Der muntere Wetterkönig aus Muotathal

Auf 2000 Metern über Meer verrät ihm die Natur die meisten Geheimnisse: Der dienstälteste Wetterschmöcker hat die GlücksPost zu einem Ausflug auf seinen Hausberg eingeladen, wo er die besten Prognosen machen kann.

«Ich mute euch jetzt nicht zu, ins Tal runterzulaufen», sagt Peter Suter auf dem Stoos zum GlücksPost-Team. Wäre der 90-Jährige allein, würde er das tun. Aber für die Unterländer nimmt er die Bahn. Dabei ist man sich nie ganz sicher, wie ernst der Wetterschmöcker, dem der Schalk aus den Augen blitzt, solche Aussagen meint. Wir sind auf dem Weg zurück von seinem Hausberg, dem Fronalpstock, wo es ihm leichter fällt, Prognosen zu machen. Suter: «Die Zeichen sind deutlicher als im Tal unten.»

Immer wieder bückt er sich und zeigt anhand von Pflanzen, wie sie ihm verraten, mit welchem Wetter zu rechnen ist. «Wenn sich die grossen Blätter an warmen Tagen hier drehen, dann ist sicher, dass es Regen gibt», erklärt er. Als Bub musste er auf dem Weg von der einen zur anderen Alpresidenz der Suters seiner Mutter jeweils berichten, was er in der Natur bei Pflanzen, Tieren und am Bach beobachtet hatte, das ein Anzeichen für Wetterumschwünge sein könnte. Für die Bauernfamilie war das überlebenswichtig. Je nachdem, was er sah, machte man sich etwa gleich daran, das Heu ins Trockene zu bringen.

«Meine Mutter wusste unglaublich viel. Ich lernte durch sie und das ständige Beobachten. Wenn mir etwas auffiel, fragte ich mich: ‹Warum ist das so?› Bis ich eine Antwort fand.» So bemerkte er, dass die Waldameisen auf 1500 Metern Höhe bei schönstem Sonnenschein nicht draussen waren. «Wir hatten damals schon ein Radio und ich hörte, dass es kalt werden würde. Da wusste ich, weshalb die Ameisen im Bau geblieben sind.» Die Mutter erkannte das Talent ihres Sohnes und förderte es, indem sie ihm Bücher besorgte.

Peter Suter nimmt seine Vorhersagen sehr ernst. Die Muotathaler Wetterschmöcker sind nicht zuletzt wegen ihrer witzigen, urchigen Art in der ganzen Schweiz beliebt und sorgen neben Wetter-Prognosen für Unterhaltung. Doch das passt Suter nicht so ganz. Während seiner zehn Jahre als Präsident des Meteorologischen Vereins Innerschwyz versuchte er, mehr Sachlichkeit in den Prognosen zu etablieren. «Es war mir langsam etwas zu viel Klamauk. Ich wollte, dass man uns ernst nimmt.» Obwohl er sich mit dieser Haltung bei seinen Kollegen nicht durchsetzen konnte, gibt ihm seine Seriosität recht: Suter verteidigte mit seiner Winterprognose 2016/2017 den Titel als Wetterkönig. Wie oft er sich den halbjährlich verliehenen Wanderpreis in den vergangenen 70 Jahren schon sichern konnte, weiss leider niemand mehr. Unter den aktuellen Wetterschmöckern hatte ihn Suter aber sicher mit Abstand am häufigsten. Das lässt sich nur schon an den eingravierten Namen der jeweiligen «Könige» auf dem Wanderpreis ablesen.

Der Muotathaler ist der Einzige unter den Wetterschmöckern, der noch aus der Gründungszeit der Innerschwyzer Meteorologen dabei ist. Die Gründung 1947 hat er zwar selbst nicht miterlebt – da war er gerade in der RS. Aber ein Jahr später trat er bei. Und er ist auch der einzige richtige Muota-thaler im Verein, wohnt immer noch in dem Haus, in dem er aufgewachsen ist in Ried im Tal. Gegenüber steht seine Sandstrahlerei, die ihm unter den Wetterschmöckern den Übernamen «Sandstrahler» einbrachte. Zu dem Beruf fand Suter, als es ihn nach der RS in die Ferne zog und er bei seinen Wanderjahren durch die Schweiz hie und da Jobs annahm – unter anderem als Sandstrahler. Damals nahm man es noch nicht so genau mit dem Schutz der Arbeiter. So holte er sich eine Staublunge. Statt die vom Arzt verschriebene Kur zog Suter die harte Variante zur Genesung vor: Er nahm an unzähligen Militärmärschen teil, um das «schlechte Zeug in der Lunge loszuwerden». Die 40- bis 100-Kilometer-Läufe wurden ein Hobby. «Der Vorteil war, dass einem die Unterkunft bezahlt wurde», meint er grinsend. Dank diesen Gewaltsmärschen und seinen unzähligen Wanderungen im Gebirge – oft auch mit Skis im Winter – ist er heute noch so fit.

Irgendwann bot sich ihm die Gelegenheit, aus einer Konkursmasse alle nötigen Werkzeuge für eine eigene Sandstrahlerei zu erwerben. Trotz des Unglücks mit der Lunge blieb er dem Beruf treu. Heute führt sein Sohn Franz (61) den Betrieb. Die Meteorologie reizt leider keines seiner sieben Kinder. «Die haben das Höhlenforschen für sich entdeckt», sagt Suter. Eines seiner 19 Enkelkinder zeige jedoch Interesse. «Ich will schauen, dass ich ihn nachziehen kann.» Es wäre auch zu schade, wenn Suters grosses Wissen verloren ginge.