Königin Elizabeth II.
Selbstlosigkeit ist ihr Vermächtnis
Seit 70 Jahren ist sie im Amt. Die Monarchin betrachte das Platin-Jubiläum als Erfüllung ihrer Pflicht, sagt Royal-Expertin Ingrid Seward. Sie verrät, worauf die Queen stolz ist und was sie bereut.
Keine Monarchin, kein Monarch vor ihr sass je so lange auf dem britischen Thron: Am 6. Februar jährt sich der Tag, an dem die junge Prinzessin Elizabeth durch den Tod ihres geliebten Vaters George VI. († 56) Königin von Grossbritannien wurde, zum 70. Mal.
Vergangene Woche erst ist die Queen auf ihren Landsitz Sandringham gereist, nachdem sie die letzten Monate auf Schloss Windsor verbracht hatte. Dort hatte sich die 95-Jährige zuletzt von gesundheitlichen Problemen erholt. Auf Sandringham wohnt die Queen im Wood Farm Cottage, dem Alterssitz ihres verstorbenen Mannes Prinz Philip († 99). Es ist das erste Mal, dass sie ohne ihren Gatten dort den Todestag ihres Vaters George VI. begeht.
Exklusiv für die GlücksPost ordnet Ingrid Seward, Royal-Expertin und Chefredaktorin der britischen Zeitschrift «Majesty Magazine», die Bedeutung des 70-jährigen Thronjubiläums ein.
GlücksPost: Sie sind namhafte Autorin vieler erfolgreicher königlicher Biographien, auch der Queen. Was bewundern Sie persönlich am meisten an ihr?
Ingrid Seward: Mich beeindrucken ihr Pflichtbewusstsein, ihre Geduld, ihre Freundlichkeit und ihre Fähigkeit, auch die lustige Seite des Lebens zu sehen.
Am 6. Februar feiert sie nun ihr Jubiläum: 70 Jahre auf dem Thron. Nur eine Zahl – oder ist es für die Königin mehr als das?
Es ist etwas Besonderes für die Königin, da sie von Gott dazu bestimmt wurde, ihre Pflicht auszuüben, solange sie dazu körperlich und geistig in der Lage ist. Sie glaubt, dass sie nun erreicht hat, was von ihr verlangt wurde, nämlich als erste britische Monarchin seit 70 Jahren auf dem Thron zu sitzen.
Mit welchen Gefühlen blickt Königin Elizabeth II. auf diese lange Zeit zurück?
Sie spürt wohl, dass sie es ohne die Unterstützung ihres verstorbenen Ehemannes Prinz Philip nicht geschafft hätte. Sie muss zum einen traurig sein, dass er dieses Jubiläum nicht mehr an ihrer Seite miterleben kann, aber zum anderen auch froh, dass er nicht mehr leiden muss. Sie wird seine Hilfe und seinen Humor schrecklich vermissen. In diesem emotionalen Moment ihres Lebens wird ihr auch die Freundschaft ihrer 2002 verstorbenen jüngeren Schwester, Prinzessin Margaret, fehlen.
Was sehen Sie als das Vermächtnis der Queen – und worauf darf sie stolz sein?
Die Königin kann stolz darauf sein, ihre Pflicht erfüllt und ihr Leben ihren Untertanen gewidmet zu haben – auf Kosten ihres eigenen persönlichen Glücks. Sie war erst 26 Jahre alt, als sie den Thron bestieg, hatte zwei kleine Kinder, einen gut aussehenden, jungen Ehemann, musste das Familienleben ihrer Rolle aber unterordnen. Ihr Vermächtnis ist zweifellos ihre Fähigkeit, immer da zu sein – sichtbar und selbstlos zugleich. Sie hat ihr Land durch grosse Veränderungen geführt, und sie hat es mit Anmut und Verständnis getan.
Gibt es etwas, was die Königin zutiefst bereut?
Ja, die Art und Weise, wie sie mit der Katastrophe der Ehe ihres Sohnes mit Lady Diana Spencer umgegangen ist. Sie hätte vorhersehen müssen, dass es Probleme geben würde, und sich sofort darum kümmern müssen. Prinzessin Diana hat häufig bei ihr Rat geholt, aber die Queen dachte stets, die Ehe der beiden würde am Ende funktionieren. Doch das war nicht der Fall. Sie hätte stärker sein und Diana und Charles sagen sollen, dass die beiden keine andere Wahl hätten als weitermachen.
Ohne ihren Mann an ihrer Seite, sagte die Königin kürzlich, empfinde sie eine grosse Leere im Leben. Wer unterstützt sie jetzt im Alltag?
Ihre Tochter Anne, ihre Schwiegertochter Sophie von Wessex und ihr Lieblingssohn, Prinz Andrew, sind wohl ihre grössten Stützen. Zusammen mit ihrem Sohn Charles und seiner Frau, der Herzogin von Cornwall, natürlich.
Elizabeth II. ist das Oberhaupt der anglikanischen Kirche. Hilft ihr auch der Glaube, das Leben zu meistern?
Sie schöpft enorme Kraft aus ihrem starken, christlichen Glauben. Jeden Abend spricht sie ihre Gebete und betet überdies jeden Sonntag entweder in ihrer privaten Kapelle oder in der Kirche. Zudem trifft sie sich häufig mit ihrem Kaplan, dem Dekan von Windsor.
Der «Big Jubilee Lunch» – der Aufruf an ihr Volk, sich aus Anlass des Thronjubiläums zu einem Picknick zu treffen – trägt die Handschrift der Queen. Wie sehr sieht sie sich als Landesmutter?
Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich so sieht. Die Rolle der Landesmutter überliess sie vielmehr ihrer eigenen Mutter, Queen Mum.
Es scheint, dass Prinz Charles sich mit zunehmendem Alter mehr und mehr die Fähigkeit seiner Mutter angeeignet hat, sehr würdevoll aufzutreten. Stimmen Sie dem zu?
Eigentlich ist er immer in Würde aufgetreten. Heute hilft ihm dabei seine glückliche Ehe mit Herzogin Camilla: Sie blickt optimistisch auf das Leben, sieht das Glas immer als halb voll an, während es Charles als halb leer betrachtet. Sie ist lustig, sie ist schlau. Sie macht ihn sehr glücklich und ermöglicht es ihm, seine Aufgaben als Thronfolger wahrzunehmen.
Zu den juristischen Schwierigkeiten ihres Sohnes Andrew und den Streitigkeiten mit ihrem Enkel Harry und seiner Frau Meghan: Wie geht Königin Elizabeth II. mit dieser komplizierten, belastenden Situation um?
Die Queen ist nicht gut darin, mit Konfrontationen moralischer Art umzugehen. Sie hofft nur, dass alles gut wird – wie jede Mutter!
Sie arbeiten sicher schon an Ihrem nächsten Buch. Welches königliche Thema behandeln Sie diesmal?
Interessant, dass Sie das erwähnen. Ich schreibe tatsächlich über Königin Elizabeth II., doch ich stehe ganz am Anfang und warte erst das Jahr 2022 ab. Ich bin mir sicher, dass sich nach dem Jubiläum und mit Andrews Gerichtsverfahren sowie Harrys angekündigter Biographie viele Dinge ändern werden und noch vieles passieren wird.