«Ich hatte mich komplett zerstört»

Nach dem Tod seines Sohnes ging der deutsche Schauspieler durch die Hölle, wurde Alkoholiker. Der Schmerz wird zwar für immer bleiben, doch mittlerweile hat der Star wieder zu sich selbst gefunden, erlebt rosige Zeiten – und träumt von einer Zukunft in der Schweiz.

Die Sonne glitzert im Wasser, als Hardy Krüger jr. (50) der Limmat entlangschlendert. Es ist ein perfekter Frühlingstag, und der deutsche Schauspieler geniesst die wenigen Stunden in Zürich, bevor er wieder zurück nach Deutschland muss. «Ich fühle mich in der Schweiz zu Hause», sagt er. Er ist in Lugano geboren, pendelte die ersten Lebensjahre zwischen Tansania, wo sein Vater, Hardy Krüger (90), eine Farm besass, und dem Tessin, wo seine Mutter, Francesca Marazzi (70), bis heute lebt. «Damals wohnten wir direkt am Lago di Lugano, konnten mit dem Boot in unser Lieblingsgrotto fahren – es waren wunderschöne Zeiten.» Er liebe die mediterrane Lebensart. «Eines Tages würde ich gerne wieder im Tessin leben. Auch nach Zürich zu ziehen, habe ich mir überlegt. Ich habe hier Freunde und meinen Verlag.»

Der Schweizer Giger Verlag veröffentlichte eben sein Buch «Der leise Ruf des Schmetterlings». Ein Roman über einen Mann, der nach vielen Widrigkeiten wieder zu sich findet. Sein Erstlingswerk erhält viel Autobiographisches und lässt tiefste Einblicke in seine Seele zu. Der Schmetterling etwa steht für seinen Sohn Paul-Luca, der 2011 mit nur acht Monaten am plötzlichen Kindstod starb. «An der Beerdigung flatterten plötzlich viele Schmetterlinge um mich herum», erzählt der Schauspieler, der aus zwei Ehen vier weitere Kinder hat: Leon (23), Noah (18), Vinas (10) und Laila (5). Er ist sicher, dass Paul-Luca irgendwie noch bei ihm ist – und er ihn eines Tages wiedersehen wird. Vor dem Tod habe er deshalb keine Angst, er wisse, dass da noch mehr komme. Konnte er mit dieser Tragödie denn irgendwie abschliessen? «Das Leben wird nie mehr dasselbe sein, das es mal war. Man geht anders mit ihm um, wird achtsamer, bewusster. Abschliessen kann man nicht, aber einen Weg finden, irgendwie damit zu leben. Bei mir hat das lange gedauert.»

Die Ehe zu seiner damaligen Frau Katrin ist zerbrochen, «weil jeder für sich selber trauert». Das Leben werde plötzlich sehr einsam, man verliere Freunde, da diese nicht wüssten, wie damit umgehen. In seinem Schmerz stürzte sich Hardy in die Arbeit. Er sei ständig unterwegs gewesen, habe drei Filme gleichzeitig gedreht, kaum geschlafen. «Damit ich ruhig bleibe und nicht total ausflippe, habe ich abends getrunken. Ich habe mich komplett zerstört.» Er wurde alkoholkrank – so stark, dass sein Körper irgendwann nicht mehr mitmachte. Er landete auf der Intensivstation. «Meine Organe waren kurz vor dem Versagen, man hat mich zurückholen müssen, ich war schon auf der anderen Seite.» Das sei ein Punkt gewesen, an dem er sich habe entscheiden müssen: Bleibe ich liegen oder stehe ich auf? Viel habe nicht gefehlt, und er wäre liegen geblieben. Aber er habe einen Überlebensmechanismus, hat gekämpft, war in Entzugskliniken. Seit vier Jahren rührt er keinen Tropfen mehr an. «Ich bin ein Genussmensch: Die Lust, einen guten Wein zu trinken, ist immer da. Aber es ist für mich nicht mehr möglich. Ich habe mich für dieses Leben in Abstinenz entschieden, und das ist gut, weil ich dadurch viele Dinge begreifen, analysieren und leben kann.» Auch das Schreiben habe ihm geholfen, zu sich zu finden, Vergangenes loszulassen. Es seien Fragen aufgetaucht, er habe aber auch Antworten gefunden.

Aufgearbeitet hat er so auch seine eigene Familiengeschichte. Ihm sei etwa bewusst geworden, dass er seiner Mutter viel zu wenig Zeit widmete. «Sie würde nie sagen, dass ich sie vernachlässigt habe, aber ich weiss, dass es so ist.» Dies hat er geändert, so sei sie eben bei ihm in Linz (A) gewesen, wo er lebt. Ganz anders ist das Verhältnis zu seinem Vater. Der Weltstar verliess die Familie, als er seine jetzige Frau kennenlernte. Damit haderte Hardy jr. lange, das Verhältnis ist alles andere als innig. Mittlerweile kann er es so annehmen. Sein Vater gehöre zur Nachkriegsgeneration, die Schlimmes erlebt und Schwierigkeiten habe, Gefühle zu zeigen. «Mein Vater hat sich damals für seine Karriere und für seine dritte Frau entschieden, nicht für die Familie. Das muss man akzeptieren. Ich liebe ihn trotzdem», sagt er. «Mein Weg aber ist ein anderer, der der Familie, weil ich wahrscheinlich immer das haben wollte, was ich selber nie hatte.»

Hardy Krüger jr. versteht sich mit seinen Ex-Frauen und seinen Kindern blendend. Und die Patchwork-Familie ist kürzlich noch gewachsen: Ende März heiratete er seine Presseagentin Alice Rössler (41), die drei Kinder hat und sogar viermal verheiratet war. Darüber können sie lachen. «Wir haben einiges an schlechter Erfahrung: Wenn also jemand weiss, wie es funktionieren kann, müssten wir das sein!» Es sei eine ehrliche, bedingungslose Liebe, die in seiner zweiten Lebenshälfte – er ist eben 50 geworden – nebst den Kindern Priorität habe. «Die Liebe», sagt er, «kann Wunden heilen. Schmerzhafte Erfahrungen tun zwar noch weh, trotzdem fühlt sich das Leben gut an, weil man nach vorne schaut.» Und vorne ist viel Gutes: Er schreibt am Nachfolgeroman von «Der leise Ruf des Schmetterlings», spielt Theater, setzt sich für eine Stiftung ein, die Menschen hilft, die ein Kind verloren haben. Und mit Alice, die aus Berlin kommt, sucht er einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt. Vielleicht doch die Schweiz? «Dafür arbeite ich noch zu viel in Deutschland, und wir wollen in der Nähe der Kinder sein», sagt er. «Aber früher oder später kehrt doch jeder zu seinen Wurzeln zurück!»