«Wenn ich Gott wäre, würde ich mich hintersinnen»

Sünden, Stolz und Sorgen: Die GlücksPost fühlt der Sängerin und Moderatorin mit kurzen Fragen auf den Zahn.

Meetings und Proben: Sandra Studer (54) hat einiges um die Ohren. Am 3. Juni moderiert sie im Musical Theater Basel «Homage to Ballet» (www.starticket.ch), ein Abend zu Ehren von Heinz Spoerli (82, Bild u.), der vor 50 Jahren Ballettdirektor in Basel wurde und die hiesige Tanzszene prägte. Am 12. und 13. Juni tritt sie dann mit Michael von der Heide im Programm «12 Points – Faszination ESC» im Casinotheater Winterthur und im Kaufleuten Zürich auf. 

GlücksPost: Musical, Moderation oder Gesang?

Sandra Studer: Im Moment definitiv Gesang! Ich lerne die Texte fürs ESC-Programm.

Ihre Ballettkünste?

Die sind auf null runtergesaust – ich hing schon lang nicht mehr an der Stange. Mit 20 habe ich es aufgegeben, weil ich fand, es sah zu sehr nach Herdöpfelsack aus.

Im November spielen Sie wieder Mutter Oberin im Musical «Sister Äct» – wann hilft Ihnen Ihr Glaube?

Er ist für mich spiritueller Beistand, der mir das Gefühl gibt, nie allein zu sein. Er hilft, die eigene Kraft in sich selbst zu finden und zu aktivieren. 

Das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Keines. Es ist eine Mischung aus Talent, Glück und einem Grossteil Chrampfen.

Wie viel verdienen Sie im Monat?

So viel, dass ich gut schlafe. Und manchmal bin ich froh, dass mein Mann auch etwas verdient.

Wann haben Sie zuletzt geweint?

Als ich Marc Forsters Film «A man called Otto» schaute – mit Kopfhörern. Plötzlich stand meine Familie um mich herum und wunderte sich, was mit mir los ist.

Ihre schönste Eigenschaft?

Ich bin eine Verbinderin: Ich versuche, Menschen zusammenzuführen, und «han ä Schiisfreud», wenn’s funktioniert.

Ihre Stärke?

Ich bin sehr verantwortungsbewusst. Wenn ich Ja sage, meine ich Ja.

Ein heimliches Talent?

Früher hätte ich Pfeifen gesagt. Aber plötzlich kann ich es nicht mehr. Ich bin besorgt! Keine Ahnung, warum. Vielleicht passiert das in der Menopause, dass man gewisse Talente verliert (lacht).

Ihre Schwäche?

Ich bin zu verantwortungsbewusst: Ich habe immer das Gefühl, für alles zuständig zu sein.

Worauf sind Sie stolz?

Nicht stolz, aber ich finde es cool, dass ich es geschafft habe, meinen Job zu machen, gleichzeitig meine Familie zusammenzuhalten und immer noch den gleichen Mann gut zu finden.

Bereuen Sie etwas?

Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich, wie Gölä es so schön singt, «no viu blöder ta». Ich habe vieles zu ernst genommen, hätte es lockerer angehen können: mehr Party, mehr Nichtstun. Aber ich werde das nachholen!

Mal Drogen probiert?

Schwache. Starke nie, da hatte ich zu grosse Angst. Spannend fände ich es schon, dieses Bewusstseinserweiternde mal zu erleben – ganz kontrolliert. Aber bis jetzt fehlte mir der Mut.

Hatten Sie mal Probleme mit der Polizei?

Immer wieder. 

Zum Beispiel?

Naja, etwa im Strassenverkehr.  Aber das hat sich bis jetzt in Minne aufgelöst (lacht).

Ihr letzter Schwips?

Vergangenen Samstag. Mein lieber Freund Stefan Gubser war mit seiner Frau da. Wir mögen alle ausgiebig Rotwein.

Der grösste Flop in Ihrem Leben?

Eine TV-Sendung zu Zeiten, als ich dachte, ich könnte alles moderieren: In «Vernissage» ging es um Mode, Architektur und Design – gar nicht meine Themen. Ich war die totale Fehlbesetzung, und es war dann auch ein Rohrkrepierer.

Ihr grösster Hit?

Da muss ich wohl die Teilnahme am «Eurovision Song Contest» 1991 nennen. Das war der Start für alles, was ich gemacht habe.

Was haben Sie von Ihren vier Kindern gelernt?

Geduld. Erwachsen sein. Verantwortung übernehmen. Und dass man nicht nur nett sein kann, sondern es ertragen muss, auch mal als Tubel gesehen zu werden.

Ihre wichtigste Lebensweisheit?

Den Tag geniessen. Carpe Diem – auch wenn es abgedroschen klingt. Nicht jeder Tag ist ein Höhepunkt, aber man sollte ihn bewusst leben und die Chancen, die er bereithält, wahrnehmen.

Die härteste Lektion, die das Leben Sie lehrte?

Die Geburt meiner Tochter Nina, die drei Monate zu früh zur Welt kam. Von einer Sekunde zur anderen steht das Leben still, nur der Kokon der Familie zählt.

Womit nerven Sie Ihren Mann Luka?

Wenn ich bei Sachen, die er nur positiv sieht, sofort die Probleme herausstreiche. Er findet, alles ist machbar und lässig. Ich bin dann der Realist, der ein paar Fragen hat. Das nervt ihn grausam.

Wann nervt er Sie?

Wenn er zu positiv ist. Euphorie über eine Idee und dabei weglassen, ob es wirklich umsetzbar ist und was es genau bedeutet. 

Das Beste an Ihm?

Eben doch die positive Lebenseinstellung und der Optimismus. 

Ihr Sehnsuchtsort? 

Das Meer. Je älter ich werde, desto mehr fasziniert mich die Weite, das Nichts, die Stille, die Unendlichkeit. Das reinigt den Geist. Und als Gegenpol die Berge.

Das Schöne am Älterwerden?

Dass man alles gelassener nimmt und mit viel Humor – sonst wäre einiges ja nicht auszuhalten. Und die Erfahrung. Man kann Dinge einordnen und weiss, was wichtig ist und was nicht.

Der Fluch am Älterwerden?

Abgesehen von nicht sehr erfreulichen Äusserlichkeiten: dass man das Unbeschwerte etwas verliert. Deshalb arbeite ich gerne mit jungen Leuten, sie geben es einem ein Stück weit zurück.

Welchen Tag würden Sie gerne nochmals erleben?

Viele! Meine Hochzeit, weil in diesen Stunden so viel passiert ist, dass ich es kaum verarbeiten konnte. Lustig fände ich auch den Abend, als ich meinen Mann an einem Fest kennengelernt habe. Oder den Tag, als ich erstmals Mutter wurde. Angefangen erst nach der Geburt!

Fürchten Sie den Tod?

Ich habe Respekt davor. Wie bei der Geburt sind wir allein, wissen nicht, was kommt. Ich hoffe und vertraue darauf, dass man, wenn man ein gewisses Alter erreichen durfte und ein erfülltes Leben hatte, auch eine gewisse Lebensmüdigkeit spürt und froh ist, gehen zu dürfen.

Wovor haben Sie Angst?

Ich kenne keine Ängste. Einzig die Vorstellung, dass meinen Liebsten etwas zustossen könnte, versetzt mich in Panik.

Was war früher besser?

Der Mensch war weniger abgelenkt von den vielen elektronischen Medien. Dadurch herrschte mehr Ruhe im Kopf.

Ihr Urteil über den Zustand der Welt?

Besorgniserregend. Es beunruhigt mich sehr, was passiert. Wobei auch das wohl mit den heutigen Medien zu tun hat: Ich glaube nicht, dass früher sehr viel weniger los war, aber wir haben es nicht so minutiös mitbekommen.

Was würden Sie ändern, wenn Sie einen Tag lang Bundesrätin wären?

Schulbeginn um neun Uhr – da ich lauter Jugendliche und Teenager daheim habe, die morgens nicht aus dem Bett wollen.

Und wenn Sie Gott wären?

Würde ich mich brutal hintersinnen, was ich auf dieser Welt angerichtet habe. Was falsch gelaufen ist, dass sich so viele Menschen die Köpfe einschlagen und nicht fähig sind, miteinander zu leben.

Wann sind Sie am glücklichsten?

Mit meiner Familie zusammen – in Vollbesetzung, was nicht mehr selbstverständlich ist. Und grosses Glück bedeutet für mich auch, Musik zu machen.

Was steht auf Ihrer «Bucket List»?

Mehr Musik machen. Und ich träume von einer längeren Auszeit – alle elektronischen Anschlüsse abschalten und irgendwo einfach mit mir selber sein.

Das schönste Kompliment?

Kürzlich meinte ein Interview-Partner: «Gopferdeckel, ich habe mehr erzählt, als ich wollte. Weil ich mich mit dir so wohlgefühlt habe.» Es freut mich, wenn ich auch in einer Interview-Situation eine menschliche, herzliche Stimmung schaffen kann. Und privat höre ich es gern, wenn die Leute mich als Person wahrnehmen, die sich für nichts Besonderes hält, sondern als normalen Menschen. Denn nichts anderes bin ich.