«Mit meinen Dämonen kann ich umgehen»

Bald sagt die «1 gegen 100»-Moderatorin Adieu zum Fernsehen: Sie will sich auf ihre Schauspielkarriere konzentrieren. Ein Weg, der zwar auch Ängste auslöst, ihr aber vor allem neue Energie schenkt.

Dramatisch, dramatisch! Ein schwarzer Schleier bedeckt ihr Gesicht, und es erinnert wenig bis gar nichts an Susanne Kunz (40), wie wir sie kennen. So soll es sein: Die «1 gegen 100»-Moderatorin und ausgebildete Schauspielerin steckt in Sihlwald ZH mitten in den Proben für das Freilichttheaterstück «Was ihr wollt» von Shakespeare (Infos: www.turbinetheater.ch), übt Szenen mit Kollegen wie Patrick Frey und Wanda Wylowa («Seitentriebe»).

GlücksPost: Da vollziehen Sie ja eine ziemliche Wandlung. In welche Rolle schlüpfen Sie?
Susanne Kunz: Als Gräfin Livia habe ich meinen Vater und meinen Bruder verloren und mir sieben Jahre Trauer auferlegt – ohne Techtelmechtel, versteht sich. Doch es kommt natürlich alles anders, die Leidenschaft beginnt zu brodeln – u denn geit’s los!

Was ist für Sie die grösste Herausforderung?
Die Komik der Figur, deren Gefühle zwischen Trauer, Leidenschaft und Scham hin und her schwappen, die Sprache. Shakespeares manchmal verschwurbelten Sätze sollten so natürlich rüberkommen wie meine eigene Alltagssprache.

Bekannt sind Sie als TV-Frau. Hatten Sie Angst, dass die Theaterkollegen Ihnen mit Vorurteilen begegnen?
Vor einigen Jahren wäre das wohl so gewesen, aber heute mache ich mir da keinen Kopf mehr, und wenn das andere tun, ist das halt ihre Sichtweise. Hier hatte ich aber das Gefühl, dass alle schnell gemerkt haben, dass ich ganz zugänglich bin, ich tauche ja nicht mit einer Entourage auf, im Blazerchen gekleidet und wie im Studio auf Show geschminkt.

Die Premiere am 11. Juli rückt näher. Wie nervös sind Sie?
Ich freue mich vor allem auf die kommende Zeit. Wenn sich das Stück entwickelt, verdichtet, die Kostüme dazukommen, die Bühne – ich liebe das. Aber ja, es gibt noch einiges zu erarbeiten, und die Nervosität steigt allmählich.

Was ist Ihr Mittel dagegen?
Meditieren. Nicht im Sitzen, eher Mentaltraining. Zweifel nicht wuchern und keine Ängste aufkommen lassen, sondern der Rolle vertrauen, bei sich bleiben, sich auf das konzentrieren, was man macht. Man verkörpert eine Person im Dienst der Geschichte und spielt nicht, um jemandem zu gefallen.

Und das klappt?
Ja, irgendwie kann ich das neuerdings gut. Aber klar: Manchmal überfällt es einen einfach – ganz hinterlistig vor dem Gestell mit den Auberginen – das Gefühl, ich kann nichts, ich bin ä wüeschti Chrott und mache im Leben alles falsch. Aber ich weiss mittlerweile mit meinen kleinen Dämonen umzugehen, es ist eine Haltung, die man immer wieder aus sich herausholen kann.

Per Ende Jahr hören Sie mit «1 gegen 100» auf. Hat Ihr Theater-Engagement damit zu tun?
Ich dachte mir, dass diese gut laufende Sendung nicht so bald abgesetzt wird. Somit war klar, dass ich wohl irgendwann gehen würde. Dann kam «Darf ich bitten?» und die Rolle im «Bestatter». Als ich für «Was ihr wollt» angefragt wurde, dachte ich mir, dass das jetzt genug Zeichen sind. Und wusste, dass es auch in eine andere Richtung gehen könnte.

Verspüren Sie Erleichterung?
Nein, denn «1 gegen 100» war keine Last. Gerade hatte ich Aufzeichnungen, und da schwang schon Wehmut mit. Ich werde es vermissen, vor allem das Team, bin aber froh, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Es war der richtige Entscheid, viel Neues passiert, ich treffe Leute, chumä id Gäng und verspüre eine neue Energie. Das ist das, was ich gesucht habe.

Dann ist das Thema Fernsehen erst mal abgehakt?
Nein, nur mit mir als Quiz-Moderatorin. Ich bin offen für neue Sachen. Aber ich glaube, im Moment ist der Schnitt ganz gut. Mal nur auf einer, statt auf mehreren Hochzeiten tanzen. Viele fragen mich, ob die Trennung vom Fernsehen unfreiwillig war. Nein! Und ich würde sagen, wir haben uns auch nicht auseinandergelebt, sondern bleiben Freunde.

Keine Angst vor der Ungewissheit? Zumal Sie und Ihr Mann David Kinder haben – den 13-jährigen Elfen und die 8-jährige Soane.
Manchmal denke ich: «Uaaah», aber da gilt es, ruhig zu bleiben, das ist wieder das Thema Selbstkonditionierung. Man muss sich neu organisieren ohne feste Anstellung, auch mit den Versicherungen und so weiter. Aber am Ende zählt nur, dass wir alle gesund sind, der Rest kommt dann schon.

Kürzlich haben Sie erzählt, dass Ihr Mann mittlerweile nicht mehr als Freelancer, sondern fest angestellt arbeitet. Das passt ja dann.
Natürlich gibt das Sicherheit, aber ich bin jetzt nicht einfach Gattin, das Ziel ist schon, als Schauspielerin, Event-Moderatorin und Pilateslehrerin selbst Geld zu verdienen, das war immer unser partnerschaftliches Abkommen. Das Gute ist, dass wir keinen sehr hohen Lebensstandard haben, wir leben gut, aber bescheiden, brauchen nicht allzu viel.

Wie intensiv haben Sie mit David im Vorfeld diskutiert?
Ich musste mich da nicht absprechen. Er wusste ja, dass ich mit dem Gedanken spiele. Der Entscheid fiel dann recht spontan. Ich habe gesagt, dass ich kündige, und er meinte, das ist doch gut. Coolä Ma, coolä Partner in Crime!

Und was meinten die Kinder?
Die finden es schon etwas schade. Nie mehr ins Studio mitgehen, wo es so feine Schöggeli gibt. Und sie wollten wissen, ob wir trotzdem noch in die Ferien gehen (lacht). Aber Elfen hat das Warum schon interessiert, weil für ihn die Berufswahl langsam ein Thema wird. Er sieht, dass ein gewisses Risiko damit verbunden ist, einen sicheren Hafen zu verlassen, versteht aber die Motivation dahinter.

Ist Ihre Familie theateraffin?
Jäää, so mässig. Sie finden nicht von sich aus, dass wir mal wieder ins Theater könnten. Aber sie freuen sich darauf, «Was ihr wollt» zu sehen – und werden sicher sehr kritisch sein!

Wie gut schauspielern Sie eigentlich im Alltag?
Gut! Muss man doch, sonst würde die Gesellschaft schlecht funktionieren. Wenn das Trämli wieder mal steht, würde ich manchmal gern täubele, aber mach’s natürlich nicht. Mä muess e chli schauspielere!