In den Bergen geht das Herz auf

Nach ihrer Karriere hat für die einstige Skirennfahrerin und Olympiasiegerin ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Die Leidenschaft für Sport brennt aber immer noch in ihr. Fürs TV wagte sie sich nun gar auf eine der härtesten Touren der Alpen.

Langsam schwebt das Gondeli in Richtung Titlis, Dominique Gisin (33) streckt auf der Bank die Beine aus und ist beschwingt – trotz Hudelwetter. Die Berge rundherum, der Trüebsee unter uns, im Tal Engelberg OW, wo sie aufgewachsen ist: Die einstige Skirennfahrerin ist mitten in ihrer Wohlfühlzone. «Das ist meine Heimat, hier kann ich meine Batterien aufladen.» Sie lebt mit ihrem Freund, Pilot Pascal, unter der Woche in Zürich und sehe – nach etwas Eingewöhnungszeit – auch Vorteile am Stadtleben, etwa das Kulturangebot. «Aber wenn ich am Wochen­ende nicht in die Berge kann, ­drehe ich fast durch», sagt sie und lacht. «Ich bin praktisch auf der Skipiste geboren, das ist mein ­Daheim.»

So ist ihre Leidenschaft für den Sport auch nach ihrem Karriere-Ende 2015 nicht kleiner geworden. Ihr Grossvater habe immer gesagt: «Wenn ich nicht mehr Skifahren kann, sterbe ich.» So gehe es ihr auch. Die Abfahrts-Olympiasiegerin von 2014 ist fast jede Woche auf der Piste. Und dank Schwester Michelle Gisin (25), die 2018 Olympia-Gold in der Kombination holte, auch im Ski-Zirkus noch etwas involviert. Sie reise an gewisse Rennen mit, unterstütze Michelle, wenn sie könne, oder sei einfach nur Fan. «Sie ist auf einem so hohen Niveau, da sind es nur Kleinigkeiten, die ich weitergeben kann. Aber es ist schön, dass all die Jahre, die ich in den Sport investiert habe, auch jetzt noch einen Wert haben.» Schwingt Wehmut mit, plötzlich nicht mehr mittendrin, sondern nur dabei zu sein? «In den Speed-Disziplinen gar nicht, beim Riesenslalom schon, weil ich denke, dass ich da vielleicht noch mehr hätte erreichen können.»

Ausgefüllt ist ihr Leben allerdings auch nach der Profi-­Karriere. Sie hat den Bachelor in Physik, bildet sich als Pilotin regelmässig weiter, hält Vorträge, ist Verwaltungsrätin bei den Titlis-Bahnen und CEO der Stiftung Schweizer Sporthilfe (www.sporthilfe.ch). Diese unterstützt Athletinnin und Athleten, die auf finanziellen Zuschuss angewiesen sind. «Sport generiert – schon seit der Antike – Emotionen, hat einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft», sagt sie. «Ich finde, wenn wir auch in Zukunft vor dem TV mitjubeln wollen, sollten wir auch ein bisschen etwas investieren.» Sie brennt für den Job.

Vor diesem Engagement nahm sie sich Zeit für ein TV-Projekt: Für die dreiteilige «Dok»-Reihe «Abenteuer Alpen – Die Skitour des Lebens» (siehe Box) beging sie mit einer Gruppe die «Haute Route» von Chamonix nach Zermatt – eine Woche durchs Hochgebirge. «Diese riesigen Gebiete zu ent­decken, deren Existenz einem gar nicht richtig bewusst ist, sich durch Schnee und Eis zu bewegen – das war der Wahnsinn.» Sie habe die Ruhe und Weite genossen, mit sich und seinen Gedanken alleine zu sein. Die Konzen­tration durfte darunter allerdings nicht leiden. Es gab – teils angeseilt – steile Aufstiege zu bewältigen und schwierige Abfahrten. Körperlich habe sie die Herausforderung aber bestens gemeistert. Dominique Gisin ist nach wie vor fit, denn ohne Sport werde sie grantig. Sie fährt u. a. Mountainbike, mag Langlauf, Schwimmen, Yoga, Surfen. «Und natürlich Skifahren, Skifahren, Skifahren!»