«Jörg sagte, dass er auf mich warte»

Vor einem Jahr verstarb ihr Mann, Schauspieler Jörg Schneider. Wie ist das Leben seither ohne ihn, was freut und bewegt sie? Das erzählt die Witwe, die auf den Rollstuhl angewiesen ist, auf einem ihrer seltenen Ausflüge.

Es war ihr grosser Genusstag: Romy Schneider (79), die Witwe von Schauspieler Jörg Schneider († 80), der genau vor einem Jahr starb, gönnte sich einen Ausflug an den Rheinfall nach Schaffhausen. Romy sitzt seit Jahren im Rollstuhl und kommt seit dem Tod ihres geliebten Mannes kaum mehr aus ihrer grosszügigen Fünfzimmerwohnung in Wetzikon ZH heraus. «Ausser meinen regelmässigen Besuchen in der Zürcher Balgrist-Klinik betrachte ich die Welt durch die Fenster meiner Wohnung und mittels Fernsehen», sagt sie ohne Bitterkeit. «Die Schneeberge dort hinten nur schon zu sehen, ist wunderbar. Auch wenn ich weiss, dass ich nie mehr dorthin kommen werde.»

Dann schwärmt sie: «Ich habe so viele gute Freunde hier im Haus, die mich derart unterstützen, als ob sie mit mir verwandt wären. Viele kochen für mich und bringen mir das Essen in die Wohnung.» Apropos verwandt: Mit den drei Kindern ihres verstorbenen Sohnes Urs hat Romy keinen Kontakt. «Sie haben sich auch nie darum bemüht. Ich bin Jörgs einzige Erbin. Sicher würde ich die Kinder in meinem Testament berücksichtigen. Aber sie kommen nicht mal zu Besuch.» Auch mit den zwei jüngeren Brüdern ihres Mannes, Heinz und Edi, gibt es keinen Kontakt. «Heinz kam zwar zur Abdankung, weil ich ihn per Todesanzeige eingeladen habe. Aber vor dem Kirchenportal sagte er zu mir: ‹Du musst nicht glauben, dass ich da mit hineinkomme.›» Romy schüttelt unverständlich den Kopf.

Mittags, beim Einsteigen in den riesigen VW, ist Romy Schneider total aufgestellt. «Vis-à-vis meinem Bett hängt ein buntes Bild von Jörg, der mir zuwinkt. Das ist immer das Erste am Morgen, was ich sehe. Wenn ich mit dem Rollstuhl in die Küche fahre, grüsse ich ihn im Vorbeigehen und rede ein bisschen mit ihm. Das sind wundervolle Momente der Zärtlichkeit, Gesten und Rituale, die mich glücklich machen. Auch wenn ich Jörg natürlich noch jeden Tag sehr vermisse.»

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Das wunderbare Wetter, der im Hintergrund herunterdonnernde, stiebende Rheinfall, das herrliche Gefühl, wieder einmal draussen an der frischen Luft unter Menschen zu sein – Romy könnte die ganze Welt umarmen. «Das tut so gut», freut sie sich. «Jeder Mensch hat wie eine Art Buch im Gesicht, woraus man lesen kann, was dieses Gesicht sagt.»

Was erwartet Romy noch vom Leben? «Dass ich anderen Menschen helfen kann, die mir helfen; ihnen etwas zurückgeben. Ich bin sehr froh um alle, die mir helfen, sei es ‹nur› einen Brief zu schreiben. Ich bin zwar ein fröhlicher Mensch, aber ich kann nicht auf die Seite legen, dass ich alt bin.»

Ganz am Schluss seines Lebens schrieb der an Krebs erkrankte Jörg Schneider noch eine Botschaft an sie: «Bleib, wie du bist!» Romy: «Ich kann es leider kaum lesen. Das war nicht mehr mein Jörg, er war nur noch müde.» Und fügt hinzu: «Wenn die nächste Welt gerecht ist, dann treffe ich Jörg sicher. Er warte auf mich, sagte er immer. Na, dann wollen wir mal sehen, was wirklich passiert.

GP-Reporter H. Elias Fröhlich bedient den Lift am Auto von Romy Schneider.

GP-Reporter H. Elias Fröhlich bedient den Lift am Auto von Romy Schneider.

TV-Premiere für «Usfahrt Oerlike»

(SRF 1, 11.9., 20.05 Uhr): In seiner letzten Rolle ist Jörg Schneider an der Seite von Mathias Gnädinger zu sehen. Es ist der einzige Spielfilm, den die beiden, die 2015 starben, zusammen gedreht haben. «Von seiner Gage hat Jörg den behindertengerechten VW gekauft», sagt Romy Schneider. Dank dieses Autos kann sie noch in die Aussenwelt.