«Meine Schmerzen werden immer schlimmer»

Seit ihrem Karrierenende leidet die Olympia-Goldmedaillen-Gewinnerin unter körperlichen Beschwerden, die sie zunehmend quälen. Doch dank ihren skibegeisterten und putzmunteren Buben erträgt sie diese und schaut optimistisch in die Zukunft.

Wenn der zehnjährige Flavio Fässler seiner Mutter skimässig fast um die Ohren saust, «dann kann er sich», so die dreifache Olympia-Goldmedaillen-Gewinnerin Vreni Schneider (51), «nicht vorstellen, dass ich mal eine berühmte Skifahrerin war. ‹Aber Mami, du bist ja richtig langsam. Was, das hast du wirklich alles gewonnen?›, fragt er dann, wenn mir Leute zu meinen vielen Siegen gratulieren.»

Vreni Schneider ist keine, die jammert. Aber als wir diese Szene oberhalb des Restaurants Älpli in Elm GL erleben und die beiden Buben, der zwölfjährige Florian und der gleich grosse Flavio, mit eleganten Bewegungen im Garacho den Hang hinunterschwingen und vor uns abrupt stoppen, seufzt Vreni hörbar. «Skifahren, so ungestüm wie die Buben, das ist alles nicht mehr so einfach für mich. Seit ich 1995 meine Karriere beendet habe, werden die Schmerzen immer grösser. Das Knie tut mir weh, der Rücken zwickt. Aber das nehme ich gerne in Kauf. Ich weiss ja schliesslich, wovon ich das habe. Dass unsere Söhne den Skisport mit so viel Elan betreiben, das freut mich und Marcel sehr. Hauptsache ist doch, dass es ihnen Spass macht.»

Diese Saison hatte Vreni mit ihrer Ski- und Snowboardschule, die sie in ihrer Heimat Elm betreibt, Riesenpech, was Wetter und Klima anbetrifft. «Von Dezember bis zirka Ende März dauert normalerweise die Saison. Dieses Jahr wohl nur während der Sportwochen, die eben begonnen haben. Aber wir sind gut gebucht.» Auch wenn das Weihnachtsgeschäft schlecht war: «Wenigstens war das Wetter schön», macht Vreni in Optimismus. «Wenn die Familie gesund ist, hadert man nicht. Aber wegen der Angestellten hatte ich schlaflose Nächte. Sie arbeiten auf eigenes Risiko. Ohne Chef und Chefin, also mein Mann Marcel und ich, sind es während den Sportwochen 42 Mitarbeiter.»

Nicht etwa Mama Vreni, sondern Anja Schneider ist das grosse Idol und Vorbild der Buben, die ihre 22-jährige Cousine masslos bewundern. Vor drei Jahren war sie im C-Kader und verletzte sich sehr schwer. Der Weg zurück ist sehr beschwerlich. «Anja ist die jüngste Tochter meines Bruders Heiri», erklärt Vreni. «Sie ist indirekt mitbeteiligt an meinem dritten Olympia-Gold 1994 im norwegischen Lillehammer. Dazu gibt es eine traurige Vorgeschichte.» Am 29. Januar 1994 starb die zweifache Super-G-Weltmeisterin Ulrike Maier aus Österreich nach einem schweren Sturz bei der Abfahrt in Garmisch (D). «Uli war die einzige Mutter im Ski-Weltcup, und ausgerechnet sie musste sterben. Uns Ski-Mädchen hat dieser sinnlose Tod tief hinuntergezogen. Wie ernst es um die Gesundheit meiner krebskranken Mutter stand, wussten wir. Aber so eine junge Mutter auf der Piste sterben zu sehen, konnten wir fast nicht begreifen. Für mich war damals klar, dass es noch etwas anderes gibt als Gold und Kristallkugeln.»

Dann kam plötzlich dieses Telefon aus Elm: Anja Verena ist ge­boren. Vreni erinnert sich: «Diese Nachricht hat allen gutgetan, und für mich war es wie eine Art Doping. Ich kämpfte wie eine Verrückte und gewann drei Olympia-Medaillen: nach Silber in der Kombination hinter der entfesselten Schwedin Pernilla Wiberg auch noch Bronze im Riesen­slalom, schliesslich die Krönung mit Olympia-Gold im Slalom.»

Wie talentiert sind ihre Buben? «Florian und Flavio machen bei den JO-Rennen mit. Während Florian, der Trainingsfleissigere, im Rennen manchmal zu wenig frech ist, kann Flavio sich im Rennen steigern. Beide sind völlig verschieden, aber natürlich noch sehr jung. Einige ihrer Kamerädli haben aber auch ganz schön viel Talent und die haben kein Mami, das Olympiasiegerin war. Alle Jungen kämpfen wie die Grossen um Siege. Ich war immer eine ‹Gluggerä› und übertreibe es vielleicht manchmal ein bisschen vor lauter Sorge.» Laut Vreni möchte Florian Skirennfahrer und Bauer werden. «Und ich übernehme einmal die Skischule», sagt Flavio keck zur GlücksPost.

Zwei Buben in diesem Alter sind nicht einfach, das wissen viele Eltern in der gleichen Situation. Sie sei wohl nicht so streng, meint Vreni. «Ich kann ‹pfutterä›, wie ich will, der Kleine hört oft nicht auf mich. Marcel, der im Sommer als Akkord-Maurer arbeitet, ist ein wunderbarer Vater mit Nerven wie Drahtseilen. Wenn er aber dann einmal ‹chiibet›, dann merken sie, dass es ernst ist!»