«Meine Familie ist mein schönstes Geschenk»

Bald feiert die grosse Schauspielerin ihren 90. Geburtstag. Das Alter ist für sie aber kein Thema. Ihr Wunsch ist es einfach, weiterhin gesund zu bleiben – und ihre Liebsten um sich zu wissen.

Ihr «Hallo?» ist unverkennbar: Liselotte Pulver (89) meldet sich am Telefon mit ihrer hellen Stimme und begrüsst in ihrem typischen Berndeutsch. Wir erreichen die Schauspielerin in ihrem Daheim in Bern, der Seniorenresidenz Burgerspittel. Kurz zuvor war sie wieder einmal in ihrem früheren Zuhause in Perroy VD bei Lausanne, wo sie viele Jahre gelebt hat. Denn ihre Villa Bip am Genfersee ist in der Familie geblieben und wird seit 2016 von ihrem Sohn Marc-Tell mit Ehefrau Kerstin (54) und Sohn Pascal (29) bewohnt.

GlücksPost: Zum 57. Geburtstag Ihres Sohnes Marc-Tell waren Sie wieder mal daheim. Sind Sie häufig bei ihm und seiner Familie zu Besuch?
Liselotte Pulver: So oft nicht, aber ab und zu. Denn ich habe auch noch viele persönliche Sachen dort, wie zum Beispiel einen Teil meiner Kleider. Denn hier im Burgerspittel habe ich nicht den Platz, um etwas aufzubewahren.

Marc-Tell hat Sie mit dem Auto in Bern abgeholt und wieder zurückgebracht. Fahren Sie nicht mehr selber?
Doch, doch, meinen Mercedes fahre ich immer noch, auch nach Perroy. Mit dem Zug wäre es ansonsten sehr umständlich, auch wegen des Gepäcks.

Das Anwesen ist wunderschön am Genfersee gelegen. Vermissen Sie es manchmal?
Nein, denn es wäre nicht die ideale Lösung für mich gewesen, allein im Haus wohnen zu bleiben. Hier im Burgerspittel fühle ich mich sehr wohl, hier wird alles für mich gemacht, hier bin ich gut umsorgt.

Wenn Sie beim Sohn zu Besuch sind, übernachten Sie auch dort?
Ja klar, denn ich habe immer noch ein Zimmer da.

Er kümmert sich sehr um Sie. Da sind Sie sicher sehr dankbar.
Ja, wir telefonieren auch fast täglich, reden über dies und das – was wir gerade machen oder was zu erledigen oder zu organisieren ist.

Welche Ähnlichkeiten sehen Sie von sich und Ihrem Mann Helmut Schmid in Ihrem Sohn?
Das ist schwierig zu beantworten, mein Mann ist ja auch schon länger verstorben. Marc-Tell ist ein ruhiger, eigenständiger Typ, sehr besorgt um alles, kümmert sich auch wunderbar ums Haus. Er hat als Schiffsbau-Ingenieur aber einen ganz anderen Beruf als mein Mann, der Schauspieler und Regisseur war.

Marc-Tell wurde 57, Sie werden am 11. Oktober 90. Denken Sie manchmal: Wo ist nur die Zeit geblieben?
Nein, eigentlich nicht. Ich nehme jeden Tag, wie er kommt, stehe auf und mache, was so ansteht. Dass ich jetzt 90 werde, nein, das ist nicht etwas, das mich beschäftigt.

Haben Sie trotzdem Geburtstagswünsche?
Nur Gesundheit.

Und wie sieht es derzeit mit Ihrer Gesundheit aus?
Mir geht es sehr gut, ich bin fit und selbständig. Aber natürlich geht alles nicht mehr so schnell.

Woraus schöpfen Sie Kraft?
Ich gehe sehr gern spazieren, das ist mir sehr wichtig.

Ist es Ihnen auch mal langweilig?
Nein, das wird es mir eigentlich nie. Ich lese, erledige Schreibarbeiten, bekomme Besuch, telefoniere, gehe auch mal mit dem Bus in die Stadt, wenn ich etwas besorgen muss.

Da werden Sie bestimmt erkannt und angesprochen, nicht?
Ja, das ist schon so. Man grüsst mich, manchmal entwickelt sich auch ein Gespräch. Man fragt mich, wie es geht und was ich so mache, man erzählt, dass am Fernsehen gerade der eine oder andere Film mit mir lief. Aber solche Begegnungen sind nichts Aussergewöhnliches für mich, das kenne ich nicht anders.

Kraft geben dürfte Ihnen auch Ihre Familie, die für Sie da ist.
Ja. Die Familie ist mein schönstes  Geschenk. Da ist auch noch meine Schwester Corinne, die in Fribourg lebt.

Sie ist bereits 92, richtig?
Ja, sie hat Jahrgang 1927. Sie kommt oft mit ihrem Lebenspartner zu Besuch, wir telefonieren viel, das ist sehr schön.

Ihr Bruder Eugen Emanuel, «Buebi» genannt, starb 2016 kurz vor seinem 91. Geburtstag. Da ist man sicher noch dankbarer für die Menschen, die einem geblieben sind.
Auf jeden Fall. So weiss man auch, an wen man sich wenden soll, wenn etwas ist. Wenn man ganz allein ist, hat man ja niemanden, der einem hilft.