«Ich habe einfach mal alles in Frage gestellt»

Nach sechs Jahren ohne ein freies Wochenende oder Ferien war die Schwyzerin ausgebrannt. In Australien überdachte sie ihr Leben, hinterfragte sogar ihren Beruf als Schlagersängerin.

Alles hätte passieren können im Land der Kängurus. Beatrice Egli (30) spielte in Gedanken mit allen möglichen Zukunftsszenarios. Merkte dann aber, dass es die Musik ist, die sie über alles liebt, ihr Leben als Sängerin, das sie vermisst. Ergebnis dieser Reise zu sich selbst ist das neue Album «Natürlich».

GlücksPost: Auf Ihrer neuen CD verarbeiten Sie unter anderem Ihre Auszeit in Australien. Was reizte Sie an Down Under?

Beatrice Egli: Australien war seit meinem 16. Lebensjahr ein Traum. Mit 30 konnte ich ihn mir erfüllen. Weiter weg kann man ja nicht fliegen. Vielleicht war das der Grund: einfach mal ganz, ganz weit weg. Es hat mich allerdings auch recht schnell zur Erkenntnis gebracht: Ich möchte ganz, ganz schnell wieder zurück in die Heimat. Weite schafft Nähe. Und das war bei mir definitiv mal nötig.

Klingt nach Abstand gewinnen.

Ja, von allem. Irgendwie war ich total erschöpft und wusste gar nicht mehr, wo oben und unten ist. Deshalb war es für mich wichtig, einfach mal weg zu sein. Ich hatte auch ein bisschen Angst davor. Dass ich möglicherweise gar keine Lust mehr habe, zurückzukommen. Ich habe einfach mal alles in Frage gestellt: Möchte ich das, was ich tue, überhaupt noch? Mach ich das, was ich tue, noch gut genug? Ist es das, was ich immer wollte? Und ist es das, was ich auch in Zukunft will? Als ich dann in Australien war, merkte ich sehr schnell: Ich vermisse dieses Auf-Achse-Sein, ich vermisse die Bühne, ich vermisse die Musik. Als mir das klar wurde, war ich irgendwie erleichtert.

Das Album bezeichnen Sie als «musikalisches Tagebuch einer Reise, die – das weiss ich jetzt – gerade erst beginnt.» Wie meinen Sie das?

Es war in gewissem Sinne auch eine Reise zu mir selbst. Und wenn man sich selber wieder etwas mehr gefunden hat, geht die Reise erst richtig los. Ich entdecke mich irgendwie selber neu, entdecke neue Facetten meiner Persönlichkeit und Möglichkeiten, wie ich sie ausleben kann. Ich entdecke, was ich bin oder eben auch nicht bin. Ich bemühe mich ja, jeden Tag mein Bestes zu geben. Aber wenn man auf so einer Reise ist, hat man auf einmal das Gefühl, dass das Beste erst noch vor einem liegt.

Sie haben ja schon unglaublich viel erreicht. Und trotzdem das Gefühl, das Beste liegt erst noch vor Ihnen?

Vor allem das Beste mit mir selber und mit meinen Gefühlen. Dieses «mit mir im Reinen sein». Mehr Geduld haben. Manchmal setzt man sich Ziele und fragt sich dann ungeduldig: Wann kommt das denn jetzt endlich? Zum Beispiel der Mann, mit dem ich eine dauerhafte Liebe leben kann. Mittlerweile gelingt es mir schon besser, zu sagen: Vielleicht kommt es gar nicht, aber ich kann trotzdem glücklich leben. Die Reise zu mir selber bedeutet auch, dass ich gewisse Dinge gar nicht mehr suche, sondern einfach akzeptiere, dass ich auch ohne diese Dinge gut leben kann. Annehmen und loslassen ist die Kunst! An dem Punkt beginnt bei mir die Reise erst.

Ein Zitat von Ihnen: «Ich möchte in meiner Musik so sein, wie ich einfach bin: mal frech, mal verträumt, mal ausgeflippt. Aber immer ehrlich – auch wenn es manchmal wehtut.» Wann tut Ehrlichkeit weh?

Zum Beispiel, wenn man sich ehrlich eingestehen muss, dass das eigene Herz nicht unverschont geblieben ist. Wenn man offen durchs Leben geht, kann man auch ins offene Messer rennen.

Ist Ihnen das schon passiert?

Ja, mit dem Herzen bin ich schon ins offene Messer gerannt. Habe mich in jemanden verliebt, der sich aber nicht in mich verliebt hat. Oder zumindest nicht die gleichen Gefühle für mich entwickelt hat, wie ich für ihn. Der nicht das gleiche Leben mit mir führen wollte, wie ich es gerne leben würde. Das tut schon weh. Insofern ist das Album sehr autobiographisch geworden. Viele dachten: «Jetzt geht sie nach Australien und flippt total aus.» Ja, klar gibt’s da viele schöne Jungs. Aber für Flirts war ich gar nicht bereit, weil innerlich bei mir gerade ganz was anderes Thema ist. Das Herz hat bei mir gerade mal Pause.

Ist das tatsächlich so?

Ich wollte einfach mal Zeit für mich haben. Zeit heilt Wunden. In Australien habe ich gewisse Herzensdinge, die nicht so toll gelaufen sind, echt hinter mir gelassen. Seit ich zurück bin, fühlt sich das wie ein Neubeginn an.

In einem Interview sagten Sie, dass manche Verliebtheit auf unangenehme Art vorbeiging und dass Sie Dinge erlebt haben, die Sie besser nicht erlebt hätten.

Wer sein Herz öffnet und liebt, kann enttäuscht werden. Klar habe ich diese Erfahrung gemacht. Gleichzeitig habe ich aber auch selber zum Scheitern dieser Beziehung beigetragen, indem ich mich sehr auf meinen Beruf fokussiert habe. Auch die Musik ist eine Liebe. Und ein grosser Teil meines Lebens. Der Liebe zu einem Mann habe ich sicher zu wenig Platz eingeräumt, sodass sich ein gewisses Vertrauen und eine wahre Liebe gar nicht erst entwickeln konnten.

Könnte es sein, dass Sie unterschwellig an einer Art Bindungsangst leiden? Der Angst davor, wieder verletzt zu werden?

Ja, ich denke schon, dass der Prozess des Reiferwerdens mir auch eine gewisse Angst eingebracht hat. Angst davor, sich auf jemanden einzulassen – aus Furcht, denjenigen wieder zu verlieren. Dieses Gefühl kenne ich sehr gut.

Hat das vielleicht auch damit zu tun, dass Ihre Eltern sich getrennt haben. Wie haben Sie das miterlebt?

Für meine Brüder und mich kam das ja nicht von heut auf morgen. Das hatte sich schon seit längerer Zeit abgezeichnet. Die Scheidung an sich war dann nur noch ein Verwaltungsakt.

Im Song «In meinem Traum» besingen Sie Ihre Hochzeit. Heisst also, Sie wollen nicht auf immer und ewig das freie Vöglein bleiben?

Auf keinen Fall. Diesen Traum gibt es tatsächlich: Ich träume von meiner Hochzeit. Es soll wohl noch nicht sein, aber ich weiss: Irgendwann wird der Traum wahr.

Sie sagten mal, Sie haben Angst, irgendwann weg vom Fenster zu sein. Ist der Druck so gross?

Ich habe eine gesunde Demut vor der Tatsache, dass der Erfolg nicht selbstverständlich ist. Das Musikgeschäft ist sehr schnelllebig geworden. In den sechs Jahren seit ich «DSDS» gewonnen habe, ist viel passiert. Teilweise kann man ja für 10 Euro im Monat Millionen von Songs hören. Niemand macht sich Gedanken wie: Wo kommt’s denn her? Wie viele Leute haben daran gearbeitet? Der Respekt davor, wie aufwendig es ist, gute Musik zu machen, ist ziemlich verloren gegangen. Andererseits spornt einen das aber auch an. Und ich liebe nach wie vor, was ich tue.

Ich höre da raus: Sie machen diesen Beruf nicht in erster Linie des Geldes wegen. Wissen Sie eigentlich, wie viel Sie auf dem Konto haben?

Das ist ganz super bei mir: Ich habe keine Ahnung! Zahlen sind nicht mein Ding. Das habe ich an Leute delegiert, die da hoffentlich besser Bescheid wissen als ich. Ich selber konzentriere mich auf das, was ich wirklich liebe: was ich singe, wie meine Shows aussehen, neue Ideen entwickeln. 

Es gibt Künstler, die Alkohol oder Drogen brauchen, um mit dem Druck zurechtzukommen. Was bekommen Sie davon mit?

Ich weiss, dass es das gibt. Aber ich selber trinke keinen Alkohol. Mir tun Menschen wahnsinnig leid, die erst was trinken müssen, bevor sie auf die Bühne gehen. Von diesen Menschen gibt es mehr, als man ahnt.

Sie trinken keinen Tropfen Alkohol?

Nein, ich vertrag’s nicht. Mir wird davon ganz komisch. Ich werde total müde und möchte einfach nur noch schlafen.

Die Angst, der Traum könnte schnell wieder vorbei sein – ist das der Grund, weshalb Sie sich diversifizieren? Gerade haben Sie in einem «Playmobil»-Film eine Figur synchronisiert. Sie moderieren bei RTL die Kuppel-Show «Schlager sucht Liebe». Sie wollen sich nicht allein auf die Musik verlassen?

So denke ich nicht. Meine Triebfedern sind Lust und Freude. Ich mag es, immer mal wieder was Neues auszuprobieren. Das ist mir auch in Australien durch den Kopf gegangen: Was will ich eigentlich? Und mir wurde klar: Ich möchte immer wieder etwas anpacken, das ich noch nie gemacht habe.