«Die grösste Freude war für Ruedi immer seine Familie»

Am 10. Dezember wäre Ruedi Walter 100 geworden. Seine Witwe und Tochter Nicole erinnern sich an einen lebensfrohen Menschen, der seine Kinder und Enkel über alles liebte.

Der Herbsttag im Dolderwald beim Restaurant Degenried in Zürich könnte traumhafter nicht sein. Vogelgezwitscher, die Laubbäume bereits rötlich
angefärbt, ein sanftes Lüftchen streicht durch die Äste. Die beiden Frauen, die dort am romantischen Weiher auf einen Stein sitzen, sind Mutter und Tochter. Irène Walter (76) ist die Witwe des grossen Ruedi Walter, Nicole Hemsley (54) ihre Tochter. Der Grund des Treffens ist der 100. Geburtstag von Ruedi Walter, der am 16. Juni 1990 in Basel starb.

«‹Wolli› hat Mami und Papi zusammengebracht», erzählt Nicole. Da geht ein Strahlen über das Gesicht von Irène Walter. «Ich musste bei Otto Weissert und Autor Werner Wollenberger vorsprechen, die mich für eine Rolle im Theaterstück ‹Eusi chli Stadt› casteten. Ich schien ihnen zu gefallen. ‹Bevor Sie das Engagement bekommen, müssen wir Sie allerdings noch den Hauptdarstellern Ruedi Walter und Margrit Rainer vorstellen.› Nein, Liebe auf den ersten Blick war das erste Treffen überhaupt nicht», erzählt Irène.

Die Jungschauspielerin Irène Camarius, wie sie damals noch hiess, reiste nach der Mitwirkung in «Eusi chli Stadt» und «Die kleine Niederdorfoper» für sechs Monate ins Ausland. In dieser Zeit sei Margrit Rainer (†68) mit dem Schauspieler und Regisseur Inigo Gallo zusammengekommen. Die beiden blieben bis zu Margrits Tod 1982 ein Paar. Das wurden Irène und Ruedi Walter nach ihrer Zeit im Ausland auch. Als man ihn nach Margrits Tod drängte, «Die kleine Niederdorfoper» wieder aufzunehmen, stellte er die Bedingung, «nur wenn Irène das Irmeli spielt», Margrits Paraderolle. Die Aufführungen wurden ein Riesenerfolg.

Der glücklichen Ehe der beiden Schauspieler mit einem Altersunterschied von 24 Jahren entsprangen Tochter Nicole und Sohn Dominic, der heute als Swiss-Captain durch die Welt fliegt. Tochter Nicole und deren englischer Ehemann sorgten mit gleich vier Kindern für unbändige Begeisterung beim Grossvater. Die Enkel wurden für Ruedi Walter – neben Irène und den zwei Kindern – sein Ein und Alles. «Er war ein sehr lebensfroher Familienmensch», schwärmt Irène Walter noch heute. «Die Familie war für ihn immer die allergrösste Freude. Er hätte so gerne seine Enkel aufwachsen sehen. Am Abend vor seinem Tod hatte er noch Baby Philip im Arm. Nicht das Sterben machte ihn traurig, sondern dass er die Familie für immer verlassen musste.»

Ihr Bruder Dominic und sie hätten sich immer unglaublich privilegiert gefühlt, in einer solchen Familie aufwachsen zu dürfen, sagt Nicole. «Wir hatten das Beste aus zwei Welten ein normales Familienleben mit glücklichen, fröhlichen Eltern. Gleichzeitig konnten wir am Leben berühmter Personen schnuppern. Mit Papi
erlebten wir immer nur die schönsten Seiten.» So die jährlichen Ferien in Südfrankreich mit den Feuerwerken an den Stränden von Cannes, Nizza und Monaco. Er kam auch, wann immer möglich, zum Essen nach Hause. «‹S’Mami› kocht am besten», sagte er. Irène, die heute einen neuen Lebenspartner hat, ganz stolz: «Ruedi fuhr lieber mit dem Lumpensammler nach Hause, als im Hotel zu übernachten.» Auch das Zeichen einer ganz grossen Liebe.

100 Jahre Ruedi Walter

Zu Ruedi Walters 100. Geburtstag plant das Schweizer Fernsehen SRF 1 am 25. Dezember einen Schwerpunkt-Tag – ab 13.10 Uhr mit den Filmen «Bingo», dem Musical «Die kleine Niederdorfoper» (restaurierte Fassung von 1978), einem «Comedy-Special», der DOK «Jässodu» sowie dem Kurzspielfilm «Spalebärg 77a» von 1957. Ausserdem läuft bis 7.12. mittwochnachmittags auf SRF 1 die Serie «Ein Fall für Männdli», in der Walter als Privatdetektiv ermittelt.