«Mein neuer Job schweisst uns zusammen»

Sie ist nicht nur Mutter und Geschäftsfrau, sondern seit kurzem auch Nachwuchstrainerin. Das bedeutet für die Familie der Ski-Königin ein ganz neues Leben.

Das Paradies für die zwei Buben liegt an der Hauptstrasse in Glarus – in einem Geschäft. Florian (6) und Flavio (4), die beiden Söhne von Olympia-Siegerin Vreni Schneider (45), holen einen Bagger und einen schweren Truck nach dem anderen aus dem Gestell der Spielwaren-Abteilung. «Lue da, en Tüüfgänger», kennt sich der kleine Flavio bestens aus. «Diese Strassenbau-Maschine will ich haben.» Vreni beschwichtigt die beiden. «Ihr habt doch schon vom Christchindli so viel bekommen. Was wir jetzt kaufen, ist für Flavio, der am 16. Januar Geburtstag hat.» Und achselzuckend meint sie: «Es ist halt schon schwierig, wenn man die Buben hierhin mit nimmt. Manchmal kann man fast nicht nein sagen, wenn man ihre leuchtenden Augen sieht.» » Doch diesmal bleibt Vreni hart. Es gibt nur das Geburtstagsgeschenk für Flavio.Und noch ein paar Sachen für den eigenen Haushalt.

Es ist selten, dass Vreni bei ihrer dreifachen Job-Belastung soviel Zeit für ihre Buben aufwenden kann. Dabei war es ein schwieriger Morgen für die 3fache Olympia- und 55fache Weltcup-Siegerin, die seit ihrem Rücktritt vom Ski-Rennsport 1995 in Elm GL eine eigene Ski-, Snowboard- und Renn-Schule betreibt und seit neuem für den Skiverband Sarganserland- Walensee (SSW) im Nachwuchsbereich tätig ist. «Flavio hat so ‹täubelet›, dass ich ihn fast zuhause gelassen hätte. Manchmal ist es schwierig, wenn die beiden miteinander streiten. Es gibt so Phasen, wenn sie versuchen, gegen unser Programm ihren Kopf durchzusetzen. Aber ich denke, das kennen alle Mütter.Da muss man durch.» Als sich Vreni danach bei ihrer Cousine Claudia (26) die Haare machen lässt, sind Florian und Flavio richtige Engel. Selbstversunken spielen sie mit den mitgebrachten «Gschänkli». Auch als sie mit ihrem Mami für das Titelbild posieren, sind die beiden der pure Sonnenschein. Sie machen freudig mit, lachen in die Kamera, dass die Herzen schmelzen.

Die eigene Ski-Schule, die Zusammenarbeit mit Partnern und Sponsoren sowie ihren Job als Nachwuchstrainerin mit den Aufgaben der Familie unter einen Hut zu bringen, ist manchmal nicht einfach für Vreni. «Anderseits ist die Arbeit mit dem Nachwuchs eine grosse Chance. Und die Familie muss deshalb nicht leiden. Wenn wir im Ausland trainieren wie zuletzt auf dem Gletscher in Österreich, dann kommen mein Mann Marcel und unsere Söhne mit. Für mich ist das ein perfekter Ausgleich zum Familienleben. Natürlich muss ich als Trainerin noch viel lernen. Wer gut Ski fahren konnte, ist nicht automatisch auch ein guter Trainer», sagt sie in ihrer bescheidenen Art.

In ihrer neuen Aufgabe geht Vreni total auf. Sie ist fasziniert, dass die Jungen schon so reif, selbständig und kameradschaftlich sind. «Ich war in diesem Alter jedenfalls noch nicht soweit. Es ist sehr eindrücklich, wie sie einander helfen, wenn jemand ein Problem oder Heimweh hat. Solche Geschichten schreibt der Sport.» Ihr Fels in der Brandung ist ihr Ehemann Marcel (40). «Wir müssen zusammenhalten, und unsere zwei Buben geben uns alles. Manchmal können wir kaum glauben, dass sie schon so gross sind. Beide sind richtige Papi- Buben. Wenn Marcel den ganzen Tag als Akkord-Maurer auf dem Bau arbeitet, nimmt er am Abend nochmals alle Energie zusammen, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Sicher gibt es auch bei uns kleine ‹Sörgeli›, und sicher sind wir nicht immer gleicher Meinung. Aber wir haben ein super Verhältnis. Marcel ist ein‹Chrampfi›. Im Winter ist er mein Partner in der Ski-Schule und entlastet mich da sehr. Auch Florian hilft schon fleissig mit.»

Und falls Vreni und Marcel völlig ausgelastet sind, helfen die Schwiegereltern aus. Oder Vrenis Vater«Chäpp» (80) springt einund kocht für die Kinder Spaghetti.