Mama Ruth ist sein grösster Fan

Mit der Heimat ist der Sänger tief verbunden. Vor allem, weil seine Mutter dort wohnt. Bei einem Besuch erzählen sie von Heimweh und früheren Berufswünschen.

Was für ein Anblick. Aus dem tiefblauen Walensee scheinen die steilen Felswände direkt emporzuwachsen. Im Hintergrund ragen die Chur­firsten in den Himmel, sozusagen 
ihnen zu Füssen liegt Amden, 
unten am See Weesen.

«Hinderem Berg und ännetem See, döt bin ich dihei.» Im einzigen Lied in Dialekt auf seinem neuen Album «Bellevue» besingt Michael von der Heide (44) seine Heimat. Dort, wo er auch heute noch regelmässig seine Mutter Ruth (76) besucht. Das Duo hat es sich auf einem Bänkli am Seeufer gemütlich gemacht, plaudert entspannt. Ruth erzählt von «Michis» Kindheit. «Ein Lieber» sei er ge­wesen. Und schon als Knirps mit einer aussergewöhnlichen Ausstrahlung gesegnet. «Wenn er als Büebli in die Metzg kam, haben ihn alle angestrahlt.» Katholischer Pfarrer wollte er werden, der jüngere Sohn der einzigen reformierten Familie in Amden. «Ich dachte, da müsse man besser reden können als rechnen.» Es kam anders. Mit 17 zog es Michael in die Westschweiz, wo er erst bei einer Familie auf einem Hof arbeitete, dann in einem Altersheim. Er hatte Heimweh. «Aber das hätte ich niemals zugegeben.» Ruth lacht: «Ich habs gemerkt!» Zu Hause sei es plötzlich sehr ruhig gewesen. «Mit Michael war immer etwas los.» In seiner Freizeit nahm von der Heide Gesangsstunden. So kam es, dass er seine Liedtexte nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Französisch verfasste. «Es hat sich so ergeben.»

«Pas vu le temps passer», so heisst seine aktuelle Single. Dass er kaum gemerkt hat, wie die Zeit 
vergeht, glaubt man Michael von der Heide aufs Wort. In seinem 
Leben ist ziemlich vieles ziemlich schnell passiert. Nach der Rückkehr aus der Romandie schloss er zwar eine Ausbildung als Krankenpfleger ab, richtig gearbeitet hat er in dem Beruf aber nie. 1996 erschien sein erstes Album, von Kritikern und Fans gleichermassen 
gelobt. Seither ging er durch viele Hochs: Top-Platzierungen in den Charts, «Prix Walo», «Deutscher Kleinkunstpreis». Und durch ein paar Tiefs. Das Schwierigste wohl die ESC-Pleite 2010 und vor allem die anschliessende mediale Häme. «Diese Zeit hat mich geprägt», sagt von der Heide. «Positiv und negativ. Aber ich bereue die Teilnahme nicht.» Mitgelitten hat damals auch Ruth. Auch wenn sie längst nicht mehr alles liest, was über 
ihren Sohn geschrieben wird (im Gegensatz zu diesem selbst). An seine Konzerte geht sie hingegen gern. Und wenn das gesamte Publikum «Jeudi Amour» mitsingt, ist die Mama «schon etwas gerührt».

Dabei ist sie sonst recht pragmatisch, wenn sie über ihren Jüngsten spricht. Nein, kochen könne er nicht besonders gut. Das übernimmt sein Lebenspartner, der Designer Willi Spiess, seit 21 Jahren an Michael 
von der Heides Seite. Ja, den möge 
sie gern, sagt Ruth. Und selbstverständlich ist sie auch hin und wieder «z’ Bsuech» bei den beiden im zürcherischen Rümlang. Aber schöner ist schon, wenn «Michi» nach Hause kommt, und man gemeinsam am 
Walensee entlangschlendert. «Hinderem Berg und ännetem See, döt isch mini Welt.»