Einsame Tage in der Wüste

Neuer Lebensabschnitt für den Schauspieler: Statt mit Viktor Giacobbo vor der Kamera zu stehen, ist er mit neuem Solo-Stück unterwegs. Darauf bereitete er sich in den USA vor.

Nach neun Jahren Late-Night-TV mit ‹Giacobbo/Müller› hatte ich das dringende Bedürfnis, einfach mal wegzugehen», erzählt Mike Müller (53) der GlücksPost bei einem Kaffee im herbstlich kühlen Zürich. Wir sitzen draussen – des Rauchers letzter Rückzugsort. Und der Schauspieler schwärmt weiter von seiner Auszeit in der Wüste bei Los Angeles. Dort wohnt eine langjährige Freundin von Müller und hat aus einem Teil des Gebäudes ein Appartement gemacht, das sie an Gäste vermietet – unter anderem via Airbnb.

Es liegt etwa drei Autostunden entfernt von Los Angeles, in einem sehr dünn besiedelten Gebiet. «Weil jedoch eine Basis der US-Armee in der Nähe liegt, hat es dort alles, was man braucht: Supermarkt, Spital, ein Fitnesscenter, wo ich mit ehemaligen Marines trainierte. Die Wüste ist zauberhaft. Durch die hohe Lage ist es eher kühl – darum heisst es ja ‹High Desert›, hohe Wüste. Das Telefon hat nur morgens geklingelt, da die Schweizer nachher zu Bett gingen. Ich hatte eine unglaubliche Ruhe dort und konnte mich wunderbar konzentrieren.»

Das war auch nötig, denn in den zweieinhalb Monaten in den USA musste Müller sein neues Stück «Heute Gemeindeversammlung» auf Papier bringen. Als er in Übersee ankam, hatte er bloss ein zweiseitiges Konzept. Die Zeit nach der Rückkehr brauchte er für die Proben, die er mit dem befreundeten Regisseur Rafael Sanchez (42) in Köln durchführte. Und der Sommer war reserviert für den Dreh der neuen «Bestatter»-Staffel (ab Januar auf SRF 1).

Mit «Heute Gemeindeversammlung» betritt Müller Neuland. Seine bisherigen Solo-Stücke waren Dokutheater, wie er es nennt: Jedes Wort auf der Bühne wurde in einem Recherche-Interview so gesagt, die Vorführung war gespickt mit Audio- und Video-Einspielern. Nun ist alles Fantasie. Müller holte sich absichtlich keine Ideen bei Gemeindeversammlungen. «Das letzte Mal war ich als junger Mann an einer solchen Veranstaltung. Jetzt hatte ich Lust auf einen längeren, fiktionalen Text. Das macht Spass: Man kann beim Schreiben und Proben jederzeit ändern, was nötig ist.» Bevor er zu schreiben begann, machte er einen Faktencheck bei zwei Gemeindepräsidenten und einem Regierungsrat. Und seine engsten Freunde – darunter Viktor Giacobbbo (65) und Domenico Blass (50) – liess er prüfen, ob er sich mit der Idee nicht ganz vergaloppiert hatte.

Müller spielt alle Rollen selbst. Ganz ungewohnt für «Giacobbo/Müller»-Fans schlüpft er ohne Maske in die verschiedenen Figuren: «Nur mit Stimme, Mimik, Körperhaltung und der Art, wie die jeweilige Person spricht.» Als er Anfang Jahr ins Flugzeug stieg, hatte er das Stück bereits 20-mal verkauft, inzwischen stehen über 60 Aufführungen auf dem Tourplan (Premiere am 10.10. im Casinotheater Winterthur. Weitere Daten: www.mike-mueller.ch). Das sei der Druck gewesen, den er gebraucht habe, um überhaupt etwas zu machen, sagt der beliebte Mime. Den Druck, der auf ihm als einem der erfolgreichsten Schauspieler des Landes liegt, nimmt er sportlich: «Ich hoffe doch, dass man mich unter die Lupe nimmt. Das ist ein Privileg und gehört zum Spiel. Ich freue mich darauf.» Wir uns auch!