Unterhalten – und Brücken bauen

Mit Scherzen über sich und sein Leben als Farbiger in der Schweiz will der gebürtige Kongolese sein Publikum immer auch aufklären. Gesellschaftskritik, verpackt in Comedy, ist sein Markenzeichen – das kommt gut an.

Auf Schloss Lenzburg treffen wir Charles Nguela (32). In dieser Aargauer Stadt ist er aufgewachsen: «Gleich auf der anderen Seite des Bahnhofs.» In einem der Ballsäle scherzen wir darüber, wie lustig es wäre, wenn Charles für ein Foto an einem der Kronleuchter schwingen würde. Oder wäre das rassistisch? Charles empfindet es offenbar nicht so, er lacht laut und herzlich. Über sich und seine Erlebnisse in der Schweiz zu scherzen – gepaart mit gesellschaftskritischen Zwischentönen –, zeichnet ihn aus. Damit hat er 2011 die Schweizer Comedy-Szene im Sturm erobert und ist heuer zum zweiten Mal für den «Swiss Comedy Award» (10. 9., 20.10 Uhr, SRF 1) nominiert.

Gleichzeitig ist Charles Nguela Anwärter für den «Diversity Award» in der Sparte Herkunft. Die Verleihung des Preises ist am 10. 9. «Mir hat man gesagt, den ‹Diversity Award› würde ich nicht nur wegen meiner afrikanischen Herkunft erhalten, sondern wegen dem, was ich daraus gemacht habe», präzisiert der Comedian. Dafür hat er wirklich Lob verdient: im Kongo mit fünf Jahren den Vater verloren, mit der Mutter auf der Flucht zuerst nach Südafrika, dann in die Schweiz. Er war 14, als die Familie 2002 hier ankam. Nguelas sind voll integriert: «Meine Mutter hat uns gedrängt, so schnell wie möglich Schweizerdeutsch zu sprechen, sie hat es mit uns gelernt. Wenn du die Sprache nicht sprichst, kommst du nirgendwohin. Man versteht weder Gesetze, Vorschriften noch Rechte – und schon gar nicht das Land und seine Leute.»  Welche Macht Worte haben, sei ihm als Kind in Südafrika bewusst geworden: «Alle dachten, wenn die Apartheid vorüber ist, gibt es ein Blutbad. Aber Nelson Mandela hat gesagt, man müsse einen Mittelweg finden und zusammenarbeiten. So blieb der erwartete Bürgerkrieg aus.»

Rassismus ist ihm in der Schweiz natürlich auch begegnet. Charles Nguela unterscheidet zwischen schuldigem und unschuldigem Rassismus: «Die meisten wissen einfach nicht, wie verletzend ihre Aussagen oder Haltungen sind. In der Regel kann man sie aufklären. Wer dann immer noch weitermacht, will es nicht besser wissen.» Er versuche stets, Brücken zu bauen. «Verbietet man den Leuten einfach, etwas wie ‹Mohrenkopf› zu sagen, sind sie sofort im Verteidigungsmodus und sagen: ‹Das ist doch überhaupt nicht böse gemeint, ich bin kein Rassist.›» In diesem Zustand seien die Menschen nicht mehr zugänglich für konstruktive Diskussionen. «Sie wollen die Erklärung gar nicht hören, dass der Schokokuss für uns ein Symbol ist für die in früheren Zeiten gängige Praxis, den abgeschlagenen Kopf eines Farbigen als Trophäe zu präsentieren.» Erreiche man die Leute aber mit solchen Hintergründen, verstünden sie plötzlich, warum das Wort Mohrenkopf ein Problem sei. «Du würdest auch keine Süssspeise essen, die ihren Ursprung in der Judenverfolgung hat und im Namen zusätzlich darauf hinweist.»

Charles Nguela hat noch ein anderes Prinzip gegen Fremdenfeindlichkeit verinnerlicht, das er oft auf der Bühne anwendet: «Wenn dir ein Missgeschick passiert, ist es das Beste, wenn du gleich als Erster darüber lachst – sonst tun es die anderen. Wenn du über dich selbst lachst, nimmst du deinem ‹Gegner› den Wind aus den Segeln.» Im Prinzip sei es das, was die US-Hip-Hopper machten: «Viele fragen sich ja, warum man das N-Wort nicht mehr sagen dürfe, wo doch die Farbigen sich untereinander so nennen würden. Da ist aber ein Unterschied. Sie sagen ‹Nigga›. Das ist ihr Ausdruck für einen Bruder im Geiste, der dasselbe durchmachte. Wenn aber ein Weisser zu mir Neger sagt, hat das historisch die Bedeutung, dass ich zweitrangig, dass ich kein Mensch bin. Der Ausdruck ist mit viel Schmerz verbunden.»

Nicht nur bei rassistisch kontroversen Begriffen hat er recherchiert. «Wenn ich etwas sehe, beschäftigt mich das, und ich will wissen, woher es kommt. Ich dachte beispielsweise lange, der Zoff zwischen Zürich und Basel hätte mit Fussball zu tun.» Bis er dann von der jahrhundertealten Rivalität zwischen den beiden Kantonen gelesen habe. «Wenn man sich schlaumacht, ergibt alles plötzlich Sinn!»