Stephanie Glaser – Ihr letzter Wunsch hat sich erfüllt

Kurz vor ihrem 91. Geburtstag starb sie so, wie sie es sich erhofft hatte: Die Schauspielerin schlief friedlich ein. GP-Redaktor Marco Hirt erinnert sich an seine Begegnungen mit ihr.
 
Sie nahm sich immer wieder Zeit für mich – seit ich sie 1993 erstmals zum Interview traf. Damals lernte ich Stephanie Glaser, von jeher meine liebste Schweizer Schauspielerin, dank meines Berufs persönlich kennen. So wie sie mich mit ihrem Können immer wieder beeindruckte, begeisterte sie mich bei vielen Treffen auch privat. Herzlich und humorvoll, neugierig und zugänglich – eine Frau, die trotz ihrer vielen Erfolge bescheiden blieb, nicht zu viel Aufhebens um ihre Person machte. Sie war eine fordernde Interview-Partnerin, bei der es viele Fragen brauchte, um sie aus der Reserve zu locken. Oft sagte sie in wenigen Sätzen, was zu sagen war. Zu viel von sich wollte sie nicht freiwillig preisgeben. Und wenn sie mal etwas verriet, so wie sie mir vor Jahren als Erstem von ihrer Lungenkrebs-Operation erzählte, blitzten ihre Augen triumphierend auf. «Jetzt haben Sie einen Primeur!», sagte sie.
 
Kurz vor ihrem 89. Geburtstag sass ich Stephanie Glaser zuletzt gegenüber, bei Kaffee und Kuchen, in ihrer zweistöckigen Wohnung in Zürich-Witikon. Sie hatte ein Textbuch vor sich, lernte für ihre letzte Bühnenrolle. Die Auftritte waren anstrengender, als sie angenommen hatte, meinte sie später zu mir. «Aber ich wollte einfach nochmals wissen, ob ich es schaffe.» Im Artikel plante ich hervorzuheben, dass sie in so hohem Alter noch Theater spielte. Sie war wenig begeistert. «Ich bin doch kein Zirkuspferd!» Genauso wenig mochte sie, aufgrund des riesigen Erfolgs von «Die Herbstzeitlosen», als «Vorzeige-Alte» vorgeführt werden. Tipps und Weisheiten von ihr übers Älterwerden und Ältersein? Da konnte sie sehr einsilbig werden. «Es ist, wie es ist. Ich bin einfach dankbar – und alles, was noch kommt, ist ein Geschenk.»
 
Dankbar war sie besonders dafür, noch ein so eigenständiges Leben führen zu können. Davor fürchtete sie sich – nicht mehr allein zu sich schauen zu dürfen. «Diese Wohnung verlasse ich nur mit den Füssen voran», sagte sie mir 2009. Es ist fast so gekommen, wie es sie sich gewünscht hatte. «Ich hoffe darauf, einzuschlafen – und dann ist es erledigt.Das hoffen wir doch alle, nicht?»
 
Sie entschlief – im Spital Zollikerberg bei Zürich in der vergangenen Freitagnacht. Dort war sie, weil sie Herzbeschwerden hatte. Ich wollte sie letzte Woche, zwei Tage vor ihrem Tod, anrufen. Ich nahm an, sie sei von ihrer Reha in Zurzach nach einer Kniegelenk- OP wieder zu Hause erreichbar. «Bitte später versuchen!», sagte sie mit ihrer für die letzten Jahre typisch heiseren Stimme auf dem Telefonbeantworter. Das kann ich nun nicht mehr.
 
Adieu, liebe Frau Glaser. Ich werde Sie sehr vermissen.