Zu Besuch beim Berner «Ländler könig»

Er ist ein Virtuose am Schwyzerörgeli – und gerade ­70 Jahre geworden. Seit über fünf Jahrzehnten verblüfft der Ländlermusiker das Publikum mit seinem Spiel.

Von Andrea Butorin

Diese Aussicht! Der Blick von Res Schmids Balkon in Sigriswil BE hoch über dem Thunersee lässt ­einen ungläubig staunen: Man sieht vom Niederhorn über den Niesen bis zum Stockhorn. Vor fünf Jahren ist der bekannte Ländler­musiker mit seiner Frau Gisela (65) hergezogen. Zuvor lebten Schmids in Bantigen BE in ­einem Haus mit viel Umschwung, das ihnen nun langsam zu gross wurde. Bald wird auch Tochter Marilena (25), die für ihr Jus-Studium in einer ­Berner WG lebte, wieder für eine Weile ­daheim einziehen. Auf dem Stubentisch zeugt ­bereits jetzt ein angefangenes 1000-Teile-­Puzzle vom gemeinsamen ­Hobby von Vater und Tochter, die gerade zu Besuch weilt. 

Am 22. Juli feierte Res Schmid seinen 70. Geburtstag: Ein guter Moment, um auf ­seine reiche Musikkarriere zurück­zublicken. Im Bantiger Elternhaus waren er und seine beiden Brüder Ruedi (1952–2024) und Kurt (69) stets von Ländlermusik umgeben. Die drei Jungmusikanten taten sich mit Cousin Gody Schmid (78) zusammen und sorgten ab den 70er-Jahren als Schmid-Buebe für Furore.

Mal wurden sie mit den ­Beatles, mal mit Jimi Hendrix (1942–1970) verglichen. Dies, weil sie der damaligen Mode entsprechend halblange Haare und Turnschuhe trugen. In der Ländlerszene sorgte das einer­seits für Begeisterung, anderer­seits gelegentlich für Stirn­runzeln. Doch vor allem beeindruckten sie das Publikum mit ihrer vielseitigen Spielweise. Res Schmid erinnert sich an ihren ersten grossen Auftritt am Eidgenössischen Ländlerfest 1971 in Sargans SG: «Volksmusikpapst und Fernsehmoderator Wysel Gyr (1927–1999) hörte uns spielen und rief seinem Team zu: ‹Das muss ich auf Band haben!›» Dieser erste TV-Auftritt ist auf Youtube zu ­finden und sorgte dafür, dass Schmids bekannt und gefragt wurden.

1984 löste sich die Forma­tion auf – unterschiedliche Ambi­tionen sorgten für Differenzen. «Irgendwann hat sich das ­gelegt, wir wurden älter und ­reifer», sagt Res Schmid. 2012 traten die Schmid-Buebe erstmals wieder gemeinsam in ­einer TV-Sendung auf, und bis zum Tod von Ruedi gab es ­einige Revival-Auftritte.

Dank Musik weit gereist

Auf dem Balkon geniessen Res und Gisela Schmid einen Kafi mit Traumaussicht. Als sie sich kennenlernten, war er noch bei den Schmid-Buebe und sie in Ostermundigen BE in der Coiffeurlehre. Zufällig verschlug es Res Schmid auf ihren Friseurstuhl. «Ab da kam er jede Woche mit seiner Mähne in den Salon», erzählt sie ­lachend. ­Obwohl ihr Herz eher für die damals aktuelle Rock- und Popmusik schlug, willigte sie ein, eine Stubete zu be­suchen. «So nahm das seinen Lauf.» Zu den schönsten gemeinsamen Erinnerungen zählen die beiden die vielen ­Reisen, die sie dank der Musik machen konnten, zum Beispiel nach Kanada, Asien oder in die Karibik.

Hauptberuflich war Res Schmid als Versicherungsagent tätig. Die Musik blieb ihm ­jedoch immer wichtig: Seit 42 Jahren spielt er in der Formation «Res Schmid – Gebrüder Marti», kurz RSGM. In den drei «Marti-Giele» Hektor (68), ­Daniel (67) und Markus (64) fand er musikalisch Gleichgesinnte – und gute Freunde. «Wir spielen vor allem konzertante ­Musik, für die wir gern einen ge­wissen Aufwand betreiben», sagt Schmid. In den «wilden» und virtuosen Stücken «Örgeli­fieber» oder «Stöcklimusig» etwa scheinen seine Finger ­geradezu über das Schwyzer­örgeli zu fliegen. RSGM treten auch mit E-Bass und Klavier auf und wagen Ausflüge in andere Sparten wie Rock oder Swing. Aber: «Unsere Basis ist und bleibt die Ländlermusik.»

In seiner Karriere hat Res Schmid rund 100 Stücke komponiert; einige davon sind auf der neuesten CD von RSGM, «Bärner-Musig», zu hören. ­Seine Leidenschaft für gute ­Musik, unabhängig vom ­Genre, hat Res Schmid ­Marilena weiter­gegeben. Mit dem Ländler verbindet sie dank Vaters täglichem Üben «nostalgische Gefühle». Als Amateursängerin widmet sie sich jedoch am liebsten der Pop- und Jazz­musik. Vater und Tochter sind auch schon zusammen am TV aufgetreten, und gerade ­arrangiert Res Schmid für sie beide ein Stück von Patent Ochsner.

Und bald soll es zu dritt auf Reise gehen, denn auf ein ­grosses Fest zum 70. Geburtstag hat Res Schmid verzichtet. Ihn zieht es vielmehr mit der ­Familie in den Fernen Osten, nach ­China oder Vietnam. «Da ­Marilena noch studiert, geht das jetzt noch ‹gäbig›. Ein Fest kann ich dann zum 80. oder zum 100. Geburtstag wieder machen.»