sie hat immer an mich geglaubt.

Sie beide sind ja auch Grosseltern: Was unternehmen die Enkel besonders gerne mit dem Opa?

Pierres Zwillinge sehen Marjorie und ich oft, aber die sind jetzt bald junge Damen, und da ist Opa langsam out. Aber ich gehe zum Beispiel zu ihren Schulveranstaltungen. Unser älterer Sohn Marc wohnt mit seiner Familie nicht in Maastricht, aber wir sehen sie zu den Geburtstagen, fahren auch seit vielen Jahren einmal pro Jahr mit der ganzen Familie nach Rom.

Gibt es etwas, das Sie versuchen, den Enkeln mit auf den Weg zu geben?

Ich möchte, dass sie glückliche Menschen werden, die für andere da sind, aber auch ihren eigenen Weg gehen und ihren Überzeugungen folgen. Menschen, die es schaffen, ihren Traum zu leben, aber auch Verantwortung zu übernehmen.

Haben umgekehrt die Kinder Sie etwas gelehrt?

Sie haben alle einen unheimlich praktischen Umgang mit elektronischen Apparaten, kennen zum Beispiel Tricks, wie man mit Handys und iPads wunderbare Sachen machen kann, auf die ich als Opa niemals gekommen wäre.

Ein Opa von 72 Jahren: Gibt es Momente, in denen Sie das Alter spüren?

Zum Glück nicht, ich mache aber auch drei Mal die Woche richtigen Kraftsport mit einem Trainer. Auch auf Tournee.

Was schenkt Ihnen die Energie für Ihr umtriebiges Leben?

Die Liebe zu dem, was ich tue. Die Liebe zur Musik, zu meinen Musikern und zum Publikum. Mit und für Freunde Musik zu machen, ist das Schönste, was es gibt.

Ich arbeite nicht, ich habe Spass! Und ich glaube, das überträgt sich auf mein Publikum.