Vom Berner Meitschi zum Eurovision-Star

Von Ostermundigen über Mailand bis hin zu ganz Europa: Die in Italien wohnhafte Moderatorin ist seit 29 Jahren nicht mehr aus dem Showbusiness wegzudenken. Ihr ­Erfolgsrezept beinhaltet eine ganz natürliche Zutat.

Von Aurelia Robles

Sie habe genug Selbstvertrauen, ­sagte Michelle Hunziker im zarten Alter von 19 Jahren. «Ich bin überzeugt, wenn man sich selbst gefällt, gefällt man auch dem Publikum.» Damals war die heute 48-Jährige ein bekanntes Fotomodell und die neue Freundin von Pop-Idol Eros Ramazzotti (61). Aber die Bernerin mit niederländischen Wurzeln mütterlicherseits war ­damals auch der ­aufstrebende Fernsehstar Italiens und sorgte mit ihrer ­Werbung für Roberta-­Dessous für viel ­Aufsehen. «Ich will kein Sexsymbol sein», stellte sie wenig später bei ihrer Neu­orientierung vom Model zur Moderatorin klar. «Ich will lustig sein und ich selbst ­bleiben. So muss man mich akzeptieren.»

Gut 30 Jahre später ist unlängst klar: ­Michelle Hunziker gefällt dem Publikum, und dies gleich in drei Ländern: Von den Bildschirmen beziehungsweise aus der Unterhaltungsszene ist sie in Italien, in der Schweiz und in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Am Samstag, 17. Mai, wird sich nun herausstellen, ob «la Hunziker» auch den Zuschauerinnen und Zu­schauern von ganz Europa gefällt. Mit ­Sandra Studer (56) und Hazel Brugger (31) moderiert sie das Finale des Euro­vision Song Contest in Basel. Es ist ein Traum für die Moderatorin, die, seit sie 2007 das prestigeträchtige Sanremo-Festival moderierte, den weltweit grössten Musikwett­bewerb verfolgt. «Ich freue mich, mit ­Sandra und Hazel Schweizerdeutsch ­reden zu können. Und ich bin so stolz, dass die Schweiz Gastgeberin eines ­solchen Mega-Events ist», sagt Michelle Hunziker, die für Schweiz Tourismus seit mehreren Jahren als Botschafterin amtet. 

Ein Millionenpublikum ist für Hunziker nicht neu. Neben Thomas Gottschalk (74) führte sie durch die internationale Samstag­abendkiste «Wetten, dass ..?», moderiert in Italien seit mehreren Jahren die tägliche Live-Sendung «Striscia la notizia», so auch aktuell gerade. Aus diesem Grund ist sie nur im ESC-Finale als Gastgeberin dabei. «Der Druck wird mit den Jahren aber nicht weniger – im Gegenteil. Ich habe gelernt, damit umzugehen und bin immer mit Freude und Liebe bei der Sache.»

Mit Natürlichkeit zum Erfolg

Italienerin oder Schweizerin? Aufge­wachsen ist die gebürtige Tessinerin in ­Ostermundigen BE und Zuchwil SO. Von einer internationalen Moderations­karriere träumte das Berner Meitschi, das als ­Tochter eines Schweizer Kunstmalers und einer niederländischen Handelsvertreterin auf die Welt kam, ­damals nicht. «Als kleines Mädchen besuchte ich in der Schweiz die Bezirksschule und träumte ­davon, Dolmetscherin zu werden», erinnert sich ­Michelle Hunziker, die Italienisch, Deutsch, Niederländisch, Französisch und Englisch spricht. Doch als ihre Mutter ­Ineke (81) mit ihr nach Bologna, Norditalien, zieht, lernt sie eine neue Welt kennen. Als Model taucht die 1,72 Meter grosse ­Michelle in die Welt von Mode, Glamour und Unterhaltung ein. «Diese war in meiner Kinder­perspektive nie präsent gewesen.» 

Und sie lernt ihre erste grosse Liebe, den Italo-Star Ramazzotti kennen. Im Alter von 19 wird sie Mutter von Aurora (28) und gibt dem Sänger 1998 im Städtchen Bracciano vor den Toren Roms das Ja-Wort. Mit einer fünfstöckigen Torte und dem kleinen Baby zur Seite startet sie, deren Eltern sich trennten, als sie zehn war, damals in ihr ­eigenes Familienleben in Rom. 

Nunmehr 30 Jahre lang wohnt ­Hunziker in ihrer Wahlheimat Norditalien, aktuell in Mailand. «Ein Teil meines Herzens wird immer der Schweiz gehören, aber meine Seele ist italienisch geworden.» Die Verbindung zur Schweiz ist – auch dem Schnellzug ICE sei Dank – in all den Jahren nicht abgebrochen. Bereits mit 22 Jahren kam sie für ein berufliches Engagement zurück in die Schweiz. Der Privatsender TV3 heuerte «Belle Michelle» für die Lifestyle-Sendung «Cinderella» an. Als Moderatorin will sie, so sagte sie damals, einmal mehr «einfach Michelle sein». Gleichzeitig wird auch «Wetten, dass ..?»-­ Erfinder Frank Elstner (83) Fan von ihr und ihrem herzlichen Lachen. «Michelle ist im Showbusiness eine Rarität», fand er. «Sie ist bezaubernd und trotzdem auf dem ­Boden geblieben. Ich freue mich auf ­unsere Zusammenarbeit.» ­Elstner holte sie nach Deutschland, wo sie im dritten Programm des Südwestrundfunks freitags eine halbstündige Talkshow präsentierte. 

Doch zur gleichen Zeit, wie sie 2002 in Sanremo erstmals mit dem Oscar der italienischen TV-Szene ausgezeichnet wird, scheitert ihre Ehe mit Eros. Ein Jahr zuvor war zudem ihr Vater Rudolf an einem Herz­infarkt verstorben. «Als kleines Mädchen hatte ich ein wunderschönes Verhältnis zu meinem ­Vater. Er hat mir die Liebe zur Schönheit, zur Natur beigebracht», sagt sie, die nach der Trennung ihrer Eltern ­lange keinen Kontakt zu ihm hatte. «Wir hatten noch zwei glückliche Jahre zusammen», erinnert sie sich in einem Interview 2002. «Und ich wurde erwachsen. Je mehr ich zu mir fand, desto besser lief’s mir ­beruflich. Privat hingegen ging’s bergab.» 

2014 findet Michelle Hunziker mit ­Tomaso Trussardi (42) den Glauben an die Ehe und Liebe wieder. Das Paar bekommt die Töchter Sole (11) und Celeste (10). Und obwohl auch die zweite Ehe zerbrach, ihre Lebensfreude hat die Entertainerin nie ­verloren. 2024 wird sie hierzulande gar als erst dritte Persönlichkeit nach Alt Bundesrat Adolf Ogi (82) und der Familie Knie mit dem «Prix de Joie» – «Preis der Freude» – ­geehrt. «Freude ist für mich etwas, was ich bewusst kultiviere, und zwar jeden Tag aufs Neue», sagte sie im Rahmen der Verleihung. Und genau diese Freude am Leben und an ihrem Beruf wird sie im ­Finale des Eurovision Song Contest in ­Basel zeigen – und dabei eines sein: ­einfach Michelle!