Raus aus der Hölle!

Man nennt es Mobbing, wenn jemand gezielt belästigt, beleidigt und schikaniert wird. Der Psychotherapeut Holger Wyrwa war selbst Opfer solcher Psychoattacken. Jetzt hat er ein neues Buch geschrieben.

Mobbing macht einem das Leben zur Hölle. Die Betroffenen werden nicht nur verbal verletzt, sondern auch in ihrer Würde. Die ständigen Angriffe auf die Persönlichkeit untergraben das Selbstwertgefühl, sodass sie immer mehr an sich zweifeln und sich schliesslich oft die Schuld am Mobbing geben. Der Psychotherapeut, Supervisor und Coach Holger Wyrwa war selbst während eineinhalb Jahren Mobbing-Angriffen ausgesetzt, gegen die er sich erfolgreich gewehrt hat. Heute ist er in der Mobbingberatung tätig und hat Bücher zum Thema geschrieben. In seinem neuesten Ratgeber erklärt er, wie Mobbing funktioniert und welche Strategien dagegen helfen.

Glückspost: Was genau ist Mobbing?

Holger Wyrwa: Mobbing ist Psychoterror. Ziel ist, eine Person mittels psychischer Gewalt auszugrenzen, sie zu isolieren und ihr bewusst Schaden zuzufügen. Mobbing setzt sich aus systematischen, zerstörerischen Handlungen zusammen. So kann zum Beispiel eine Person am Arbeitsplatz fertiggemacht werden, indem Gerüchte über sie in Umlauf gesetzt werden. Ein Chef kann einen Angestellten permanent kritisieren und seine Arbeitsleistung falsch bewerten, um ihn zum Kündigen zu bewegen. Das passiert in Firmen, um Kosten zu sparen – damit keine Abfindungen gezahlt werden müssen oder um ältere Mitarbeiter durch günstigere jüngere zu ersetzen.

Kommt es bei Mobbing auch zu körperlicher Gewalt?

Das passiert vor allem bei Jugendlichen in Schulen. Wird dort jemand gemobbt, kann es auch zu körperlichen Angriffen in Form von Spucken, Treten und Schlagen kommen.

Wann wird ein Konflikt zu Mobbing?

Mobbing beginnt in der Regel mit einem Konflikt. Wird nicht mehr versucht, den Konflikt zu lösen, etwa durch Gespräche oder Verhaltensänderungen, kann aus dem Konflikt eine Mobbingsituation entstehen.

Weshalb wird gemobbt?

Menschen haben die Neigung, andere zu erniedrigen, um sich selbst zu erhöhen. Der Mobber fühlt sich durch den Psychoterror mächtiger, stärker, besser. Er will diese Überlegenheit spüren und sie ausspielen. Zwar geben Mobber ihre Beweggründe nicht preis, anhand ihrer Taten kann aber zwischen folgenden Typen unterschieden werden: Es gibt den Lust-, Angst-, Co- und Auftrags-Mobber sowie den Stress- oder Macht-Mobber. Unter Letzteren befinden sich die Narzissten und Psychopathen.

Mobbing – in welchen Bereichen kommt es besonders häufig vor?

Der Begriff Mobbing wird vor allem für den Psychoterror verwendet, der im Beruf, in Schulen und im Internet stattfindet. Besonders häufig wird im Gesundheits- und Sozialbereich gemobbt – in Spitälern, Alters- und Pflegeheimen und Schulen. Die zweite Berufssparte, wo Mobbing häufig vorkommt, ist die Versicherungsbranche. Das dritte Berufsfeld ist der Bankenbereich. Man vermutet, dass der besonders hohe Stresspegel und Konkurrenzdruck ein Grund für das häufige Mobbing ist. Wobei dies den Psychoterror natürlich nicht rechtfertigt.

Kann es jeden treffen oder gibt es das typische Mobbing-Opfer?

Es kann tatsächlich jeden treffen. Oft heisst es, dass Menschen mit wenig Selbstvertrauen typische Mobbing-Opfer sind. Das stimmt nicht, denn es gibt das typische Mobbing-Opfer nicht. Es kann sein, dass ein Arzt in einem Spital gerade deshalb gemobbt wird, weil er Selbstvertrauen ausstrahlt.

Was tun, wenn man gemobbt wird?

Man kann mit dem Mobber sprechen und versuchen, die Situation zu klären. Ist das nicht möglich, wendet man sich an den Vorgesetzten oder Personalrat. Hilft alles nicht, gibt es das Notwehr-Mobbing. Dabei dreht man den Spiess um und mobbt den Mobber. Die Voraussetzung ist, dass man die Mobbingsituation wie auch den Mobber analysiert und seine Schwachstellen kennt. Seinen Peiniger unter psychischen Druck zu setzen, fällt schwer, aber wenn er einen zerstören will, gibt es nur den Weg des Kampfes. Ich betrachte das Notwehr-Mobbing als eine Möglichkeit der Selbstverteidigung.

Wie kann man sich vor Mobbing schützen?

Es gibt keinen Schutz. Wo Menschen zusammenkommen, gibt es Konflikte. Daraus kann sich eine Mobbingsituation entwickeln. Betroffene sollten nicht zu lange warten und leiden, sondern möglichst rasch aktiv gegen den Psychoterror vorgehen.

Das Buch zum Thema

Holger Wyrwa: «Mobbing – nicht mit mir!», Goldmann Verlag, Fr. 10.90.

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