Voller Leidenschaft – und ganz ohne Eitelkeit

Mit der Krimiserie «Wilder» schaffte die Baslerin ihren Durchbruch, kehrt in ihrer Erfolgsrolle nun ins Fernsehen zurück. Und für einen Kinofilm hat sie sich einer besonderen Herausforderung gestellt.

Ein kleines italienisches Café in Kleinbasel hat Sarah Spale für das Treffen ausgesucht – unweit von ihrem Zuhause. Elegant umkurvt sie ein parkiertes Auto, um dann ihr Velo vor dem Haus abzustellen. Schnell hat sie sich aus Wollschal und Jacke geschält. Ein paar Minuten und eine Vierteltasse Tee später hat auch ihre vor Kälte rot gewordene Nase wieder Normalfarbe angenommen.

Ab 7. Januar gibt es ein Wiedersehen mit der 39-Jährigen, die ein zweites Mal in die Rolle der Rosa Wilder geschlüpft ist. Eine Figur, für die die Baslerin den Berner Dialekt büffeln musste. Jetzt, in der zweiten Staffel der Krimireihe «Wilder», sei es ihr aber schon viel leichter gefallen. «Lustigerweise hat sich das so verinnerlicht, dass ich mir inzwischen die Rosa auf Baseldytsch gar nicht vorstellen könnte. Es wäre nicht ihr Wesen.» Dennoch hat der Dialekt ein bisschen auf sie abgefärbt: «Wenn heute mein Gegenüber Berndeutsch spricht, falle ich immer öfter auch in den Dialekt, wenn auch etwas holprig vielleicht», amüsiert sie sich.

Über 680 000 Zuschauerinnen und Zuschauer lockte die erste Staffel von «Wilder» Ende 2017 durchschnittlich vor die Bildschirme. Setzt einen das nicht enorm unter Erfolgsdruck? «Wenn ich am Drehen bin, denke ich gar nicht so weit», sagt sie nach kurzem Überlegen. «Da konzentriere ich mich auf meine Arbeit, versuche, mein Bestes zu geben.» Aber natürlich sei da eine Erwartungshaltung, auch von ihr selber. «Bei mir war es ganz am Anfang so. Bevor wir die erste Szene gedreht haben, dachte ich mir: Wenn ich jetzt den Mund aufmache – kommt dann die gleiche Rosa, wie ich sie in der ersten Staffel hatte? Kann ich sie halten, im besten Fall noch steigern?»

Genau wie Rosa Wilder strahlt auch Sarah Spale eine angenehme Ruhe aus, überlegt genau, bevor sie antwortet. Auch optisch ist keine grosse Veränderung zu erkennen, ausser dass sie ihre Fransen kurz geschnitten, die Haare zu einem lockeren Dutt gesteckt hat, der bei jeder Kopfbewegung lustig wippt. Inwieweit findet sie sich denn selbst in der Rolle der ambitionierten Ermittlerin? «Rosa hat eine Feinheit, die mir auf eine Art nahe ist und es mir leichter macht, sie zu finden. Rosa und ich sind beide zurückhaltend, das stimmt.» Obwohl sie vielmehr das Herz auf der Zunge trage, sagt sie und schmunzelt. «Rosa hingegen ist sehr kontrolliert, mit ihrer Profession verbunden. Sie definiert sich über ihren Beruf, was ich nicht mache.» Aber in einer Sache seien sie sich sehr ähnlich: «Wenn es schwierig wird, nehmen wir beide nicht die Hintertür.»

Eine Schauspielschule hat die ausgebildete Primarlehrerin («Als Kind wollte ich Lastwagenfahrerin werden») nie besucht. Ein Naturtalent! «Danke vielmal!», freut sie sich über das Kompliment. «Bei mir steckt viel Leidenschaft dahinter, ich nehme die Arbeit sehr ernst.» Dennoch ist sie immer wieder mal am Zweifeln und Hadern, ob sie mit den Schauspielern mit Ausbildung mithalten kann. «Doch es bessert sich langsam.»

Wie gut sie mithalten kann, zeigt sie etwa im Drama «Platzspitzbaby», das kurz nach dem Staffelstart von «Wilder» in die Kinos kommt. Darin spielt sie Sandrine, die drogenabhängige Mutter einer Zwölfjährigen. Von der Profilerin zum Junkie – eine gewollte Veränderung? «Ich hatte grosse Lust, das zu versuchen, aber auch grossen Respekt vor der Rolle. Sandrine ist laut, lässt immer alles raus. Ganz anders als die kontrollierte Rosa.» Eine starke Rolle, auch optisch ein krasser Gegensatz zu «Wilder»: eingefallene, fahle Haut, Augenringe und verfärbte Zähne. Spale: «Als Sarah habe ich eine ganz normale Eitelkeit, wie sie alle haben. Nicht aber in einer Figur. Ich staune immer, wie aus mir eine ganz andere Person wird und was alles machbar ist. Da hat Eitelkeit keinen Platz.»

Wenn sie nach Hause kommt, lässt sie aber alles, was mit der Rolle zu tun hat, hinter sich. «Es ist eine Geschichte, die wir erzählen – und diese verlasse ich jeweils am Abend. Ich habe zu Hause eine Familie, und daher ist der Wechsel unbedingt nötig», sagt sie. Daheim, da sei sie die Sarah beziehungsweise die Mama. «Das hilft mir auch dabei, mich schnell wieder zu zentrieren.»

Gut dreieinhalb Monate dauerten die Dreharbeiten zu «Wilder», noch mal sechs Wochen jene für «Platzspitzbaby». Durften ihre beiden Buben (fünf und neun Jahre alt) sie auch mal am Set besuchen? «Bei ‹Platzspitzbaby› nicht. Da brauchte ich meinen Raum, um in die Figur einzutauchen und mich von daheim lösen zu können», erzählt sie. Zu «Wilder» nahm sie die zwei
ab und zu mit. «Aber sie haben ja auch ihren Alltag. Der eine geht zur Schule, der andere in den Kindergarten.»

So oft es ging, ist sie nach Drehschluss heim nach Basel gefahren. «Der Drehort im Berner Jura war ja nicht so weit weg. Aber das alles geht natürlich nur, weil ich einen tollen Mann habe, der das so grossartig mitstemmt und übernimmt, wenn ich weg bin», schwärmt sie von Philipp, mit dem sie seit 2010 verheiratet ist.Und der ist sicher mächtig stolz auf seine Frau? «Das beruht auf Gegenseitigkeit. Wir haben beide Freude an dem, was der andere macht.» Philipp Spale ist Universitäts-Sportlehrer an der Uni Basel. «Wir beide üben unsere Berufe mit Leidenschaft aus – und das ist wichtig. Aber unsere Kinder haben stets Priorität.»

Und wie finden sie es, wenn ihre Mama im Fernsehen Mörder jagt? «Der Kleine weiss, dass ich eine Polizistin spiele. Das findet er super, weil ich da eine Chefin bin. Aber es interessiert ihn nicht wirklich. Der Grosse ist an der Geschichte schon mehr interessiert. Er fragt nach und will wissen, wer wie wo.»

Apropos Ermittlerin: Wurde Sie auch für den Schweizer «Tatort» angefragt? Eigentlich wäre sie ja prädestiniert für diese Rolle. «Nein, aber ich bin als Polizistin schon an ‹Wilder› vergeben. Ich finde es toll, dass man den Mut hat, neue Gesichter zu zeigen, und dass zwei Frauen nun die Ermittlungen übernehmen.»