«Meine Kinder sind mein Spiegelbild»

Alle Jahre auf ein Neues: Als künstlerische Direktorin des Schweizer National-­Circus fängt ihr Druck und ihr Ziel, das Publikum zu verzaubern, immer wieder von vorne an. Die Grande Dame des Zirkus über stille Momente, Stabilität und Dankbarkeit.

Von Aurelia Robles

Die Musik der Proben dringt durch das Chapiteau des National-Circus Knie in Rapperswil SG. In der Manege herrscht Hochbetrieb, Nervosität und Druck. Kommt auch das neue Programm nach über 200 Jahren Zirkus-Geschichte noch an? Géraldine Knie (51), künstle­rische Direktorin, hat wie jedes Jahr um diese Zeit schlaflose Nächte. Zum Glück brauche sie nicht viel Schlaf, erklärt sie.

GlücksPost: Ist es anstrengend, jedes Jahr neu anzufangen?

Géraldine Knie: Ja, es ist herausfordernd und auch jedes Jahr traurig. Nach zehn Monaten müssen wir immer eine Show und Leute verabschieden. Man lebt in dieser Zeit so in­tensiv zusammen. Aber das ist seit meiner Kindheit so, und meine Kinder erleben es jetzt ebenso. Ich sehe in ihnen mein Spiegelbild. Unser Leben bedeutet: immer auf ein Neues! 

Worauf freuen Sie sich dieses Jahr? 

Der Auftritt meiner Kinder ist das Highlight meines Herzens. Wie sie mitfiebern, ihr Herzblut – das ist für mich als Mutter sehr emotional. Maycolino, mein Jüngster, hat gar um mehr Aufgaben gebeten. Jetzt ist er wie ein Gastgeber, führt etwas durch die Show. Und es wird ganz viel zum Lachen geben. Das ist in dieser emotionalen, ausserordentlichen Zeit sehr wichtig. 

Ihre Kinder prägen also das Programm mit?

Ja, ich bin auf die Inputs von meinen drei angewiesen. Mein Prinz Ivan ist 22, Chanel ist mit 13 Jahren ein Teenager und Maycolino der Kleine – ich habe alle wichtigen Altersstufen daheim, die wir auch als Publikum ansprechen wollen. Meine Kinder zeigen mir durch ihre Augen, was ihre Generation cool findet. Für sie ist das aber noch nicht ein Job im Sinne von Arbeit. Und generell ist es mir wichtig, dass wir im Team entscheiden, wie die Show aussieht oder sich anhört.

Wie halten Sie den Druck, den Sie als Direk­torin haben, von Ihren Kindern fern?

Ich glaube, es klappt gut, weil meine Kinder einen gewissen Altersunterschied haben und sich auch gegenseitig aus­gleichen. Ich will meinen Stress und ­meine Unsicherheiten nicht auf sie abfärben ­lassen. Kinder sollen ruhig und gelassen aufwachsen. Aber sie fühlen mit. Wollen auch Freude bereiten. 

Was machen Sie, wenn Sie nur Zeit für sich haben?

Die ist sehr rar, da ich auch für die 220 Angestellten da bin. Irgendwie ist das ­meine Aufgabe, für alle da zu sein. Ich schalte ab, wenn alle daheim am Schlafen sind. Im Halbdunkeln, ohne Kerzen, kehre ich etwas in mich, lasse den Tag Revue passieren und konzentriere mich auf den nächsten Tag. Das ist dann meine Erholung, das reicht mir. Ich habe auch gelernt, nicht mehr alles auf mich zukommen zu lassen, dass ich nicht mehr in einen mentalen Stress komme, sondern wirklich eines nach dem anderen angehe. Allein wegen meiner Blutdruckprobleme ist das wichtig und klappt ganz gut.