«Manchmal muss ich nahe zum Herrgott»

Während seine Ehefrau Ingrid Gas gibt und an einer Gastroschule doziert, ­geniesst er seine neue Freizeit mit viel Sport und gelegentlichen Ausflügen ­ in die Berge, wo er zu sich selbst findet.

Der Wirt hatte den «Löwen» in Elgg gerade eröffnet. Und schon steht ihm das Wasser bis zum Hals. «Nur weil einer ein Ei in die Pfanne hauen kann, ist er noch lange kein Koch!» Daniel Bumann (59) wundert sich immer wieder, dass die Leute glauben, jeder könne ohne Ausbildung ein Restaurant führen. Die vielen Krisenfälle aus der Gastronomie, die er seit neun Jahren für die TV-Reihe «Der Restauranttester» betreut, beweisen das Gegenteil. Und so will er nun am Beispiel von «Löwen»-Wirt Kemal zeigen, wie wichtig es ist, den Beruf zu lernen. «In seinem Betrieb stimmte ganz vieles nicht. Er stand am Anfang, hatte noch keinen Schuldenberg, der ihn hindern würde, Geld in eine Ausbildung zu stecken. Es machte Sinn, ihn an eine Schule zu schicken.» Das Kompetenzzentrum Gastro Zürich für Erwachsenenbildung schenkte Kemal einen Einsteigerkurs. «In der Sendung sieht man schön, wie wichtig das ist», sagt Bumann zufrieden. «Es wäre sinnvoll, wenn mehr Wirte, die wir in der Sendung betreuen, eine Aus- oder Weiterbildung machen würden.»

Und der Restauranttester und seine Frau Ingrid (54) sehen noch weiteren Handlungsbedarf: Die vier Tage, die Bumann pro Betrieb Zeit hat, um den strauchelnden Gastronomen auf die Füsse zu helfen, sind meist zu wenig. «Das Bedürfnis zur Nachbetreuung ist riesig. Die Wirte aus der Sendung rufen uns später immer wieder an», erzählt Ingrid. Nach dem Kurzdrill fallen sie oft in ihre alten, geschäftsschädigenden Muster zurück. Oder stehen vor neuen Problemen, bei denen sie Bumanns Rat brauchen. «Bisher machten wir das auf privater Basis, weil wir die Leute ja auch lieb gewinnen und nicht hängen lassen wollen.» Ursprünglich stellte sich das Paar vor, unter Ingrids Ägide im Bereich Betreuung und Weiterbildung von Gastronomen selbst etwas aufzuziehen.

Der Zufall wollte es anders: Just während der Dreharbeiten im Kompetenzzentrum von Gastro Zürich hatte die Schulleiterin eine Vakanz in einem Lehrgang. «Personalarbeit im Alltag» – genau Ingrids Ding. Während Daniel weiss, was es in der Küche braucht, ist sie diejenige, die den Draht zu Angestellten und Gästen hat. Ab Januar wird Ingrid ein Modul zum Thema «Grundlagen in Führung und Personalgewinnung» unterrichten. «Ich bin total motiviert», freut sie sich. «Ich bin ja jemand, der spontan ist und gerne redet. Hier muss ich zwar mit Unterrichtsmitteln wie PowerPoint und Visualizer arbeiten. Doch ich kann aus fast drei Jahrzehnten Praxiserfahrung schöpfen und meine Erfahrungen aus Mitarbeiterführung und -administration vermitteln.» Ingrid hat die perfekte Möglichkeit gefunden, ihren ursprünglichen Plan in die Tat umzusetzen und andere Gastronomen weiterzubilden.

Auch Daniel ist mit dem neuen Lebensplan sehr zufrieden und findet, dass es eine gute Entscheidung gewesen sei, den Pachtvertrag ihres Restaurants Chesa Pirani nicht mehr zu erneuern und nur noch für das Fernsehen zu arbeiten. «Wir realisieren erst jetzt, wie viel Lebensqualität wir all die Jahre verpasst haben. Ich mache nichts halbbatzig. Und zusammen mit der Sendung war da ein steter Druck. Wir mussten immer präsent sein.» Daniel möchte zudem nicht mehr auf seine Lieblingsbeschäftigungen verzichten: Golf spielen, Laufen und Wandern. Pro Jahr absolviert er rund drei Marathons und andere Läufe.

«Eine Zeitlang machte ich fünf pro Jahr, aber das war zu viel. Jetzt habe ich mich mehr aufs Golfen verlegt.» Was allerdings nicht fehlen darf, sind seine Wanderungen. «Hoch oben auf dem Berg – das sind die Momente, die dir zeigen, wie klein du bist. Zwischendurch muss ich in die Höhe, nahe zum Herrgott, um mich mit mir selbst auseinanderzusetzen. Allein in der Natur sein, das gibt mir Energie und Kraft.»