«Im Klassenzimmer geht mir das Herz auf»

Seit 20 Jahren ist der SRF-Sportmoderator im Journalismus tätig. Nun geht er einen ganz neuen Weg und wird Lehrer! Genau das Richtige für den kinderliebenden Solothurner, der sich auch selbst Nachwuchs wünscht.

Konzentriert schreibt Olivier Borer «Echolokation» an die Wandtafel, malt anschliessend einen Wal darunter und die Schallwellen, die dieser aussendet. «Das Thema habe ich letzte Woche mit der Klasse durchgenommen», erklärt er. Der Sportmoderator in einer ganz neuen Welt – die in den nächsten Jahren immer mehr zu der seinen werden wird!

Anfang Januar hat der 40-jährige gebürtige Breitenbacher (SO) an der Pädagogischen Hochschule Zürich die Ausbildung zum Lehrer angefangen. Sein Pensum bei SRF reduzierte er auf 30 Prozent. Ein leiser Abschied vom Fernsehen? «Nein, es ist eine Ergänzung», sagt er. «Ich finde den Journalismus auch nach 20 Jahren noch grossartig. Trotzdem habe ich gespürt, dass es Zeit für etwas Neues ist. Ich hatte Lust, neue Dinge zu lernen, Themen zu behandeln, Menschen zu treffen.»

Er hat sich für die Primarschulstufe entschieden: Deutsch, Mathematik sowie NMG (Natur, Mensch, Gesellschaft) seien da die Pflichtfächer, zusätzlich wählte er Französisch, Englisch, Musik, Bildnerisches Gestalten so-wie Religion, Kultur, Ethik. «Ich freue mich richtig darauf, mich mit ­diesen Fächern auseinanderzusetzen.» Und natürlich auf die Praxis – wo er bereits ins kalte Wasser geworfen wurde!

Nach nur zwei Wochen Theorie startete sein erstes, zweiwöchiges Praktikum. Er unterrichtete an der Primarschule im Zürcher Seefeld, wo wir ihn treffen, eine dritte Klasse. «Es war eine super Erfahrung – erfüllend, intensiv, auch streng. Ich hatte zudem Glück mit der Schule, den beiden Stellen­inhaberinnen, die immer dabei waren, und mit den Schülerinnen und Schülern.»

Schon als Kind wollte Olivier Borer Lehrer werden. Trotzdem hat er sich die Entscheidung, diesen Weg nun einzuschlagen, nicht leicht gemacht. Er spienzelte bei Lehrer-Freundinnen und -Freunden in den Unterricht hinein, beschäftigte sich intensiv mit dem Beruf, den schönen und vielleicht auch weniger schönen Seiten. Und ist nach dem Praktikum überzeugter denn je, dass er das Richtige tut. «Wenn ich in ein Klassenzimmer komme, geht mir das Herz auf. Ich habe einfach wahnsinnig gerne Kinder um mich.» Und mögen sie ihn umgekehrt auch? «Es ist komisch, das von mir selbst zu sagen: Aber ja, ich denke, das ist gegenseitig.»

Auch privat spielen Kinder bei Olivier Borer eine grosse Rolle. Er liebt es, Zeit mit seinen vier Göttikindern, seiner Nichte und seinem Neffen zu verbringen. Nur Vater ist er selber nicht. Beim GlücksPost-Interview vor vier Jahren bedauerte er sehr, dass dies für ihn und seinen Mann auf legalem Weg nicht möglich ist. Mit der Annahme von «Ehe für alle» wird sich das voraussichtlich diesen Sommer ändern. Wie sieht es also heute aus? «Der Kinderwunsch ist nach wie vor gross. Mit 40 bin ich auch in einem Alter, wo gewissermassen die Uhr tickt. Adoption ist allerdings, selbst bei Hetero-­Pärchen, ein langwieriger und schwieriger Prozess. Aber ja, das Thema ist auf jeden Fall präsent.»

Mit seiner Homosexualität geht Olivier Borer offen um. Während seiner Teenager-Jahre, wo er selbst noch in einer Findungsphase war, hatte er es wegen seinem «Anderssein» aber nicht leicht. Er habe während seiner Gymi-Zeit Mobbing erlebt, erzählt er. Hofft er, als Lehrer auch in Bezug auf Toleranz etwas verändern zu können? «Das ist natürlich ein hehrer Wunsch. Aber ja, das würde ich schon gerne. Ich glaube, es ist einfach wichtig, auch mit solchen Themen tabulos umzugehen.»

Obwohl er erst seit wenigen Wochen in der Ausbildung steckt, spürt man bei Olivier Borer schon jetzt die Leidenschaft für den Beruf. Hat er tatsächlich vor, dem TV-Job treu zu bleiben? «Ja, wirklich. Und ich bin SRF dankbar für die Möglichkeit, die Ausbildung zu absolvieren. Natürlich muss man schauen, wie es sich entwickelt und wie alles funktioniert. Aber ich möchte weiterhin beides machen.»