«Momentan stimmt viel   es bei mir»

Keine Verletzung, mental und körperlich fit: Die Slalom-Spezialistin ist parat für die Ski-alpin-Saison, die für die Frauen erst am Samstag richtig beginnt. Rückhalt findet sie stets bei der Familie und ihrem Freund.

Sie sitzt im Rad-Dress auf einer Mauer mit Blick auf Hafen und Altstadt von Monaco. Es ist Ende Oktober, und Wendy Holdener (29) strahlt mit der Herbstsonne um die Wette. Die Slalom-Spezialistin gönnt sich mit ihrem Freund Remy Allemann (32) ein Durchatmen bevor es mit dem Ski-alpin-Weltcup losgehen soll. Doch dann fallen nach und nach die ersten Events dieses Ski-Winters aus: Sölden, Zermatt, Lech Zürs. Die Unteribergerin wird erst rund einen Monat später als geplant – am 19. 11. im finnischen Levi – zeigen, was sie draufhat. Die Vorzeichen stehen gut!

GlücksPost: Was bedeutet es für Sie, wenn der Saisonplan durcheinandergeworfen wird?

Wendy Holdener: Es hat keinen speziellen Einfluss. Man muss flexibel sein, gerade im Oktober sind wir uns Rennabsagen gewohnt. In Lech Zürs wäre ich zwar schon gern gefahren. Aber ob das erste Rennen nun eine Woche früher oder später stattfindet, ist nicht so wichtig.

Was machen Sie mit der «geschenkten Zeit» bis zum ersten Frauen-Slalom in Levi?

Es ist auf jeden Fall keine Wartezeit. Ich bin gerade auf dem Weg ins Engadin zum Skifahren. Nicht zum Spass. Bei mir ist Skifahren immer Training. Abgesagte Events geben mir mehr Zeit, weiter an mir zu arbeiten.

In den letzten beiden Saisons mussten Sie mit Verletzungen kämpfen. Nun ist nicht nur Ihr Körper in Hochform. Sie haben auch neue Übungen in Ihr Trainingsprogramm aufgenommen und einen neuen Mentalcoach. Also beste Voraussetzung für diesen Weltcup.

Ich habe momentan tatsächlich eine «gute Fahrt», die ich mit in die Wettkämpfe nehme. Mein Vorteil ist, dass in meinem Team Leute sind, die sehr kreativ sind und mir helfen, mich stets weiterzuentwickeln. Das ist cool! Sie motivieren mich und reissen mich mit. Es macht Spass, mit Menschen zu arbeiten, die mich fördern und antreiben. Hoffentlich kann ich in den Rennen zeigen, was in mir steckt.

Wie wichtig ist es, dass an den Rennen wieder Publikum vor Ort ist?

Ich habe das sehr vermisst und freute mich, als es wieder erlaubt war. Es fielen ja auch Dinge wie Sponsoren-Anlässe aus, bei denen man mit den Fans einmal richtig reden kann. Ich habe kürzlich mit meinem Sponsor Electrolux eine Serie von Apéros mit anschliessendem Meet and Greet durchgeführt. Da wurde mir wieder so richtig bewusst, dass die Menschen extra gekommen sind, um mich zu sehen und mit mir zu sprechen. Das tut gut und gibt Motivation. 

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem Küchengeräte-Hersteller?

Ich hatte grosses Glück: Ich fuhr mit den Söhnen des Electrolux-CEO Rennen. So sahen sie, dass ich etwas kann, und fördern mich seit ich 15 bin und 2008 zu den «Grossen» kam. Sie sponsern gezielt einzelne, bewährte Sportler wie mich oder Marco Odermatt, aber auch eine Reihe von Nachwuchstalenten.

Im Sommer machten Sie in Ägypten die Tauchausbildung.

Mein Freund Remy ist Tauchlehrer. Ich wusste, ich «muss» das früher oder später tun, damit wir zusammen tauchen können.

Nach der Ski-Karriere zusammen mit Remy als Tauchlehrer an einem schönen Strand arbeiten, ist keine schlechte Aussicht.

(Lacht.) Ob das so sein wird, steht nicht fest. Man weiss nie, wo einen das Leben hintreibt. Aber: Sag niemals nie! 

Nächsten Mai werden Sie 30. Haben Sie schon ein Fest geplant? Oder lassen Sie sich überraschen?

Ich will das schon selber machen. Momentan sammle ich Ideen, was wir an diesem Tag machen sollen. Eigentlich wäre am 12. Mai die Anprobe der neuen Renndresses angesagt – Swiss Ski hat seine eigenen Pläne. Aber zum 30. Geburtstag darf man sich mal frei nehmen.

Mit 30 beginnen viele Skirennfahrer und -fahrerinnen über den Rücktritt nachzudenken.

Mit der Winterolympiade 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo sowie der Heim-WM 2027 in Crans Montana gibt es zwei Anlässe, bei denen ich definitiv noch mitfahren möchte – wenn ich gesund und motiviert bin. 

Sie bezeichnen sich als Familienmensch. 

Ich liebe meine ganze Familie. Sie nehmen grossen Anteil an meinem Leben und meiner Karriere. Gut – wir sind alle «Ski-angefressen». Meine Eltern fuhren früher selbst Rennen. Sie nahmen uns Kinder von klein auf mit auf die Piste. Es war sicher gut für mich, dass ich mich mit meinen älteren Brüdern messen musste. Heute kommen meine Eltern an jedes meiner Rennen, mein Bruder Kevin macht mein Management.

Oft sieht man Sie mit Ihrer Mutter zusammen. Sie sind ihr nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten, Sie haben auch das gleiche Lachen. Sie scheinen ein ähnlich sonniges Gemüt zu haben – es gibt kaum ein Bild, auf dem Sie nicht übers ganze Gesicht strahlen.

Danke. Ja, ich kann mein Mami nicht leugnen (lacht). Sie ist sehr harmonisch und fröhlich. Auch ich bin jemand, der stets versucht, das Positive zu sehen. Momentan stimmt vieles bei mir, und ich bin sehr beschwingt. Die Vorbereitung auf die Saison verlief super, das bescherte mir eine grosse innere Ruhe. Ich bin zufrieden mit mir.