«Mein Leben ist ein ewiges Auf und Ab»

Mit Frau und Kindern lebt der Schauspieler in Los Angeles, hat dort beruflichen Erfolg. Trotzdem plagen ihn Selbstzweifel, und der leidende Charakter, den er in einer neuen Schweizer Serie spielt, ist ihm näher als der Sonnyboy, für den er oft gehalten wird.

Den Sprung in die höchste Liga geschafft: Carlos Leal war bei James Bond dabei (2006 in «Casino Royale») und spielte in der US-Serie «Better Call Saul» sowie weiteren Grossproduktionen von Weltformat mit. Nun hat der 53-Jährige für drei Monate seinen Wohnort Los Angeles verlassen, um in der Waadt eine charmante Serienperle des Westschweizer Fernsehens zu drehen. In «Das pralle Leben» (ab 5. Januar, donnerstags, 20.10 Uhr, SRF 2, abrufbar auf Play Suisse) gibt er einen abgehalfterten Musiker, der mit dem Leben hadert. Halt findet er bei einer befreundeten Familie, die allerdings mit eigenen Problemen zu kämpfen hat.

GlücksPost: Sie drehten mit Stars wie Al Pacino und Mel Gibson. Was hat Sie dazu bewogen, jetzt in dieser kleinen Schweizer Serie mitzuwirken?

Carlos Leal: Ich habe das Glück, beides machen zu dürfen. Schon übermorgen drehe ich wieder in L. A. für eine riesige Produktion des US-Senders ABC. Aber ich verrate Ihnen etwas: Ich sehe es als Geschenk, in «Das pralle Leben» mitspielen zu dürfen. Mir liegen Arthouse-Filme viel mehr als das grosse Popcorn-Kino. 

Jean, Ihre Figur, ist ein Musiker in der Schaffenskrise, der zu viel trinkt und mit dem Leben hadert. Kennen Sie Jeans Nöte auch?

Sehr sogar. Die Menschen sind doch nie so, wie sie sich geben. Wir Künstler bilden da keine Ausnahme. Wir verkaufen uns auf Social Media so, als sei immer alles perfekt. Aber mein Leben ist das Gegenteil, ein ewiges Auf und Ab, und ich zweifle oft an mir. Jean trinkt übrigens nicht nur zu viel, er raucht und isst auch zu viel. Und warum? Weil er von den Problemen seiner Vergangenheit eingeholt wird, die er noch nicht gelöst hat. Diesen muss er sich nun stellen. Ich kenne das sehr gut.

Dabei halten Sie viele für einen Sonnyboy.

Ja, ich weiss, aber das bin ich nicht. Deshalb wollte ich diesen leidenden Jean unbedingt spielen. Der ist mir viel näher als irgendwelche Sonnyboys.

Jean ist leicht übergewichtig. Wie viel legten Sie für die Rolle zu?

Ich habe mir acht Kilogramm angefuttert. Aber das hat Spass gemacht, weil ich jede Menge Pasta in mich reinschaufeln durfte. Nach Drehschluss ass ich dann wieder wie vorher und kehrte langsam zu meiner Normalform zurück.

Weshalb sprechen Sie in der deutschen Synchronfassung der Serie Ihre Rolle nicht selber?

Weil ich nicht gefragt wurde. Da war ich zuerst tatsächlich etwas eingeschnappt. Aber dann begriff ich, dass es seltsam wäre, wenn Jean einen französischen Akzent hätte, während alle anderen ein astreines Deutsch sprechen.

Haben Ihre Frau und Ihre beiden Kinder Sie in die Schweiz begleitet?

Wir drehten letztes Jahr, und sie besuchten mich für zwei Wochen. Dummerweise sind wir gleich alle an Corona erkrankt und mussten im Haus in Isolation bleiben. Das war ganz schön gemein. Ich wollte meinen Kindern doch die Schweiz zeigen.

Sie spielen einen Musiker und waren in den 90er-Jahren selber mit Sens Unik erfolgreich. Machen Sie noch Musik?

Ja, aber nur für mich und zum Spass.

Ein Comeback von Sens Unik ist demnach nicht in Sicht? 

Nein. Sehen Sie, Rap-Musik ist verknüpft mit dem Begehren junger Menschen, die Welt zu ändern und sich gegen die Alten aufzulehnen. Mit meinen 53 Jahren gehöre ich allmählich zu diesen Alten (lacht).

Gibt es eigentlich eine zweite Staffel von «Das pralle Leben»?

Das weiss ich noch nicht. Ich bin Schauspieler, diese Entscheidung liegt nicht in meiner Hand. Ich würde es aber begrüssen und wäre sofort zur Stelle.

Während der Pandemie haben Sie das Fotografieren entdeckt. Starten Sie jetzt als Fotograf durch?

Ich strebe es nicht an. Als wegen des Lockdowns alle Filmproduktionen stillstanden, begann ich zu fotografieren, und es wurde zu einer Passion. Mal schauen, wo das hinführt. Oft liegt der Schlüssel zum Erfolg ja genau darin, es eben nicht ums Verrecken zu versuchen.

Sie leben seit Jahren in Los Angeles. Vermissen Sie die Schweiz?

In L. A. zu wohnen, war ein beruflicher Entscheid. Als Schauspieler habe ich dort die besten Chancen. Aber L. A. ist sicher nicht der Ort, an dem ich alt werden will. Irgendwann will ich zurück. Ich bin durch und durch Europäer und vermisse oft die Schweiz. Deshalb achte ich darauf, stets einen Fuss in Europa zu behalten. Wobei, das mit der Rückkehr wird nicht einfach. Meine Kinder sind in den USA aufgewachsen und fühlen sich dort zu Hause.

Und was werden Sie in Kalifornien vermissen, wenn Sie eines Tages mit Ihrer Familie wieder hier sind?

Abgesehen von den internationalen Produktionen und der Sonne – gar nichts.