Musik für den Augenblick

Seit Jahrzehnten berührt der italienische Lieder­macher mit seiner Musik und seinen Geschichten in ganz Europa das Publikum. Nun geht der Wahlzürcher in der Schweiz auf Tournee – und zwar solo. Auf der Bühne will er ganz im ­Moment sein.

Von Aurelia Robles

Seit wenigen Tagen ist Pippo Pollina (60) von seiner Lesetour in Italien zurück. Die vergangenen zwei Wochen war der gebürtige Sizilianer in seinem Heimatland unterwegs, da sein Buch «Der Andere» auch dort erschienen ist. «Meinen Roman in der Originalsprache zu lesen – das waren schon grosse Emotionen für mich», sagt der Musiker, der vor 35 Jahren in die Schweiz gekommen ist. «Aber ich komme immer gerne zurück nach Hause.» Im Zürcher Seefeld-Quartier besitzt er ein Haus, das versteckt in einem Innenhof liegt. «Hier ist es so still. Hier kann ich sehr kreativ sein und sehr konzentriert arbeiten.» 

Und hier hat Pippo Pollina auch sein neues Album «Nell’attimo» aufgenommen, das am 12. Januar 2024 erscheint. Unterhalb seines erdgeschossigen Büros, das mit einem Flügel und einer eindrücklichen Bibliothek ausgestattet ist, hat er sich während der Pandemie im Keller ein eigenes Aufnah­mestudio erschaffen, wo seine letzten zwei CDs entstanden sind. Eigentlich wollte Pippo Pollina nun ein Best-of-Album aufnehmen. «Als ich dann mit meiner Gitarre in die Ferien ging, habe ich jeden Tag ein neues Lied geschrieben. Diese Kreativität kam unerwartet», sagt er. «Aber da war klar, dass es doch ein Album mit neuen Liedern werden wird.» Nur eines ist schon bekannt: «Aspettando che sia mattino» war das erste Stück auf seinem Debütalbum von 1986 und eröffnet auch seine neue CD. 

«Nell’attimo», das bedeutet auf Deutsch «Im Augenblick». Dass sein Album so heisst, hat nicht zuletzt mit seinem 60. Geburtstag zu tun, den er dieses Jahr feiern konnte. «Ich habe erstmals wirklich verstanden, dass die einzig sichere Sache, die wir haben, der Moment, der Augenblick, den wir gerade leben, ist. Alles andere ist Perspektive und möglich, aber nicht sicher.» Auch der Tod seines jüngeren Bruders, der vor sechs Jahren unerwartet mit 48 Jahren verstorben sei, habe ihm dies vor Augen geführt. «In diesem Moment hat sich auch ein Teil von mir verabschiedet und sich etwas in mir verändert», erzählt Pollina. Sein Album sei deshalb eine Laudatio an den Moment. «Die Lieder entsprechen diesem Gefühl. Sie sind sehr handgemacht auf­genommen, sehr einfach mit Gitarre oder Piano und meiner Stimme.» Und so einfach werde auch seine Schweiz-Tour sein, die am 11. Januar startet. «Nach dreissig Jahren hatte ich Lust, wieder alleine auf der Bühne zu sein, so wie zu meinen Anfangszeiten», sagt er. «Nur konnte ich mir damals keine anderen Musiker leisten. Dieses Mal ist es meine bewusste Entscheidung.»