Mut schenken durch die Musik

2013 gründete die Frau von Produzent Roman Camenzind ihr Projekt «Schwiizergoofe». Ein riesiger Erfolg, der den Kindern – auch ihren drei eigenen – Spass macht und sie fürs Leben vorbereitet.

In der grosszügigen Terrassenwohnung in Wettingen AG erwarten uns Nikol Camenzind  (40) und ihre drei «Goofe»: Mila (13), Ivo (11) und Nika (8). Die Sprösslinge tragen knallige Gewänder – das Markenzeichen der «Schwiizergoofe». Genauso bunt ist die Wohnung gestaltet. Ivo fährt mit seinem Skateboard durch die Stube, Nika turnt auf der farbenfrohen Sitzgruppe. Kein Räuspern oder Augenverdrehen, im Gegenteil, Mama Nikol fördert es: «Mein Mann Roman (47) und ich sagten uns, dass die Phase, in der die Kinder überall Fingerabdrücke hinterlassen, zu schnell vorbeigeht, und wir solche Spuren fröhlichen Kinderdaseins vermissen werden.» Deshalb ist im Wohn- und Essbereich alles erlaubt, was Spass macht. So wird Ivo nicht gerügt, als er während des Gesprächs mit der GlücksPost fortissimo auf dem weissen Flügel nebenan spielt. Und Nika wird aufgefordert, dem Fotografen die Zunge rauszustrecken.

Vor zehn Jahren rief Nikol Camenzind die «Schwiizergoofe» ins Leben – ein voller Erfolg. Hatte sie anfangs noch die Deutschschweizer Schulen abgeklappert, um Teilnehmende zu gewinnen, muss sie inzwischen schweren Herzens Absagen erteilen. Nikols Kinderchor ist ein Selbstläufer. Sowohl die Academy in Wettingen, an der Kinder jeden Mittwoch in Gesang, Tanz und Schauspiel unterrichtet werden, ist ausgebucht als auch das Singcamp, in dessen Verlauf jeden Sommer die neue «Schwiizergoofe»-CD aufgenommen wird. «Nie hätte ich gedacht, dass das so gross wird», sagt Nikol Camenzind, deren Unternehmen – die Kinder mitgezählt – rund 200 Personen umfasst. «Ich bin enorm dankbar für das Vertrauen der Eltern, dass sie uns ihre Kinder überlassen.»

In den Händen von ihr und ihrem Team passiert mit den Kleinen Wundersames: Es gibt solche, die scheu und geduckt ins Singcamp kommen und bereits am zweiten Tag ausgelassen mit den anderen herumspringen. Eltern berichten davon, dass ihr Kind sehr viel selbstbewusster zurückgekommen sei und nun ohne Angst Vorträge in der Schule halten könne. Damit hat Nikol Camenzind ihr Ziel erreicht: «Ich möchte, dass die Kinder ihre Meinung sagen dürfen, aber immer emphatisch bleiben. In unseren Liedern geht es darum, zu vertrauen, auf sein eigenes Herz zu hören und anderen zu helfen. So kann ich den Kindern durch die Musik Werkzeuge fürs Leben geben.» Ebenso wichtig sei es ihr, den Kindern Mut zu machen, sich selbst zu sein, ihre Einzigartigkeit zu behalten. «Unser Credo ist ‹Du schaffst das.› Wenn sie etwas wollen, geht das ja, doch man muss ihnen den Rahmen dafür geben, Kraft und Willen mitunter herauskitzeln. Es fasziniert mich total, wenn das gelingt.»

Enge Freundschaften verbinden die «Schwiizergoofe». Nikol Camenzind: «Musik schweisst zusammen. Die Kinder haben ein riesiges Fest auf der Bühne.» Sie wolle den «Goofen» keine halbbatzige Musikshow bieten, sondern ein professionelles Konzert. Allein für das Licht arbeiten elf Leute. «Ich scheue weder Mühe noch Aufwand. Ein Auftritt soll ein unvergessliches, einmaliges Familienerlebnis sein.» Wenn sie sehe, wie Väter mit Bier in der Hand die «Schwiizergoofe»-Lieder mitsingen und Mütter Tränen wegwischen, sei das schon sehr berührend. Bei den, ebenfalls jährlich erscheinenden Hörspielen, geht es darum, den Kindern zu zeigen, dass die Abenteuer vor der Haustüre liegen – nicht im Fernsehen oder in digitalen Gadgets. «Es gibt so viel Lässiges, was sie tun können: Bäche stauen, Bäume erklettern – die Kindheit ist die beste Zeit im Leben, aber so kurz. Ich wünsche allen Kindern so sehr, dass sie diese freie, phantasievolle, magische Phase in allen Zügen geniessen können.»

Ja, die «Schwiizergoofe» werden erwachsen. Nikol Camenzinds Tochter Mila ist mit 13 Jahren bereits zu alt für den Kinderchor. Doch sie bleibt der Truppe treu, hilft am Mittwochnachmittag in der Academy bei Choreographien oder im Singcamp beim Kochen. Auch andere Ehemalige kommen regelmässig zu Besuch und an die Konzerte. Die kreativen Inputs über die Jahre hinweg zeigen Wirkung: Nika geht ins Geräteturnen und probiert daheim selbst ausgedachte Kunststücke: Ein doppeltes Rad, das im Spagat endet, ist zurzeit ihr Ziel. Sie hat auch von selbst die Ukulele zur Hand genommen und sich die ersten Griffe beigebracht – so wie das «Schwiizergoofe» eben tun.