«Wein hat einfach eine gewisse Magie»

Neue Wege! Anfang Jahr hat der Moderator von SRF zu Blick TV gewechselt. Einen ganz anderen Nebenjob trat er bereits letztes Jahr an: Als Winzer hat Reto Scherrer den Rebberg seines Vaters übernommen.

Prost! Bevor uns Reto Scherrer (44) durch die alte Remise neben dem Gasthaus seiner Eltern in Weinfelden TG führt, schenkt er erst mal ein Glas Roten aus. Stilecht im Torkelkeller. Und mit einem gewissen Stolz im Blick: Sein Name steht auf der Flasche. «I ha mega Freud», gibt er zu. Doch, der Tropfen schmeckt! «Noch besser, wenn die Flasche schon eine halbe Stunde offen ist, dann wird der Geschmack vom Eichenfass geringer und das Fruchtige tritt hervor», erklärt er. Ganz der Profi – der er auch ist.

Letztes Jahr hat der Moderator den Rebberg seines Vater Hansjörg (78) übernommen, in neunter Generation. «Schon als Kind war ich mit ihm dort. Sämtliche Stöcke, von denen der Wein stammt, habe ich mit ihm gepflanzt.» Aus der gesamten Rebfläche entstehen in Zusammenarbeit mit dem benachbarten Weinbauern rund 1000 Flaschen Rot- und Weisswein. Viel Zeit und Herzblut hat er ins Ertüfteln seines Reto-Scherrer-Weins investiert. Im Rebberg selbst, der zum Weinweg Weinfelden gehört, erledige sein Vater nach wie vor die Hauptarbeit. «Ich bin da, wenn’s ums Probieren geht», scherzt er. «Nei, nei, ich helfe, wenn die Zeit es zulässt, und natürlich beim Wimmen.»

Und er macht den Boten: Die Flaschen, die auf seiner Homepage www.1762.ch bestellt werden, liefert er meist selbst aus – das sei eine Freude. Weniger dafür die Buchhaltung, die deshalb Retos «Bankfach-Ehefrau» Melanie (38) übernimmt. Und Papi Hansjörg verkauft seinen Anteil der Flaschen direkt über d’Gass. Früher geschah das im eigenen «Gasthaus zur Rebe», das er und Retos Mutter Käthi (83) vor zwei Jahren altershalber allerdings geschlossen haben. Theoretisch könnte ihr Sohn es neu beleben, das Wirtepatent hat er. Interesse? «Ich bin der festen Überzeugung, dass es irgendwann wieder öffnet. Ob mit mir, das weiss ich nicht. Vorstellen könnte ich es mir, aber es geht ja nicht nur um mich. Da arbeitet man dann sieben Tage die Woche: Meine Frau findet diesen Gedanken nicht berauschend.» Verständlich: Immerhin haben die beiden drei Kinder – die Töchter Emma (6) und Lisa (4) sowie den Sohn David (2).

Und sowieso: Einen Jobwechsel hat Reto Scherrer ja gerade erst hinter sich. Radio SRF1 und dem «Samschtig-Jass» sagte er Adieu, um bei Blick TV die News zu präsentieren. Im ungewohnt seriösen Gewand. «Ja, und ich bekomme plötzlich sehr viele Komplimente fürs Aussehen. Ich finde ja auch, wir sehen super aus», sagt er. «Das ist aber das Verdienst unserer Stylistin Tatjana Kotoric!»

So oder so: Am Ende zählen Inhalte – und da war die letzten Monate ein Thema Dauerbrenner: Kaum fiel im Februar der Startschuss für Blick TV, legte auch Corona hierzulande richtig los. 12-Stunden-Arbeitstage? Keine Seltenheit. Dennoch: Die Lust sei ihm nicht vergangen, so Scherrer. «Wir wurden zwar ins kalte Wasser geworfen, doch hätten wir uns eigentlich so etwas nur wünschen können. Es war eine strenge, aber auch eine gute Zeit.»

Und manchmal war die Arbeit sogar eine Art Zufluchtsort. Leise Erleichterung, wenn er nachts um drei Uhr – er macht immer Frühdienst – in Weinfelden ins Auto stieg und nach Zürich düste. Denn auch zu Hause, das gibt er zu, sei es halt oft sehr anstrengend gewesen. «Meine Kinder sind fordernd!» So hielten Emma, Lisa und David – selbst überrascht von so viel Zeit daheim – ihre Eltern ziemlich auf Trab. «Wir haben uns sehr strikt an die Regeln gehalten. Mal ein Spaziergang oder in den Wald, sonst aber brav zu Hause geblieben», erzählt er. «Da weisst du manchmal einfach nicht mehr, was du jetzt noch machen könntest. Das war nicht immer läss, und es gab schon auch mal irgendwelche Diskussionen.»

Hat ihm da, um auf den Wein zurückzukommen, das ein oder andere Gläschen etwas Entspannung beschert? «Ja ja, Wein hilft, auch gegen Kinder», sagt er und grinst. Kein Grund zur Sorge: Sein eigener bester Kunde ist Winzer Scherrer nicht. Ein riesengrosser Weintrinker war er nie, sei aber durch das Winzern durchaus auf den Geschmack gekommen. «Wein schafft Atmosphäre – nicht wegen dem Alkohol. Das Öffnen der Flasche, die lange Geschichte dieses Getränks, Wein hat einfach eine gewisse Magie.»