Madeleine Hug: «So suchte ich Andys Grab»

Sie ist die Mutter des legendärsten Schweizer Kampfsportlers. In ihrem eigenen Kampf geht es um Anerkennung. Jüngst musste sie aus der Zeitung erfahren, dass ihr Enkel geheiratet hat. Lange Zeit wusste sie auch nicht, wo ihr Sohn begraben liegt.

Verstossen und von der eigenen Familie verleumdet, kämpft die Frau bis heute um ihren guten Ruf. Madeleine Hug (76) ist die Mutter von Andy Hug († 35), dem berühmtesten Schweizer Kampfsportler aller Zeiten. Er starb im August 2000 wenige Wochen nach einem spektakulären Kampf im Zürcher Hallenstadion an akuter Leukämie. Der Tod ereilte ihn in Japan, wo er vergöttert wurde. Im Land der aufgehenden Sonne wurde Andy Hug kremiert und bestattet.

Das dachte auch Andys Mutter. Die Seniorin, die in einer schmucken Wohnung in der Innerschweiz von ihrer AHV lebt, sparte Geld für einen Flug nach Japan. Dort wollte sie das Grab ihres Sohnes besuchen und von ihm Abschied nehmen. Zu dessen Lebzeiten wurde ihr dieser Abschied verwehrt. «Eines Tages erhielt ich einen anonymen Hinweis, dass ich mir die Japan-Reise sparen könne. Andys Asche sei in Horw in einem Grab beigesetzt. Ich fuhr sofort dorthin und suchte das Grab. Erst als ich den heiligen Antonius um Hilfe bat, fand ich es und legte einen schönen Engel auf den Grabstein», erzählt sie.

Lebend hatte sie ihren Sohn zuletzt im Hallenstadion im Kampfring gesehen – von Weitem. «Nach dem Kampf versuchte ich ihn an der Party im Mövenpick Hotel in Glattbrugg zu treffen, obwohl ich keine Einladung hatte. Aber Andy wusste, dass ich an seinem Kampf war. Ich wollte ihn unbedingt wieder einmal sehen und in die Arme nehmen. Das wurde mir verwehrt. Nahe Verwandte wollten mich sogar mithilfe Bodyguards rausschmeissen lassen. Andy hat davon sicher nichts gewusst.» Madeleine Hug weint, als sie das erzählt. «Ich hätte nie gedacht, dass das sogar ein Abschied für immer war. Umso schlimmer für mich, dass ich ihn nicht mehr habe sehen können.»

Andy Hugs Mutter hat noch viel mehr gelitten in ihrem Leben. Als ihre drei Kinder klein waren – Andy war der Jüngste –, verreiste ihr Mann nach Thailand. Dort kam er bei einem Töffunfall ums Leben. «Und ich stand plötzlich mit drei Kindern alleine da», sagt sie. «Die Behörden meinten, ich sei noch jung und könne arbeiten gehen. Also fragte ich meine Mutter Fridy Baumann, ob sie die Kinder betreuen könne, während ich für die Familie Geld verdienen ging.» Madeleine Hug verdingte sich in Zürich im Hotelfach. «Ein Tag pro Woche hatte ich frei. Bereits morgens um acht Uhr stand ich dann jeweils bei meiner Mutter in der Küche, bereitete für die Kinder das Frühstück zu und putzte das ganze Haus von unten bis oben. Wenn ich dann am Abend wieder gehen musste, weinte ich vor Schmerz und Sehnsucht. Es war jedes Mal so schwierig, wieder zu gehen und die Kinder zurückzulassen.» Aber Madeleine wusste, dass ihre Mutter ein liebes Grosi war und es ihre Kinder gut bei ihr hatten.

Über ihren Sohn Andy – dessen Bruder Charlie starb 2010 an Nierenversagen – spricht seine Mutter nur positiv. «Andy war nie frech zu mir, er mischte sich auch nie in die Streite mit meinen Schwestern ein. Er war sehr friedliebend und anerkannte mich immer als seine Mutter, auch wenn ich in seiner Kindheit kaum da war.» Finanziell habe er sie aber nie unterstützt, obwohl er wusste, dass sie nichts hatte. Madeleine: «Ich habe ihn aber auch nie um Hilfe gebeten.»

Andys Sohn Seya (22), der kürzlich in Los Angeles, wo er die Schauspielschule besucht, seine grosse Liebe Taylor Garrett (20) geheiratet hat, hat sie kaum gesehen. Als Seya noch ein Baby war, sei Andy mit ihm manchmal heimlich vorbeigekommen. Mit ihren drei Schwestern hat Madeleine Hug ebenso keinen Kontakt mehr wie mit ihrer Tochter Fabienne (56). Zu viel Geschirr sei in all den Jahren zerschlagen worden.