
Marc «Cuco» Dietrich liebt die Bühne, aber auch seinen Zunftkeller «Zur füfte Jahreszyt» in der Stadt Bern.
Marc «Cuco» Dietrich
«Mein Leben war eine Achterbahn»
Der Berner hat mit dem Trio «Peter, Sue und Marc» Musikgeschichte geschrieben. Heute geniesst der 77-Jährige seine Lebensqualität, die er sich auch von einer Krebsdiagnose nicht einschränken lässt. Denn wenn er eines ist, dann ein Optimist.
Von Aurelia Robles
Seine Stimme schallt durch die Gerechtigkeitsgasse in Bern. Marc Dietrich (77), seit seiner Militärzeit «Cuco» genannt, hält einen Schwatz mit einem Bekannten. Dann schreitet der einstige Sänger des Erfolgtrios Peter, Sue und Marc über die Pflastersteine und steigt in den Keller hinunter. Im Untergrund der Gerechtigkeitsgasse ist sein Revier, die «Zunft zur füfte Jahreszyt». Vor 20 Jahren hat der «150-prozentige» Berner den Keller zur Miete bekommen und den offiziellen Berner Fasnachtskeller ins Leben gerufen.
Vor ein paar Tagen hat Cuco seinen Leuten mitgeteilt, dass er als Zunftmeister zurücktreten wird. «Es gibt ein Alter und einen Zustand für alles. Jetzt, nach 20 Jahren, reicht es langsam mit Zunftführen», erklärt er seinen Entscheid, zumal auch Junge Interesse zeigen würden. «Da wäre ich doch e Löu. Zudem habe ich vor ein paar Monaten einen Schuss vor den Bug erhalten.»
Im Juni 2024 ging er zu seiner jährlichen Stimmbänder-Kontrolle, die er «bedingt durch meine kleine Zweitkarriere mit Musicals» macht. Dabei diagnostizierten die Fachärzte bei ihm Krebs auf den «Stimmbändern, Kehlkopf und all dem Zügs» und stellten daraufhin einen Behandlungsplan mit 35 Bestrahlungen und bis zu zehn Chemotherapien zusammen. «Angst verspürte ich keine. Aber nach zwei, drei Wochen war ich derart am Boden, psychisch und physisch. Ich sagte mir, dass ich diesen Weg nicht gehen werde.» Seine Worte hören sich kraftvoll an, die Stimme verrät, wie überzeugt er von seinem Entscheid ist.
«Jeder steigt irgendwann sein Leiterli hoch», meint er im gelben Licht des Gewölbekellers. Wohin es nach dem Tod gehe, sei ihm egal und interessiere ihn nicht. «Ich hatte keine Angst vor dem Kommen, also habe ich auch keine Angst vor dem Gehen.» Viel wichtiger ist für ihn, dass er seit einem halben Jahr all seine Lebensqualität zurück und keine Schmerzen habe. «Und ich bin glücklich. Was will ich denn noch mehr?»
«Heit ihr no z trinke?» – Cuco ist ein aufmerksamer Gastgeber. «Ich mache jetzt noch diese Saison, aber ab 2026 bin ich operativ raus.» Denn in all den Jahren hat er hier stets Events organisiert. Vor ein paar Wochen gaben sein Lebensfreund Peter Reber (76) und dessen Tochter Nina (33) ein Konzert. «Das war unglaublich schön. Eine Stecknadel hätte man auf den Boden fallen hören», schwärmt Cuco. Gemeinsam waren sie von 1968 bis 1981 mit «Peter, Sue und Marc» erfolgreich, vertraten viermal beim Eurovision Song Contest die Schweiz (1971, 1976, 1979, 1981) – bisheriger Rekord. Doch bei Rebers Konzert war er einfach Zuhörer. «Nur mit meinem Sohn Bruno habe ich ab und zu noch einen Blues genommen.»
Freude an seinen Liebsten
Seine Gesangsstimme, die eine unverkennbare Note in die «PSM»-Hits wie «Io senza te» brachte, verhebt heute nicht mehr so wie früher. Dennoch gab es für ihn eine zweite Bühnenkarriere. So spielte er in den Musicals «Ewigi Liebi», «Alpenrose», «1476 Die Schlacht bei Murten», «Anna Göldi» mit: «Unglaublich, was wir erlebt haben. Schön wine Moore!» Seinen letzten Auftritt hatte er vor einem Jahr im Käfigturm-Theater in der Komödie «Holzers Peepshow». «Ich spielte en Äti im Rollstuhl ohne Text. Doch das war nicht einfacher.» Bei einem erneuten Angebot wäre er sofort dabei. «Die Bühne habe ich immer gschmöckt. Ich war immer eine Rampensau und werde es wohl bleiben.»
Musikstar, Immobilienverwalter, Gastwirt, Stadtführer und unlängst eidgenössisch diplomierter Pensionär – «Egal, was und wie viel du machst, es geht immer weiter. Die Hauptsache ist, dass man Freude daran hat.» Während seiner Zeit bei der Spar- und Leihkasse lernte Cuco 1990 seine heutige, dritte und, wie er betont, letzte, Ehefrau Trix (70) kennen. Dieses Jahr feierten sie mit den Trauzeugen ihre silberne Hochzeit. «Wir sind essen und trinken gegangen, das Schönste, was es gibt. Das ist für mich Lebensqualität, gleich nach der Gesundheit.» Seiner Frau kauft er regelmässig Blumen, dann, wenns ihn danach dünkt. «Ein Zeicheli» nennt er das. Und ein solches gibt er öfter auch Freunden und Familie. «Ich habe das grosse Glück, dass ich ein Umfeld habe, in dem wahnsinnig viele Leute Freude daran haben an dem, was ich mache.»
Cuco ist dreifacher Vater. Bruno (55) und Reto (52) stammen aus der ersten und 14-jährigen Ehe mit Heidi. Mischa (36) aus der einjährigen Ehe mit seiner zweiten Frau «Baba». «Dank Mischa habe ich meine einzige Schwiegertochter.» Cuco erzählt bildhaft von seinen Söhnen, deren Kindheit er mehrheitlich verpasst hat. «Als die ersten beiden klein waren, kam ich nur heim, um die Koffer zu wechseln.» Er tourte damals mit Peter, Sue und Marc und merkte: «Familienvater und Showbusiness? Vergiss es!»
Dass er nicht wirklich als Vater da war, bereut er keineswegs. «Heute habe ich ein wunderbares Verhältnis zu meinen Giele und liebe sie durch alli Böde.» Überhaupt würde er alles genau so wieder machen wollen, mit allen Fehlern. «Mein Leben war eine Achterbahn, ganz klar», sagt er. «Aber es ist doch eine Art von Glück, wenn du merkst, dass dir dein Leben so viel bedeutet, weil es gut ist und auch gut war, wenn du darauf zurückblickst.»
Herzinfarkt, Rückenprobleme, Arbeitslosigkeit, Alkoholprobleme, nun den Knoten im Hals: Marc Cuco Dietrich hat viel erlebt, aber nie gehadert. Sagt gar, dass ihm viel in den Schoss gefallen sei, zum Beispiel in der Schweiz geboren zu sein. Er zitiert ein chinesisches Sprichwort, bei dem es darum geht, sich nicht ab den Dornen zu stören, sondern sich über die Rosen zu erfreuen. Und genau so sei auch seine Lebenseinstellung, die er einerseits von daheim mitbekommen habe, aber auch selber so lebte. «Und so wirst du langsam zu der Figur, die dir selber gar nicht so schlecht passt. Ich habe mich irgendwie, das muss ich ganz ehrlich sagen, e chli gärn.»
Noch einmal fragt der Gastgeber, ob etwas fehlt. Der Zunft wird er als Mitglied treu bleiben, denn die Gemeinschaft habe ihn immer unterstützt. «Die Fasnacht ist ein Virus und die gesündeste Krankheit auf der Welt.» Und sollte die andere Krankheit, der Krebs, irgendwann sein Leben und vor allem seine Lebensqualität doch bedrohen, wird Cuco erneut einen Weg finden, damit umzugehen. «Vermutlich dr Gäbigscht zum Gehen.» Doch noch findet er es zu schön auf dieser Kugel, insbesondere hier unten in seinem Revier.