Wie ihn das Leben aus der Bahn warf

Er ist ein gefeierter Bobfahrer, gewann Olympia-Silber und brachte Fürst Albert von Monaco auf die richtige Spur. Bis das Schicksal gnadenlos zuschlug!

Die letzten drei Jahre waren Scheisse», sagt Christian  Reich (53) in einem Interview mit der Aargauer Lokalzeitung «Wohler Anzeiger» unverblümt. Der einstige Bob-Crack und heutige Co-Kommentator beim Schweizer Fernsehen hat Schlimmes durchgemacht, musste mehrere Schicksalsschläge verkraften – er ist aber eine Froh­natur und hat den Lebensmut trotz allem nie verloren.

Alles begann schleichend und traf ihn doch mit voller Wucht. Im Januar 2019 fährt er mit dem Bob den Eiskanal in St. Moritz runter. Es ist eine Gästefahrt. Routine für einen Mann wie Reich. Doch an diesem Tag ist alles anders. «Ich dachte, ich sitze neben dem Bob»,  erzählt er. Noch am gleichen Tag kommentiert er für das Schweizer Fernsehen ein Bobrennen. Mitten in der Live-Übertragung verstummt er. «Ich wusste nicht mehr, wo ich war», sagt er. Nach wenigen Minuten scheint alles wieder normal. Reich findet wieder Worte. Doch der Schein trügt. Zurück im Hotel legt er sich kurz hin. Beim Abendessen aber kann er das Besteck nicht mehr greifen.  Er fährt ins Spital, weiss heute aber nicht mehr wie. Dort folgt die Diagnose schnell: Hirnschlag! «Mein Kurzzeitgedächtnis war weg. Ich habe nicht wirklich kapiert, was mit mir passiert», erzählt der Aargauer.

Es folgen Monate in einer Rehaklinik, oder wie es Reich auch nennt: «Eine Vollkrise!» Seine rechte Körperseite ist teilweise gelähmt. Er vergisst, wer ihn ge­rade besucht hat. Doch der eins­tige Spitzensportler kämpft sich zurück, arbeitet wieder Teilzeit. Aber über den Berg ist er noch lange nicht. Wegen Corona verliert er im Frühling 2020 die Stelle als Key Account Manager. Im Sommer erleidet seine Mutter einen Herzinfarkt. Und seinem Bruder Ueli Reich geht es immer schlechter: Im Januar 2021 verliert dieser den Kampf gegen den Krebs, im Alter von nur 54 Jahren. Ueli ­hatte für Christian Reich die Medien­arbeit gemacht, Anlässe organisiert und ein Archiv aufgebaut. Die Beerdigung unter Corona-­Bedingungen ist noch schwieriger zu verkraften als sonst. «Unglaublich», sagt Reich. «Doch das Leben geht weiter. Irgendwie.»

Der einstige Kufen-Künstler weiss heute auch, dass er sich früher viel zu viel zugemutet hat und ständig unter Druck stand. Noch ist nicht genau klar, wie seine berufliche Zukunft aussieht. Dem Bobsport wird er aber treu bleiben. Garantiert als TV-Co-Kom­­mentator und vielleicht auch bei einem Materialprojekt für den Verband. Die Zuversicht ist definitiv zurück.