Jetzt lebt er die Liebe zu seiner Lady Linda

Es ist nichts mehr, wie es einst war: Und doch hat der ehemalige Fifa-Präsident den Rank wieder gefunden. Der Walliser freut sich des Lebens, geniesst die Liebe – und bereut gar nichts!

Heute sei «GlücksPost-Tag», freut sich Sepp Blatter, als er uns an seinem noblen Wohnsitz am Zürichberg gleich unterhalb des Luxushotels «Dolder Grand» empfängt. Der suspendierte Fifa-Präsident – Sepp Blatter wurde bis heute nicht abgewählt – ist bester Laune. Die Medien reissen sich um ihn wie in seinen erfolgreichsten Tagen. Die «New York Times» und die «Süddeutsche Zeitung» haben Interviews mit ihm vereinbart. Der 82-Jährige sprüht vor Energie und Lebenslust.

GlücksPost: Wie geht es Ihnen?

Sepp Blatter: Mir geht es gut. Ich habe mich von meinem Schwächeanfall an Allerheiligen vor zwei Jahren auf dem Friedhof in Visp – die Blatters haben dort ein Familiengrab – gut erholt. Mir war kurzfristig schlecht geworden und ich musste mich setzen. Mein Schwiegersohn hat dann die Lage mit einem Spruch entspannt. Er sagte cool: «Wenn du gleich bleiben willst, dann bleib doch.»

Neben Roger Federer sind Sie der weltweit wohl bekannteste Schweizer. Wie verarbeiten Sie negative Schlagzeilen und Berichte über Sie?

Ich habe eine gute Verdauung und bin manchmal sogar amüsiert, solche Sachen zu lesen. Von meinem Naturell her bin ich eher ein lachender, fröhlicher Mensch. Die Medien haben mich nach den Verhaftungen im Hotel Baur Au Lac am 27. Mai 2015 vorverurteilt, haben die Fifa als ein negatives Konstrukt voller Korruption bezeichnet. Dieses Image bringt man dann nicht mehr weg, auch wenn vieles überhaupt nicht stimmt. Das Wichtigste bleibt: Der Fussball geht um die Welt, seit ich die Fifa präsidierte. Fussball ist längst viel mehr als ein Spiel.

Und zwar?

Fussball ist die ganze Welt, wie die Welt eine Kugel ist, also ein Sinnbild für die Welt. Heute sind gemäss einer deutschen Statistik weltweit über zwei Milliarden Menschen direkt oder indirekt mit dem Fussball verbunden. Das schafft bis heute keine andere Organisation auf der Welt, keine Religion, keine Bevölkerung, keine Kultur. Als ich bei der Fifa anfing, war ich Mitarbeiter Nummer 12, der Verein schrieb mit 16 Millionen minus rote Zahlen. Als ich bei meiner Suspendierung beim Fifa-Kongress 2015 den Verein an meinen Nachfolger übergab, hatte die FIFA 1,4 Milliarden Reserve und eine Milliarde Cash. Heute arbeiten 700 Leute beim Verband.

Die letzten zwei Jahre fand die Wahl zum «Fussballer des Jahres» – statt wie früher in Zürich – in London statt. Hat Sie das genervt?

Ja, denn hätte Fifa-Präsident Infantino die Verträge mit dem «Ballon d’Or» genau gelesen, dann wäre der Event immer in Zürich geblieben. Für die Stadt Zürich war das nicht nur Prestige, sondern für Hotellerie und Tourismus auch eine grosse Wertschöpfung.

Sie und Fifa-Boss Infantino haben vieles gemeinsam: praktisch gleicher Geburtsort. Sie waren eine Frühgeburt und mussten sich ins Leben kämpfen, Infantinos Leben konnte als Baby nur dank einer Knochenmark-Spende gerettet werden. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?

Nach seiner Wahl kam er zweimal bei mir zu Hause vorbei, wir tranken ein Glas Rotwein und assen Salami, schrieben auf, was wir noch offen haben. Nach dem Fifa-Kongress im Mai 2016 in Mexiko habe ich nichts mehr von ihm gehört, nur noch von seinen Rechtsanwälten. Gianni Infantino sollte mal die Grösse eines Präsidenten haben, sich mit mir zusammenzusetzen und die logistisch noch offenen Fragen zu bereinigen.

Einige einstmals enge Mitarbeiter sind Ihnen nach Ihrer Suspendierung in den Rücken gefallen. Wie viele Freunde sind Ihnen geblieben?

Bei meinen Freunden heisst es heute: Qualität kommt vor Quantität. Ich war tatsächlich überrascht, wie sich einige meiner langjährigen Weggefährten wie Jean-Paul Brigger oder Walter Gagg fast schon überstürzt von mir abwendeten, als ich die Fifa verliess. Erst in schlechten Zeiten merkt man, auf wen man sich verlassen kann.

Bei der diesjährigen Fussball-WM in Russland wurden Sie als persönlicher Gast von Staatspräsident Wladimir Putin eingeladen, der Sie mit seinem eigenen Privat-Jet habe abholen lassen.

Ja, aber es war nicht sein eigener Privat-Jet. In Russland gelte ich als Held und als grosse Persönlichkeit. Der Medienrummel um mich war unvorstellbar. Immer wurde ich sofort umringt von Journalisten aus aller Welt. Ich wurde von niemandem blöd angemacht. Das Hotel musste für meine Pressekonferenz sogar einen grossen Saal bereitstellen. Präsident Putin ist ein guter Freund, er hat mich immer durch dick und dünn verteidigt. Wir sind seit vielen Jahren per Du. Dass man mich während meiner Tage in Russland nie im Fernsehen sah, war ein Entscheid der Fifa. Daran hat sich das russische TV gehalten.

Ihre Lebenspartnerin Linda Gabrielian (54) war auch dabei?

Ja natürlich! My Lady und ich sind immer noch sehr glücklich zusammen. Linda spricht Russisch und Farsi, sie ist ursprünglich aus Armenien und in Teheran aufgewachsen. Auch die russischen Medien haben sich für Linda interessiert und sie gleich zur Lifestyle-Ikone erkoren.

Sie wohnen nach wie vor in Zürich. Haben Sie hier noch viele Freunde?

Ich lebe sehr gerne in Zürich. Früher war ich dauernd auf Reisen. Jetzt bin ich viel in der Stadt unterwegs. Inzwischen lernte ich viele neue Kollegen und Kameraden kennen. Ich werde nirgends angepöbelt, die Menschen freuen sich, wenn sie mich sehen. Ich wurde Ehrenpräsident der «GC Legenden», einer Gruppe ultimativer Fussballkenner, bin Mitglied der Zunft zum Stauffacher, der Vereinigung der Clochards und des Angst-Stamms.

Wer von den alten Freunden und Weggefährten ist Ihnen denn noch geblieben?

Mit Günter Netzer pflege ich einen tollen Kontakt, er ist ein Supertyp. Mit Franz Beckenbauer telefoniere ich hin und wieder. Manchmal rufen Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees an und Leute wie Vitali Smirnoff vom Internationalen Olympischen Komitee. Aber klar, solche Anrufe sind eher selten.

Wie sehr hilft Ihnen als gläubiger Katholik der Herrgott?

Der Glaube gibt mir sehr viel. In meinem französisch geschriebenen Buch «La Verité», die Wahrheit, steht ein Kapitel über meine Spiritualität. Der Glaube ist für mich wichtig. Man muss aber auch an sich selber glauben. Wir Menschen glauben an Gott, Allah, Buddha. Wenn man Glaube und Hoffnung hat, dann kann man auch die Liebe leben.

Bereuen Sie etwas?

Wie es einst Edith Piaf sang: «Je ne regrette rien», ich bereue nichts. Vieles tut mir leid. Wenn man im Leben etwas falsch macht, dann darf man wirklich sagen: «Es tut mir leid.» Es ist Grösse, zuzugeben, etwas falsch gemacht zu haben. Ich hatte ein Super-Leben mit allen Emotionen. Es kann mir nur noch besser gehen. Finanziell können meine Familien und ich recht gut leben. Und der Weinkeller ist auch voll. In vino veritas! Santé!