«Päuli, Schweiz» genügt als Adresse

Der legendäre Bündner Skifahrer erzählt in einer TV-Sendung, warum er sich früher immer wieder mit Verbänden und Funktionären angelegt hat. Aber wie geht es dem urchigen Davoser eigentlich heute? Eine aufschlussreiche Begegnung im Landwassertal.

Von Thomas Wälti

Es rauscht und knackt in der Handy-Leitung: «Päuli!», vernehmen der GlücksPost-Redaktor und der Fotograf. «Wo seid ihr denn? Ah so, in Davos ­Laret! Dann fahrt doch in den Ortsteil ­Davos Frauenkirch. Dort findet ihr mich auf der Baustelle.» Wenig später erreichen wir den Bagger von Paul Accola (58). Die Bündner Ski-Legende ist mit Aus­hubarbeiten für den Neubau eines Ein­familienhauses beschäftigt.

Baggerfahren ist die grosse Leidenschaft des hemdsärmeligen Machers. Noch immer zaubert uns die Erinnerung an Paul Accolas Auftritt bei «Wetten, dass …?» ein Lächeln ins Gesicht. Wie er 1992 mit dem Menzi Muck virtuos den Hindernisparcours bewältigte und Wettkönig wurde – einfach herrlich!

Ab Samstag, 18. Oktober (20.10 Uhr, SRF 1 und Play SRF), tritt Accola abermals im Fern­sehen auf: Im Rahmen der zweiten Staffel von «Champion der Champions» wird der Gesamtweltcupsieger von 1991/1992 rennen, kämpfen und erklären, warum er sich während seiner aktiven Zeit immer wieder mit Verbänden und Funk­tionären anlegte. Den Seelenstriptease in Andalusien vollführt er gemeinsam mit Schwingerkönig Christian Stucki, Léa Sprunger (Leichtathletik), Andy Egli ­(Fussball), Jeannine ­Gmelin (Rudern), Mirjam Ott (Curling) und Thomas Frischknecht (Mountainbike).

«Die Teilnahme an dieser Sendung hat mich gereizt. Ich konnte neue Sportlerinnen und Sportler kennenlernen und mit ihnen über Erfolgsmomente, aber auch über Enttäuschungen reden. Das habe ich während meiner Skikarriere verpasst.»

Insgesamt 359 Weltcuprennen hat ­Accola bestritten, «sieben davon konnte ich ­gewinnen, 352-mal habe ich verloren», ­bemerkt der gelernte Zimmermann mit ironischem Humor. Denn: «Nur als Sieger bist du ein Gewinner.» Wenn er nochmals neu anfangen könnte, was würde er anders machen? «Noch viel länger Ski fahren!»

Die Kristallkugeln für den Gewinn des Gesamtweltcups, der Super-G- und Kombinationswertung sowie die vier Kombinations­medaillen an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften hat Paul Accola dem Wintersportmuseum Davos übergeben.

Verheiratet mit höchster Bündnerin

Seit 2002 ist «Päuli», wie ihn alle nennen, mit Valérie Favre Accola (52), Standes­präsidentin des Kantons Graubünden und höchste Bündnerin, verheiratet. Das Paar lebt im Landwassertal und hat drei Kinder: Carina (23), Kristian (20) und Jann (17). «Meine Familie bedeutet mir alles», schwärmt der Davoser von seinen Liebsten. Gibt es ein Geheimnis für die lange Liebe und Ehe? «Boah, was soll ich jetzt ­sagen?», antwortet er und lacht. Dann wird er ernst: «Wir pflegen einen respektvollen Umgang miteinander und sind fürein­ander da.» Die Bemerkung, dass in der Schweiz fast jede zweite Ehe geschieden wird, bringt ihn in Rage: «Das ist eine Katastrophe. Viele Leute führen ein liederliches Leben. Ihr respektloses Verhalten bringt die Welt in Schwierigkeiten.» Dann ist Accola nicht mehr zu halten. «Dass wir überhaupt über Klimawandel und Umweltschutz diskutieren müssen, regt mich fürchterlich auf. Wir haben es doch selbst in der Hand, zu unserer Natur Sorge zu ­tragen. Aber nein, die Leute ‹rösten› aus purer Langeweile lieber mit dem Auto erst über den Flüelapass, um dann über den ­Albulapass wieder nach Davos zu fahren. Das Benzin sollte für diese Ausflügler dreimal so teuer sein wie für uns Handwerker, die mit Maschinen ­täglich im Dreck arbeiten müssen.» 

Paul Accola schaut seinem ­Gegenüber in die Augen – und schweigt. Der kantige Bergler ist trotz allem sanfter geworden, ­findet der Autor dieser Zeilen, er gibt in diesem Moment nicht mehr den bärbeissigen Ski-Rebell, der in legendären Fernsehinterviews durch sein forsches Auftreten Kultstatus erlangte und zum ­Beispiel an der Ski-WM 2001 im öster­reichischen St. Anton nach dem Gewinn der Kombinations-Bronzemedaille sagte: «Bringt nix, schadet nix.»

«Mir wird das Image des Sprücheklopfers zugeschrieben. Das finde ich unfair, denn ich habe kein Medientraining genossen, um mich auf schwierige Momente in einem Interview vorbereiten zu können», moniert Paul Accola, der mit drei Geschwistern aufwuchs. «Aber Gopf: Das ­waren keine Reklamationen, sondern ­Hilfeschreie, die von der Verbandsspitze nicht wahrgenommen wurden.»

Golfplatz und Alphütte als Kraftorte

Was steht bei Paul Accola zuoberst auf der Wunschliste? «Zufriedenheit!» Er versuche, etwas dafür zu tun, damit sich ein Wunsch erfüllen könne. Einen gemeinsamen Traum mit seiner Frau hat er nicht. «Wenn man mit bald 60 Jahren die grossen Träume noch nicht erfüllt hat, hat man etwas falsch gemacht. Ich habe eine wunderbare Familie gegründet und führe ein Leben, das ich selbst finanzieren kann.» Paul Accola besitzt ein Unternehmen für Baggerarbeiten und Holztransporte sowie Landmaschinen, mit denen er die Bauern unterstützen kann. Sein Lebensmotto ­lautet: «Leben und leben lassen – und kämpfen!»

Wohl fühlt sich Paul Accola auf dem Golfplatz: «Ein toller Schlag und Spass ­haben mit Kollegen sind für mich Entspannung pur.» Kraft tankt die Familie im romantischen Sertigtal, wo sie knapp über der Waldgrenze eine Alphütte besitzt. «Diese Hütte konnte ich vor etwa 20 Jahren kaufen. Das war wie ein Lotto-Sechser. Wir ziehen uns gerne dorthin zurück. In ­einer hektischen Welt ist dieses Refugium eine Oase der Ruhe», erzählt er. Einen ­weiteren Wunsch erfüllt er sich gerade: «Ich baue unterhalb der Alphütte eine Jagdhütte aus Rundholzstämmen.» Ein­gespannt ist er auch als Stiftungsrats­präsident der Paul-Accola-Nachwuchs-Stiftung, die jedes Jahr rund 50 000 Franken an Nachwuchssportler in Graubünden verteilt: «Letztes Jahr haben wir die ­1-Million-Franken-Grenze an erteilten Beiträgen geknackt. Darauf bin ich stolz.»

Der Gastgeber verabschiedet das GlücksPost-Team mit einem Wunsch: «Schickt mir nach der Veröffentlichung bitte ein Belegexemplar. Als Adresse könnt Ihr einfach ‹Päuli, Schweiz› drauf­schreiben. Das Couvert wird den Weg zu mir finden – wie die Fanpost auch.»