«Ich will nie mehr in der Gosse landen!»

Als Koch feiert der Berliner grosse Erfolge. Auch im TV. Doch der Weg in den Sternehimmel war hart – und von Gewalt geprägt.

Sein Restaurant gehört zu den 50 besten der Welt – und auch im TV ist Tim Raue (48) längst ein Star: Ob in «Kitchen Impossible» oder «The Taste», der Berliner Spitzenkoch fällt mit seiner direkten und ehrgeizigen Art auf. «Die Leute mögen oder hassen mich», meint Raue und lacht, als die GlücksPost ihn telefonisch erreicht. 

Ob das auch für die Kandidatinnen und Kandidaten von «The sweet Taste» gilt? Ab 22. Februar (20.15 Uhr, SAT 1) kämpfen sie im süssen Ableger der beliebten Kochshow darum, das beste Dessert auf einen Löffel zu zaubern. Bewertet werden die Gerichte von Gastjuroren sowie ihren Coaches Tim Raue, Frank Rosin (56), Alexander Herrmann (51) und Alexander Kumptner (39). Raue schwärmt: «Es sind wahnwitzige Löffel entstanden, von denen keiner von uns gedacht hätte, dass so etwas überhaupt existieren könnte. Das war pure Begeisterung.»

Zwar verkostet er die Kreationen gerne – selber zubereiten will er sie aber nicht: «Backen und die Pâtisserie sind etwas, was mir genauso fern ist wie Autofahren – ich habe nicht mal einen Führerausweis», gesteht er. «Aber ich weiss, dass ich gut kochen kann. Solange es nicht um die Rezeptur einer Mousse geht, stehe ich meinen Kandidaten mit Rat und Tat zur Seite.»

Als Coach ist Tim Raue die Ruhe selbst, gleichzeitig aber auch sehr streng: «Ich unterteile in gut genug und schlecht, Schwarz und Weiss. Dazwischen gibt es für mich nichts», stellt der zweifache Sterneträger klar. Und er sei selbst auch kein guter Verlierer. «Denn das will ich nie mehr – ich will nie mehr in der Gosse landen!» 

Der Weg in den Sternehimmel war hart für Tim Raue. Er wuchs unter prekären Verhältnissen auf, wurde von seinem Vater geschlagen. Die Gewalt führte ihn auf die Strasse, wo er Mitglied der berüchtigten Bande «36 Boys» wurde. Nur Oma Gerda und Opa Hans schafften es, ihm Geborgenheit zu vermitteln. «Die beiden waren es, die mir Tugenden zeigten, die mir heute noch in meiner Küche extrem wichtig sind: Ordnung, Disziplin, Sauberkeit, Geradlinigkeit», erzählt Raue in seiner Biographie «Ich weiss, was Hunger ist». 

Und noch einen Vorteil sieht er in seiner Vergangenheit: «Durch die Härte und die Aggressivität der Strasse war ich so gestählt, dass ich mich in der Küche schnell zurechtgefunden habe.» Wann hat er es denn geschafft, diese Aggressivität zu überwinden?«Erst mit 41», gesteht Raue. Nach der Trennung von seiner damaligen Frau und Geschäftspartnerin sei er beruflich in eine Lebenskrise geraten. «Ich war komplett überfordert.»

Doch der TV-Koch, der seit 2017 mit seiner Frau Katharina verheiratet ist, blickte nach vorne und investierte viel in Therapien. «Heute mache ich Yoga, schaue mit Dankbarkeit auf das, was ich erreicht habe», sagt Tim Raue. Er stehe nicht mehr unter diesem gewaltigen Druck, sondern sei mit sich selbst im Reinen. Zwar arbeitet er heute so viel wie nie zuvor, «Partys und Kino wie bei anderen Leuten gibt es bei mir nicht», meint er und lacht. «Aber ich habe viel Freude und Spass dabei – und kann mir auch nichts anderes vorstellen!»