Die Sehnsucht nach Steve Lee bleibt

Der Gitarrist von Gotthard erinnert sich an seinen verstorbenen Freund und freut sich auf die neue CD sowie die anstehende Tour. Über seine neue Liebe mag er noch nicht reden. Zu frisch ist das junge Glück.

Das Telefon läutete Sturm. Aber Leo Leoni (50) hatte sein Handy wie immer über Nacht ausgeschaltet. Die vielen verzweifelten Meldungen und SMS, es sei ein Unfall passiert, und er solle sofort zurückrufen, machten ihn morgens hellwach. «Ich dachte mir, unser Bassist Marc sei auf seinem US-Trip mit Steve Lee und Freunden wohl wieder unvorsichtig Töff gefahren und hätte einen Unfall gehabt», erinnert er sich in seinem Haus im Tessin. «Was ich dann aber hörte, verschlug mir die Sprache: ‹Steve ist tödlich verunglückt.›»

Der Gotthard-Gitarrist konnte nicht glauben, dass sein bester Freund und Mitkomponist nicht mehr auf dieser Welt sein soll.

«Ich hinterfragte, warum von einer Gruppe von 19 Töff-Fans einer sterben muss. Und warum ausgerechnet Steve? Dabei war dessen US-Visum erst einen Tag vor der Abreise eingetroffen. Hätte er nicht reisen können, wäre er noch am Leben.» Gerade deshalb kam Leoni mit diesem Schicksalsschlag lange nicht klar. «Ich kann es bis heute nicht verstehen.»

Als Songschreiber waren Steve Lee, der 2010 mit 47 starb, und er ein Traumpaar, das sich blind verstand. Vor 25 Jahren gründeten sie gemeinsam die Band, schrieben die grössten Gotthard-Hits Klassiker wie «Heaven» und «One Life, One Soul». «Dass Steve, einer der grössten Rocksänger der Welt, unser Silber-Jubiläum nicht miterleben kann, tut mir noch jetzt in der Seele weh», sagt Leo Leoni. Trotz dessen unfassbarem Tod glaubte er weiter an seine Band, die 2017 wieder international durchstarten wird. «Mit dem Australien-Schweizer Nick Maeder gelang uns ein toller Fang. Er kommt mit seiner sympathischen Art bei den Fans sehr gut an. Wegen seiner englischen Muttersprache sind unsere Texte reifer.»

Anekdoten gibt es viele in der Bandgeschichte. Leoni, der sich dank über drei Millionen verkaufter Tonträger ein Haus mit eigenem Tonstudio, in dem er arbeitet, leisten konnte, erzählt: «Weil Whitesnake-Sänger David Coverdale mal einen Song mit Steve aufnehmen wollte, gingen die Gerüchte, er hätte sich nach Steves Tod als neuer Sänger beworben. Das stimmt nicht. Die Anfrage von Deep-Purple-Mastermind Jon Lord, ob er einen unserer Songs aufnehmen dürfe, berührte uns ebenso wie die ältere Dame, die Steve nach einer Supershow in Zermatt ein dickes Kompliment machte. Es war Frida von ABBA.» Weniger lustig fand Leoni sein US-Abenteuer. «Bei der Immigration in L.A. hiess es, ich könne nicht einreisen, weil ich letztes Mal zu lange im Land geblieben sei. ‹Folgen Sie der blauen Linie›, sagte man mir und steckte mich für eine Nacht ins Gefängnis, in Ketten an Händen und Füssen. Anderntags wurde ich in die Schweiz ausgeschafft.» Ein Albtraum!

Auf dem Sofa im Wohnzimmer schmust Leo mit Kater Birillo.Nachdem er sich von seiner langjährigen Freundin Nicole getrennt hatte, war er länger alleine. Jetzt tut sich in der Liebe aber wieder etwas. Wer hat sein Herz erobert? «Es ist zu früh, um darüber zu reden oder gar mit ihr zu posieren», wehrt er ab. Und sagt strahlend: «Zuerst muss das zarte Pflänzchen der Liebe ein bisschen wachsen.»

Kuscheln mit Kater Birillo (links) und Posieren auf der Treppe zu seinem Haus, flankiert von einem Löwen mit Gitarre.

Kuscheln mit Kater Birillo.

«Silver» zum Jubiläum

Den 13. Januar 2017 haben sich Gotthard-Fans dick in ihren Agenden eingetragen: Dann erscheint das 12. Album der Tessiner Rockband, das passend zum 25-Jahr-Jubiläum «Silver» (Silber) heisst. Damit ist Hena Habegger, Leo Leoni, Nick Maeder, Marc Lynn und Freddy Scherer ein super Wurf gelungen: So vielseitig und abwechslungsreich – mit Chören, Streichern, satter Hammondorgel und heissen Gitarrenriffs – rockte das Quintett noch nie. Chapeau!