Tapfer in der Zwangspause

Aufs grosse Finale muss die Schwyzerin, die das Frauenschwingen populär gemacht hat, verzichten: Sie ist verletzt, fällt längere Zeit aus. Ihre Schwester Marian spricht ihr Mut zu.

Es ist ein Herbsttag wie aus dem Bilderbuch. Sonia (32) Kälin und ihre Schwester Marian (29) sitzen auf der Holzbank vor dem Elternhaus in Egg SZ und trinken eine Flasche sauren Most. Natürlich alkoholfrei! Sofort fällt auf, dass die Schwingerkönigin am linken Bein eine Schiene trägt. «Ja, im Wallis ist es dumm gelaufen», stellt die Sportlerin fest. Sie greift zu den Krücken, steht vorsichtig auf und lacht tapfer. Sie sei gut gestartet, aber beim Kampf gegen die fünffache Schwingerkönigin Brigitte Kunz habe es plötzlich im Knie «gchroset». «Ich bin zusammengebrochen, habe nur noch geschrien und geweint», sagt sie. «Nie zuvor hatte ich so höllische Schmerzen verspürt.» Und sie habe noch vor der Diagnose durch den Arzt gewusst, dass ihre Schwingsaison beendet sei.

Hautnah erlebte ihre Schwester das Drama in Raron VS mit, musste danach selber wieder in den Sägemehlring. Sie habe zuerst nur geweint, es sei ein Schock gewesen. «Ich weiss, mit welchem Herzblut Sonia den Schwingsport ausübt. Aber sie ist eine Kämpferin, und ich bin überzeugt, dass sie auch diese Situation meistern wird», erklärt Marian, Rufname Mary. Richtig, wenn sie sich ein Ziel setze, gebe sie alles dafür. Mary hingegen lasse es eher «schleifen». «Dabei bringt sie im Training Spitzenleistungen. Wenn sie diese im Wettkampf umsetzen könnte, hätte niemand gegen sie eine Chance!» Über so viel Lob von ihrer Schwester wird Mary ganz verlegen.

Sonia, von Beruf Sekundarlehrerin, und Marian, in der Weiterbildung zur Wirtschaftsprüferin, sind sehr unterschiedlich. Dennoch gibt es auch Gemeinsamkeiten – wie die Liebe zu den Tieren, der Natur und natürlich zum Schwingsport, eine Familientradition. Die zwei stehen sich sehr nahe, sind immer für die andere da. Vertrauenspersonen, mit denen sie ihre Gedanken und Ängste teilen kann, sind für Sonia Kälin jetzt besonders wichtig. Ihr steht eine Zwangspause von mindestens sechs Monaten bevor. Das vordere Kreuzband und der Meniskus sind gerissen, das Seitenband ist zu 80 Prozent ab. «Mein Hauptziel ist es, gesund zu werden. Erst dann kann ich entscheiden, wie es sportlich weitergeht», sagt sie. Sie sei so froh, ihren Schatz Stefan an ihrer Seite zu haben. «Er macht mir sogar den Haushalt», verrät sie.

Vor dem Eidgenössischen Frauenschwingfest am Samstag, 23.9., in Schachen LU liegt Sonia Kälin auf dem ersten Zwischenrang der Jahreswertung. Auch wenn sie beim Finale nur als Zuschauerin dabei ist, könnte sie – je nach Resultat der anderen – trotzdem Schwingerkönigin werden. Und vielleicht sorgt Marian noch für eine Überraschung.