«Ich gehe jetzt in die Wüste»

Der Schauspieler und Komiker macht einen Strich unter seine Zeit beim Schweizer Fernsehen. Er freut sich auf sein Soloprogramm und arbeitet weiter mit seinem Freund Viktor Giacobbo.

Während wir uns auf die neue Staffel von «Der Bestatter» (ab 3. Januar, dienstags, 20.05 Uhr, SRF 1) freuen dürfen, hat Hauptdarsteller Mike Müller vorläufig Abschied vom Fernsehen genommen. «Der Bestatter» ist seit September abgedreht und die letzte Ausgabe der Late-Night-Show «Giacobbo/Müller» lief am 11. Dezember. Wie sein Co-Moderator Viktor Giacobbo (64) ist auch Mike Müller ganz unsentimental beim Gedanken an dieses Ende einer Epoche. «Diese Reaktion ist kein Willensentscheid. Obwohl wir beide klar zu der Sorte Männer gehören möchten, der so etwas nichts ausmacht», meint der Schauspieler augenzwinkernd zur GlücksPost. «Im Ernst: Ich empfinde es auch immer als positiv, wenn etwas zu Ende geht. Dann ist nämlich Zeit und Raum für Neues.» Und sowieso sei er für seinen Geschmack in den letzten Jahren zu viel am Fernsehen zu sehen gewesen. «Dadurch steht man ständig im Fokus der Öffentlichkeit.»

Jetzt also erst mal Ferien. «Und dann geht es für mich weiter Richtung Bühne.» Ein Projekt mit Giacobbo ist angedacht, aber vorher will Müller ein Soloprogramm auf die Beine stellen. «Im Januar gehe ich in die Wüste, um das Stück zu schreiben …», meint Mike vielsagend, «… zu Freunden, die südlich von Las Vegas wohnen.» Hat er keine Angst vor der Leere, nachdem in den vergangenen neun Jahren so viel los war – an vielen Sonntagen «Giacobbo/Müller», dazu jedes Jahr eine Staffel «Der Bestatter»? «Ich habe keine Angst mehr. Ich bin 53 und schon zu lange selbstständig. Ich weiss inzwischen, wie das läuft. Es wäre jammerschade, Angst zu haben, dann könnte man die freie Zeit zwischendurch nicht geniessen», winkt er ab. «Und als ich ökonomisch noch Angst hätte haben müssen, gab es gute Nebenjobs im Überfluss. Du konntest mit dem Finger schnippen und hattest ein tolles Angebot.»

Heute hat sich Müller den Status erarbeitet, in dem er keinen Bammel vor zu wenigen Angeboten haben muss. «Ich empfinde das eigentlich nicht so, dass ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere stehe», sinniert er. «Als ich damals von meiner Kunst leben und machen konnte, was mir gefiel, da dachte ich: Das ist jetzt schon recht gut.»

Typisch für sein Leben sei, dass alles einfach irgendwie passiert ist. «Als ich damals für Viktor in den ersten Sketches für sein ‹Spätprogramm› mitmachte, rutschte ich parallel dazu in die freie Theater-Szene in Zürich hinein. Viktor und ich haben uns immer beides offen gehalten – TV und Bühne. Darum bestanden wir stets auf einer Sommerpause von ‹Giacobbo/Müller›, weil wir immer auch noch andere Projekte verwirklichen wollten. Und ich hatte oft das Glück, mit richtigen Cracks zu arbeiten. Dabei lerne ich am meisten.» Wie jetzt mit Roeland Wiesnekker (49), Müllers neuem Kontrahenten in der fünften Staffel «Der Bestatter». «Es war toll, ihm zuzusehen, wie er arbeitet. Ich, als nicht gelernter Schauspieler, staune ja immer wieder, wie jemand wie Roeland an eine Rolle herangeht.» Einen Konkurrenten sieht er in Wiesnekker nicht. «Wir mögen uns. Das ist keine Bedingung für besseres Arbeiten, aber der Spass ist grösser. Wir hatten wahnsinnig viel Freude daran, zusammen spielen zu können. Ich glaube, das kann ich auch in Roelands Namen sagen.»

Müller kennt sich inzwischen richtig gut aus im Geschäft mit dem Tod. Schon als Kind war ihm das nicht fremd: «Mein Grossvater war Grabsteinverkäufer. Als Jugendlicher arbeitete ich als Totengräber. Ich liebe Friedhöfe. Auch im Ausland besuche ich sie gerne.» Er spricht über die unterschiedlichen Bestattungsarten, von Gräbern mit emaillierten Fotos in Italien, von Grabinschriften in Österreich, die auch den beruflichen Werdegang des Toten enthalten. Wenn Müller seine Geschichten von Begegnungen mit Bestattern, Totengräbern und Pfarrern erzählt, wechselt er jeweils in Dialekt und Tonfall seiner Protagonisten. Eine «Märchenstunde» der besonderen Art. «Wir drehten den Piloten der Serie ‹Der Bestatter› im Krematorium Nordheim in Zürich. Ich entdeckte auf der Liste der Verstorbenen ein Ehepaar aus dem Ausland, beide dasselbe Todesdatum, und sagte zum Betreiber: ‹Autounfall, oder?› Der meinte nur: ‹Nein, Dignitas.›» Zu Müllers Verblüffen hiess das Kürzel DG – das hinter rund einem Drittel der Namen auf der Tafel in Klammern stand – Dignitas. «Das war schon erstaunlich. Ich bin zwar auch bei Exit, aber ob das dann die Lösung ist – wer weiss. Ich kann mir das schon gut vorstellen: Ein Ehepaar, beide 85 Jahre alt und noch klar im Kopf, entscheidet sich nach all den gemeinsamen Jahren, auch gemeinsam zu sterben. Das macht für mich schon Sinn.»

Wie lange er noch den Bestatter spielen wird, kann Müller nicht absehen. «Eine sechste Staffel werden wir wahrscheinlich schon noch drehen», glaubt er. «Ich sage zwar schon seit drei Jahren immer wieder: ‹Jetzt ist fertig.› Aber wenn etwas halt so gut ankommt … Ich finde, es ist eine Stilfrage, immer wieder über ein rechtzeitiges Ende nachzudenken.» Das macht Mike Müller konsequent. Sowohl im Beruf wie im eigenen Leben.