Das «alte Schlachtross» muss es richten

Der dienstälteste Talker im Schweizer Fernsehen mag sich noch lange nicht von den Zuschauern verabschieden. Stattdessen wagt er einen Neuanfang am Sonntagabend.

Ein wunderschönes Jugendstilhaus im Zürcher Enge-Quartier. Erker, Türmchen, schmiedeeisernes Tor, üppiges Grün. Hier wohnt Kurt Aeschbacher (68) seit bald 20 Jahren, und hier empfängt er die GlücksPost. Die Lieblingsfarbe des Hausherrn, muss man annehmen, ist Violett – der vorherrschende Farbton der Polstermöbel. Der perfekte Gastgeber serviert Kaffee und Wasser zu einem Gespräch über seine Pläne im neuen Jahr.

Seit 2001 moderiert Aeschbi seinen Talk «Aeschbacher» am Donnerstag. Ein Quotengarant seit eh und je. Wenn der Talker der Nation in seiner zurückhaltenden, liebenswürdigen Art die seelischen Tief- und Abgründe seines Gegenübers auslotet, ist er in seinem Element. «Es ist schon extrem spannend, wenn meine Gäste sich öffnen. Ich glaube, das hat auch mit meinem Berner Akzent zu tun. Und es hilft natürlich, dass ich schon so lange dabei bin. Wer in meine Sendung kommt, weiss, dass ich niemanden blossstellen will und ich zuhöre, um Vertrauen zu gewinnen. Mein Ziel ist, möglichst viel von meinem Gesprächspartner zu erfahren. Dazu braucht es die richtige Atmosphäre, die es zu schaffen gilt: Für die einen ist das die grosse Bühne, für andere eher der Beichtstuhl.»

Jetzt, mit 68 Jahren, kommt nochmals ein Aufsehen erregender Wandel in Aeschbis Karriere – obwohl er eigentlich «lieber unter dem Radar fliegt», wie er sagt. «Aeschbacher» erbt den beliebten Sendeplatz von «Giacobbo/Müller» am Sonntagabend. Das führte zu grossen Diskussionen. Der Vorwurf: SRF nehme damit Nachwuchstalenten die Chance, sich zu präsentieren. «Es gibt zwei Möglichkeiten in einer solchen Situation, in der sich zwei hervorragende, etablierte Komiker zurückziehen und eine grosse Lücke im Programm hinterlassen», erläutert Aeschbacher. «Man kann junge Komiker an diesem prominenten Sendeplatz der Öffentlichkeit zum Frass vorwerfen – die laufen leider schnell Gefahr, bei einem wöchentlichen Rhythmus verheizt zu werden. Deshalb haben sich meine Chefs wohl entschieden, ein altes ‹Schlachtross› wie mich in den Kampf zu schicken.»

Gibt es trotzdem Vorgaben, Druck, Erwartungen? «Nun, den Druck mache ich mir selber. Ich habe mich ja nicht beworben, sondern wurde angefragt. Und da sagte ich von Anfang an, ich mache gerne mit, wenn ich genauso weitermachen kann wie bisher. Eine Sendeplatzverschiebung birgt bereits ein gewisses Risiko in sich. Dann zusätzlich noch ein neues Format zu kreieren, wäre ein Selbstmordkommando. Ich wollte auch mit meinem tollen Team weiterarbeiten. Wir sind eine Redaktion mit vier Leuten, die alle mit derselben Begeisterung und den gleichen Zielen arbeiten: überraschende Gäste zu finden und dem Publikum mit unseren Gesprächen neue Einsichten zu ermöglichen. Dazu braucht es aufwendige Recherchen und ein entsprechendes Budget.» Einzige Konzession: Es wird am Sonntagabend mehr Platz für politische und wirtschaftliche Themen geben. «Wir werden häufiger Persönlichkeiten zu Gast haben, die eine wesentliche Funktion für die Schweiz innehaben. Aber auch da wird es mir weiterhin nicht primär um den Beruf der Personen gehen, sondern um die Persönlichkeit mit ihren Träumen und Motivationen.» Am 8. Januar ist die erste Ausstrahlung. Vorher entspannt er sich bei Freunden in Bali. Für einmal nicht in seinem Anwesen in Südfrankreich, seinem «Fluchtort», wo er sich leidenschaftlich der Gartenpflege hingibt. Eine mögliche Altersresidenz? «Um Himmels Willen, nein! Das ist völlig abgelegen. Ich will hier in der Schweiz im Mittelpunkt des Geschehens bleiben, wo ich ins Theater oder ins Kino kann, wenn ich will.»

Rückzug ist kein Thema, auch nicht von der TV-Bühne. «Mein Beruf ist ein Privileg. Ich kann mich in Dinge vertiefen, die ich sonst nie tun würde. Für mich bedeutet meine Arbeit nicht Gelderwerb, sondern ständiges Lernen und Ausprobieren. Ich höre dann auf, wenn ich keinen Spass mehr daran habe.»

Talk mit Tiefgang

«Aeschbacher– die Sendung, die man nie nur aus Langeweile schaut», ist Aeschbis Motto. Der Talker lädt die unterschiedlichsten Menschen in sein Studio im Zürcher Club «Labor». In der Premiere der Sonntags-Talk- runde am 8. Januar (SRF 1, 22.10 Uhr) werden unter anderem das Cabaretduo Divertimento und Monisha Kaltenbach, CEO des Formel-1-Rennstalls Sauber zu Gast sein.