Sein Paradies für die Seele

Seine ganze Passion und Arbeitskraft steckt der Halb-Engländer in seine Kinderkonzerte und -musicals. Doch wirklich glücklich ist er draussen in der Natur und in seinem riesigen Wildgarten.

Wenig ausserhalb des Dorfkerns von Wädenswil ZH liegt er – der Märchen­garten von «Erzähl-Onkel» Andrew Bond. Eigentlich greift diese Bezeichnung für den Musicalproduzenten, Kinderliedermacher, Kin­der­event-­Organisator und Verleger zu kurz. Der ehemalige Theologe, Lehrer und Jugendarbeiter hat mit seiner ­Stiftung für afrikanische Kinder und mit Hobbys wie Vögelbeobachten und Wandern so vielfältige Seiten wie sein Garten Gewächse.

Das kommt nicht von ungefähr: Der 56-Jährige sagt von sich selbst, er leide unter einer Krankheit. ADHS will er sie nicht nennen. Aber: «Ich nehme um mich herum alles wahr – 180 Grad – und habe eine Art fotografisches Gedächtnis.» In seinem Hirn rattert es ständig. Deshalb kommt er nur schwer zur Ruhe. Fernsehschauen ist zu langweilig, lesen geht. Wirklich abschalten kann er auf seinen regelmässigen Fernwanderungen, die er allein macht: «Wenn ich acht Tage unterwegs bin, löse ich mich auf und höre auf zu denken.»

Einen ähnlichen Einfluss hat sein Garten. Eine halbe Hektare gross umgibt er das 450-jährige Bauernhaus, das Andrews Schweizer Grosseltern nach dem Zweiten Weltkrieg als Ruine kauften. Seither wurde es zwei Mal renoviert. Ein Tank sammelt Regenwasser für die WC-Spülung und die Waschmaschine, Solaranlagen sorgen für Strom. Umweltbewusstsein ist dem Halb-Engländer wichtig. Seine Eltern wohnen in der linken Hälfte, Andrew und seine Frau in der rechten.

Zur Zeit seiner Grosseltern war das Anwesen noch ein Bauernhof, später baute sein Vater hauptsächlich Essbares an. Seit Andrew und seine Frau alles übernommen haben, ist das nicht mehr so: «In 25 Jahren hat sich die Anlage von einem Nutzgarten in einen Freizeit- und Wildgarten verwandelt», sinniert er. «Meine Frau ist eher für die Blumen zuständig, ich für den Rest.» Die Trennlinie zwischen wunderbar gepflegten Blüten auf der einen und Wildwuchs auf der anderen Seite ist gut sichtbar.

Doch auch in Andrews Teil gibt es eine aufgeräumte Ecke: das Gewächshaus, das ihm seine Frau zum 40. Geburtstag geschenkt und das er jetzt, 15 Jahre später, endlich aufgestellt hat. Er zeigt die etwas klein geratenen Auberginen, die darin wachsen. «Das ist eines meiner zwei Corona-Projekte. Das andere sind die Teekräuter.»

Andrew kennt jede Ecke und weiss über alles Bescheid. Jedes Kothäufchen kann er zuordnen: Wiesel, Eule, Igel, Hermelin – die wilden Bewohner seines Gartens finden im langen, grünen Tunnel Unterschlupf, bei dem Baum- und Buschkronen das Dach bilden. Im bemoosten Teich, den er mit seinen Kindern angelegt hat, schwimmen Molche, Kröten und Frösche.

Die Haustiere – Schafe und Hühner – scharen sich um eine Eiche. «Die haben wir selbst gepflanzt, wie auch andere Bäume hier. Ich hätte nie gedacht, dass ich erleben würde, wie gross die mal sind.» Behände hüpft er für ein Foto über den 1,50-Meter-Zaun. «Letztes Jahr hatte ich einen Bandscheiben­vorfall und mache jetzt konsequent meine Übungen», erzählt er. «Aber sie sagen, ich solle keine Garten­arbeit mehr machen, da das schlecht für den Rücken sei.»

Doch da hört es für den Naturfreak auf. «No way»: Niemals würde er mit dem Gärtnern aufhören. «Ich möchte möglichst lange im Garten und draussen sein. Für meine seelische Gesundheit ist das wichtiger, als ein KindermusicalStar zu sein.» Dass er so boden­ständig geblieben ist, schreibt der ­studierte Theologe seinem Aufwachsen in einem christlichen Umfeld zu: «Ich bin heute sicher nicht mehr der Frömmste, der herumläuft, aber ich finde, meine Eltern haben es gut gemacht. Sie waren immer sehr sozial.» Von ihnen übernahm er Werte wie eine Grundzufriedenheit, Mitmenschlichkeit, Demut. «Demütig zu sein, lehrt mich auch mein Garten. Er ist wie das Leben – immer wieder neu.»