Walter Roderer – Jetzt bricht er sein Schweigen

Jahrzehntelang hat der beliebte Volks-Schauspieler aus Respekt vor seinem Publikum seine Absichten und Ansichten, seine Einsichten und Aussichten für sich behalten. Jetzt, mit 90 Jahren, schreibt er sich frei – in einem Buch.
 
Die wachen blauen Augen des grossen Kabarett-, Theater- und Filmstars blitzen listig-lustig. Seine Hände ruhen auf dem silbernen Griff eines schwarzen Gehstocks aus dem Fundus des Zürcher Opernhauses. Diesen hatte er einst als Requisit für den «Verkauften Grossvater» benötigt, und heute stützt ihn der Stock auch im wahren Leben beim Gehen.

«Ich arbeite an einem Buch», lässt sich Walter «Rodi» Roderer endlich entlocken. Der 90-jährige Grandseigneur schmunzelt. Denn wie so oft hat er sich still und diskret an ein neues Projekt gemacht. Diesmal schreibt er. Ganz nach dem Werbeslogan «Die Freiheit nehm ich mir!» notiert er seine Gedanken und Gefühle. Es sind Tatsachen, Meinungen und Philosophisches.
 
«Sie müend en verstah, gelled Sie»: Zuvor hat Rodi mindestens 54 Jahre lang seine Überzeugungen zu den verschiedensten Themen für sich behalten. «Ich habe wissentlich geschwiegen, weil in meinem Publikum alle Denkrichtungen vorhanden sind und ich niemanden vor den Kopf stossen wollte», sagt der Rekordhalter unter den Schweizer Theatermachern (1288 Aufführungen des «Mustergatten», 749 von «Der verkaufte Grossvater»). Und: «Ich habe nur unterhalten und keineswegs missionieren wollen.» Mit einer Ausnahme: 1992 machte er sich öffentlich stark gegen den Beitritt der Schweiz zum EWR. Das brachte ihm nicht nur positive Kritiken ein.
 
Mit seinem Publikum fühlt sich Rodi zwar heute noch eng verbunden, aber nicht mehr verpflichtet. Und so gestattet er sich nach Jahrzehnten, seine eigenen Überzeugungen in den Mittelpunkt zu stellen. Frauenfreund Rodi wird sich in seinem Buch in kürzeren und längeren Kapiteln genauso zu Emanzipation, Frauenquote und Seitensprüngen äussern wie zum Theater, seinem Verhältnis zum Publikum und zu Grenzsituationen – zum Beispiel hinter dem Autosteuer. Thematisieren wird der studierte Germanist auch «Überbevölkerung», «Die Schweiz und die übrige Welt» sowie «Werbung». Er schreibt Philosophisches über Lebensangst, Gott, Liebe, die Hauptaufgabe des Menschen, und, und, und.
 
Wann, wo und wie Rodi an seinem schreibt? «Immer, wenn ich Zeit habe, setze ich mich zu Hause in eine Sofa-Ecke und bringe meine Gedanken handschriftlich zu Papier.»
 
Gegenwärtig ist der 90-Jährige allerdings fast ausgebucht mit Einladungen zu Vernissagen, Premieren und Vorträgen. Ist das nicht etwas viel Stress für ihn? «Ich habe mich dafür anderweitig entlastet», sagt Rodi. «Ich habe eine Nachbarin, die mir im Haushalt hilft und im Notfall immer für mich da ist.»

  1. Gast - 3. Dezember 2010, 14:49

    Na, dann lass mal hören, Rodi!