Vico Torriani lebt mit ihm weiter

Er war einer der ganz grossen Entertainer. Nun kehrt der 1998 verstorbene Vico Torriani dank eines Zürcher Sängers wieder auf die Bühne zurück.

Von Andrea Butorin

Vico Torriani (1920–1998) war ein gut gelaunter Tausendsassa. Als Sänger und Entertainer feierte er nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa grosse Erfolge. Seine bekanntesten und unvergessenen Hits sind «Silberfäden», «Kalkutta liegt am Ganges» oder «La Pastorella». Im deutsch­sprachigen Fernsehen moderierte er diverse Shows wie «Hotel Victoria» oder die «Vico-Torriani-Show». 

Aufgewachsen ist Ludovico Torriani, Vico genannt, in St. Moritz GR, später lebte er mit seiner Familie in Agno TI. Nun lässt ihn ein Zürcher Sänger musikalisch wieder auferstehen: Samuel Zünd (57) ist zwar klassisch ausgebildet und hat auch Bach-Kantaten in seinem Repertoire. Doch damit nicht genug: «Ich habe ein grosses Flair für die gehobene Unter­haltungsmusik», sagt er. 

Eine besondere Beziehung hat Zünd zu Vico Torrianis Werk: «Seine Lieder entdeckte ich auf Grossmutters Schall­platten.» Vor neun Jahren begann er, sich intensiv mit Torriani zu beschäftigen: Im Musical «Hotel Victoria» spielte er diesen in der Hauptrolle als alternden Star. Seither singt er Torrianis Lieder regelmässig auf der Bühne, zum Beispiel diesen Sommer ­während dreier Wochen bei den Kurkonzerten «Music mondaine» in St. Moritz GR.

«Mich fasziniert der Schmelz in Vicos Stimme», sagt Samuel Zünd. Torriani ­singe die Melodien nicht immer so perfekt, wie das ein heute ausgebildeter Sänger tun würde. Doch vielleicht verhelfe gerade das dazu, dass man seine Stimme schon nach wenigen Tönen sofort erkenne. Sein liebstes Vico-Lied ist eines der unbekannteren: das getragene «Schau nur zu den Sternen».

Beide hatten schwere Zeiten

«Leider bin ich Vico Torriani nie persönlich begegnet», sagt Zünd, der im St. Galler Rheintal aufgewachsen ist, aber schon ­lange in Zürich lebt. Dank des Musicals hat er aber dessen Tochter kennengelernt, ­Nicole Kündig-Torriani. «Zwischen uns entwickelte sich schnell eine ­tiefe Freundschaft.»

Im Gegenzug zum strahlenden Showbusiness gab es in Vico Torrianis Leben einige Brüche: Erst 2017 wurde bekannt, dass er und eine seiner Schwestern eine Zeit lang als Verdingkinder gelebt hatten. Die genauen Familienumstände liegen aber im Dunkeln. Und auch um ­seine genaue Todesursache ranken sich Gerüchte; die Rede war von Krebs, was seine Familie aber dementierte.

Samuel Zünd hat ebenfalls einen  Schicksalsschlag erlebt: 2012 starb seine Frau, eine Pianistin, an den Folgen von Brustkrebs. «Das war eine schwere Zeit. Aber meine Frau hatte mich beschworen, nach ihrem Tod weiterzumachen.» Die Musik hat ihm immer Halt gegeben, und heute ist er wieder glücklich liiert.

Auch beruflich macht er genau das, was ihn erfüllt: An drei Tagen pro Woche unterrichtet er an der ­Zürcher Hochschule der Künste ­Gesang. Weiter singt er in verschiedenen Formationen Klassik und Unterhaltungsmusik wie Swing oder die Evergreens von Paul Burkhard (1911–1977) und Artur Beul (1915–2010). Zünd teilte die Bühne aber auch schon mit Udo Jürgens (1934–2014) oder Pepe Lienhard (79). «Die gehobene Nostalgie ist gefragt. Und dank der grossen Abwechslung meiner Programme werde ich ihr nie überdrüssig.»