Gölä
«Sinn meines Lebens sind die Kinder»
Es geht nicht nur um ihn und seine Exzesse. Das gefällt dem Rocker an seiner neuen Biographie «Zigeunerherz». Hier erzählt der Berner, wie ihn die Debatte um den angeblich rassistischen Titel früher genervt hätte, dass er Anerkennung für seine Musik für unangebracht hält und wie wichtig ihm seine Familie ist.
Die Sonne Anfang November scheint noch sehr wärmend, als wir Gölä in Zürich bei seinem Manager treffen. Nach dem Mittagessen isst er erst den übriggebliebenen Salat leer: «Das chasch doch nid vergheie la!», sagt er, bevor es ihn auf den Balkon zieht, wo es sich gut im T-Shirt sitzen lässt. Er seufzt geniesserisch und streckt sich: «Ah, tut diese Wärme gut!»
GlücksPost: So sonnenhungrig?
Gölä: Ich weiss, wie brutal es ist, im Schatten zu sitzen. Da, wo wir wohnen, versteckt im Berner Oberland, haben wir dreieinhalb Monate pro Jahr keine Sonne! Das ist schwer auszuhalten.
Sie betreiben das Haus mit Solarkraft, um möglichst autark zu leben.
In der Winterzeit muss ich auf Diesel zurückgreifen. Ich tüftle schon ewig daran herum, wie man ohne fossilen Treibstoff durchkommt. Man ist halt doch immer irgendwo abhängig. Aber ja, wir versuchen, so autark zu leben, wie es geht. Wir haben zwei Gärten, 15 Ziegen. Mit meiner Frau Heidi habe ich eben einen Kurs gemacht, nun dürfen wir theoretisch zusammen 60 Ziegen und 10 Kühe halten.
Nervt Sie die Debatte um den Titel der neuen Biographie?
«Zigeunerherz» war mein Wunsch. Für mich ist dieser Begriff positiv besetzt. Ich habe selbst Zigeunerblut in mir von einem fernen Ahnen. Zigeuner heisst Rock’n’ Roll und Freiheit. Früher hätte es mich wütend gemacht, dass man mich wieder falsch interpretiert hat. Heute bin ich gelassener und sehe dies als Werbung.
Woher die Gelassenheit?
Ich mag keine Lämpe. Als Junger denkst du, du kannst einfach abhauen und alles hinter dir lassen. Aber deine Probleme nimmst du mit. Ich habe mich selbst akzeptiert, bin dabei, mich zu finden. Das ist ein Prozess, der Jahrzehnte dauert und nie aufhört. Ich bin schon lange recht zufrieden, tief im Innern.
Ein grosser Teil der Biographie ist Ihren Reisen gewidmet. Dies und die Freiheit sind Ihre grossen Lebensthemen.
Schon mein Urgrossvater war ein Weltenbummler. Der war wie ich: Ging einfach plötzlich weg, ohne jemanden zu informieren. Er fuhr zur See. Und war dermassen tätowiert, dass er kaum zum «Gring» raussah, wie meine Oma erzählte.
Auch Sie sind in früheren Jahren oft Knall auf Fall weggegangen. Zum Missfallen Ihrer Familie.
Ich war ein auffälliges Kind und habe die Schule gehasst. Es kam mir vor, als hätte mich jemand aus der Natur gerissen und eingesperrt. Dagegen lehnte ich mich auf. Man schickte mich zum Psychiater, als das noch unüblich war. Hätte ich einen solchen «Goof», würde ich wahrscheinlich ausrasten! Mich bremste nichts. Egal, wie oft ich auf den «Ranzen» bekam. Eine meiner Töchter ist mir diesbezüglich übrigens ziemlich ähnlich.
Die im Buch abgedruckten Briefe aus Neuseeland an Ihre Eltern klingen nach heftigem Familienstreit. Wie fanden Sie sich wieder?
Das brauchte seine Zeit. Früher hatten wir oft Lämpe. Heute denke ich, dass niemand dem anderen reinreden soll. Weder meine Eltern mir, noch ich ihnen. Zudem hat mein Père mit meinem Erfolg gemerkt, dass nicht jeder Musiker ein Drögeler wird. Er sah, dass ich das Geld nicht verblöde, es gut investiere und mein Büezerleben weiterführe.
Sie wollten immer wieder auswandern. Haben Sie den Traum noch?
Sag niemals nie. Aber ich glaube nicht, dass meine Frau auswandern will. Sie ist «es richtigs Buurli». Und ich denke heute: Reisen ist schöner, als irgendwo zu bleiben. Da holt dich der Alltag auch irgendwann ein. Reisen war für mich lange das Schönste im Leben.
Und die Musik?
Da denke ich gar nicht drüber nach. Wie ein Vogel, der denkt auch nicht darüber nach, dass er ein Vogel ist und fliegen kann. Ich bin dankbar, dass die Musik mir ein solches Leben ermöglicht. Aber für mich ist sie keine Leistung, da die Lieder immer zu mir kamen. Ich habe Notenlesen nie begriffen. Musik hat für mich nur mit Gefühlen zu tun.
Sie haben von klein auf davon geträumt, ein Star zu sein. Obwohl Ihnen ein paar ganz essenzielle Dinge, die dazugehören, nicht passen.
Ich lasse mir nicht gern Druck aufsetzen. Im schwierigsten Alter war ich Fan von Künstlern und Rebellen wie Elvis, ZZ Top, B.B. King oder Kiss. Da hatte man das Gefühl, berühmt sein bedeutet reisen, die Welt sehen, Frauen. Als ich realisierte, dass ich Dinge, die man als Star machen muss, gar nicht will, war es zu spät. Ich bin froh, nur in der Schweiz musikalisch erfolgreich zu sein und nie international.
Wenn man Ihr Leben verfolgt, fällt auf: Bei Ihnen ist immer alles oder nichts. Wenn Sie eine Bühnenpause brauchen, geben Sie das Karriere-Ende bekannt. Wenn Sie eine neue Frau haben, heiraten Sie sie schnell, und Kinder kommen auch bald.
Ich dürfte nie Poker spielen, ich gehe immer «all in». Und hatte viel Glück dabei. Ein Hochzeitsantrag ist doch die grösste Liebeserklärung! Wenn man etwas nicht zu 100 Prozent auskostet, kann man es auch nicht voll geniessen. Man bekommt, was man gibt. Und die Kinder – ich liebe sie. Für mich sind sie der Sinn des Lebens. Dank ihnen weiss ich, wofür ich das alles mache. Wir müssen als Menschheit am gleichen Strick ziehen und nicht nur an unsere eigenen 80 Jahre auf der Erde denken, sondern an die Welt, die wir künftigen Generationen übergeben. Ich bin froh, haben wir bei uns keinen TV-Empfang. Die heutige Jugend hätte im Gegensatz zu uns, die ständig schuften mussten, alle Zeit der Welt, sich zu guten Menschen zu entwickeln. Doch stattdessen verblöden sie vor Handy und Computer. Das ist undankbar.
Wie machen Sie es bei Ihren Töchtern Leslie (6) und Nikki (7)?
Wir leben ohne TV und all das Zeug, das vom wahren Dasein ablenkt. Sie haben zum Glück genug andere Interessen, spielen gerne in der Natur. Natürlich kann ich das Handy nicht ewig verbieten. Ich hoffe, dass sie vorher etwas finden, das sie mehr fesselt als der Bildschirm. Ich möchte, dass meine Kinder in die Pfadi gehen. Da haben sie noch die Möglichkeit, mit geerdeten Leuten in Kontakt zu kommen. Es braucht doch nicht mehr als ein Lagerfeuer und nette Menschen. Die meisten wissen gar nicht, wie gut etwas Feinstaub für die Seele ist.