Ruhe in Frieden, Luc Conrad

«Der Bestatter» wird beerdigt. Mit einem Kinofilm soll gebührend Adieu gesagt werden – ein Wunsch des Hauptdarstellers. Wehmut ist keine zu spüren: Er ist in Gedanken schon bei neuen Projekten.

Ein letztes Mal schlüpft Mike Müller in eine seiner erfolgreichsten Rollen – die von Luc Conrad. In der Krimireihe «Der Bestatter» ermittelte er in der Titelrolle in sieben Staffeln auf SRF (2013 bis 2019) – und nun auch in einem abendfüllenden Kinofilm (siehe Box). Wir treffen den Totengräber auf dem Friedhof, wo sonst? Während wir plaudernd durch die Grabreihen spazieren, geschieht Wundersames: Der 59-jährige Schauspieler, der sich sonst so bescheiden gibt und mit dem Velo zu den Terminen erscheint, fällt plötzlich dem Grössenwahn anheim.

GlücksPost: Wie lange dauerte es, Sie zu «Der Bestatter – der Film» an Bord zu holen?

Mike Müller: Es brauchte keine Überredungskünste. So ein Projekt kommt ja nicht fixfertig zu mir. Regisseur Markus Fischer und ich gingen bereits während der Dreharbeiten der letzten Staffel mit der Idee zu SRF, wir würden gerne noch einen Kinofilm draufsetzen. Bis ein wasserdichtes Drehbuch auf dem Tisch liegt, dauert es. Wir überlegten uns, wo und wann die Geschichte erzählt wird. Klar war für uns von Anfang an: Wir brauchen ein anderes Setting, es darf nicht einfach eine weitere Folge der Serie sein, damit würden wir dem Format Kino nicht gerecht.

Der Film erinnert an Agatha Christies Figur Hercule Poirot. 

Wir spielen tatsächlich mit gängigen Klischees wie dem dunklen Hotel – das hat sich übrigens Fischer gewünscht. Oder Figuren, die zu jeder Zeit plötzlich aus dem Nichts auftauchen. Mir schwebte eine Beerdigung vor, mit Grabrede und Trauerfeier. So kamen nach und nach weitere Elemente dazu. Als wir der Meinung waren, jetzt hätten wir das Ganze beisammen, schlug SRF einen zusätzlichen Autoren vor. Es stellte sich heraus, dass es genau ihn gebraucht hatte, um die Sache zu einem runden, guten Abschluss zu bringen. Die Zusammenarbeit mit SRF war gut, wir können uns nicht beklagen. Mal abgesehen davon, dass es ohne die Hilfe – auch die finanzielle – des Schweizer Fernsehens kaum mehr hiesige Kinofilme gäbe.

Wie war das Zusammentreffen der «Der Bestatter»-Crew in trautem Kreis nach über vier Jahren Pause?

Das Wiedersehen mit der Technikcrew war toll. Es waren fast alle dabei, die die Serie gemacht hatten. Wir sind alle älter und gelassener geworden und freuten uns, mit einem Kinofilm einen krönenden Abschluss dieser langen Zusammenarbeit machen zu können. Bei den Schauspielkollegen ist es etwas anders, wir sehen uns auch sonst immer mal wieder.

Nach so vielen «Abdankungen» als «Bestatter»: Wie denken Sie persönlich über den Tod und über das, was danach kommt?

Ich bin Atheist. Für mich geht es nach dem Tod nicht weiter. Ich mache mir da keine grossen Gedanken. Ich traue denen nicht über den Weg, die behaupten zu wissen, was nach dem Tod geschieht. Über den Glauben würde ich mich trotzdem nie lustig machen. Der Mensch braucht Rituale, sie sind eine zivilisatorische Errungenschaft. Wie auch die Impulskontrolle, sie ist wichtig, damit nicht etwa jeder seinen erotischen Gedanken öffentlich freien Lauf lässt – was ja gerade wieder der Fall ist. 

Wir steuern auf eine hübsche Bankgruppe an einer Weggabelung zu. Die Frühlingsblumen blühen – nicht nur die auf den Gräbern. Früher hätten wir als Erstes unsere Zigaretten ausgepackt, doch Müller hat dieses Laster schon vor Corona aufgegeben.

Ihr Bestatter-Bart ist bereits wieder weg.

Besser so. Was da alles drin hängenbleibt, möchte ich lieber nicht ausführen. Es ist auf jeden Fall nicht sehr attraktiv.

Sie ziehen das Nichtrauchen durch, jetzt schon seit über drei Jahren. Kein Problem?

Ich finde tatsächlich, dass eine Zigarette einem jüngeren Menschen eine sexy Attitüde verleihen kann. Aber in meinem Alter hat man es gesehen.

Apropos Alter: Sie feiern am 25. Oktober Ihren 60. Geburtstag. 

Ich stehe an diesem Tag auf der Bühne und spiele mein neues Stück.

Kein privates Fest zu Ihrem Runden?

Das habe ich zu meinem 50. Geburtstag getan. Vielleicht zu meinem 70-sten wieder? Bis dahin muss ich sowieso arbeiten. 

Der Stoff wird Ihnen auf jeden Fall nicht ausgehen. Gerade jetzt gibt es viele politische Steilvorlagen für Satiriker. Brennt es Sie nicht unter den Fingernägeln? 

Natürlich tut es das. Aber ich habe keine Late-Night-Show mehr.

Nur noch Twitter.

Twitter nutze ich nach Lust und Laune. Manchmal streitet man sich auf Twitter politisch, aber hauptsächlich tausche ich mich da mit Leuten aus, die viel Sinn für Unsinn haben, und von denen gibt es zum Glück einige. Zudem behandeln meine Solostücke ja durchaus politische und gesellschaftskritische Themen. Die Arbeit ist aber komplett anders, da es keinen Platz für Tagespolitik hat. Das fehlt mir manchmal schon.

Wir laufen auf dem Friedhof umher, schauen uns den einen oder anderen Grabstein genauer an. 

Alles Familiengräber.

Uh, die sind mir zuwider. Wäre es in der Schweiz nicht untersagt, würden hier Mausoleen stehen, eins grösser als das andere, damit auch noch in 200 Jahren klar ist, wer hier das Sagen hatte. Selbst die grösseren Grabsteine, die die Familiengräber hier zieren, erscheinen stets wie eine Ansage an die Nachwelt: Wir waren imfall eine grosse, ansehnliche Sippe. Wenn es bei mir so weit ist, gibt es sicher kein Familiengrab. Meine Überreste sinken auf den Grund des Zürisees. Wenn das kein schönes Grab ist! Und riesig!

Müller verschwindet kurz aufs stille Örtchen, als er zurückkommt, wirkt er beschwingt.

Was ist passiert?

Ich habe es mir anders überlegt und gleich die ganze Matte da hinten reservieren lassen. Darauf lasse ich mir ein monumentales Grab errichten. Mit einer Buvette und glattem Personal.

«Der Bestatter» wird beerdigt. Was löst das bei Ihnen aus?

Im Kinofilm wird er ja nicht beerdigt, bloss die Figur, und die ganze Bestatter-Familie gibt es nach dem Kinofilm nicht mehr, aber erst mal ist sie im Kino zu sehen. Das ist keine Beerdigung, sondern ein letztes Fest, eine Austrinkete, das finde ich super.

Lassen wir die Toten ruhen und wenden uns der Zukunft zu. Sie sind demnächst wieder auf der Bühne zu sehen, sagen Sie?

Natürlich, und zwar schon sehr bald! Im Herbst spiele ich mein Solostück «Klassentreffen» im Casinotheater Winterthur. Das Thema betrifft meine Generation. Wir stehen ja so ein bisschen zwischen den alten weissen Männern und der letzten Generation, die auch schon recht alt wirkt … zuweilen.