«Ich fühle mich wie ein Schafhirte»

Der Kopf von Patent Ochsner strahlt: Wie eine Aura umgibt ihn sein Glück, von Familie und Band getragen zu werden. Mit bald 60 ist jetzt der richtige Zeitpunkt für einen musikalischen Rückblick gekommen.

Er wollte die GlücksPost im Theater Rigiblick am Zürichberg treffen. Büne Huber, Frontmann von Patent Ochsner, hat zu dieser Spielstätte eine spezielle Beziehung. Sie ist ihm ans Herz gewachsen: «Hier kann ich neue Sachen ausloten, ausserhalb des Musikbusiness», erklärt er. In zwei Produktionen, die im ständigen Rigiblick-Repertoire sind und über die Jahre immer wieder aufgeführt werden, stand der bald 60-Jährige hier auf der Bühne: «Tribute to Tom Waits» (2014) und «Tribute to Bob Dylan» (2016).

Während der beiden Projekte reifte zwischen Huber und Theaterleiter Daniel Rohr (61), der jeweils mit auf der Bühne steht, eine tiefe Freundschaft. «Ich bewundere, was er aus diesem Theater gemacht hat, und die Arbeit, die er da reinsteckt! Er ist ein wahrer Multitasker, kann organisieren, mit den Künstlern arbeiten und gleichzeitig selbst Künstler sein. Ich schaffe es höchstens, gleichzeitig zu duschen und zu schiffen.» Zu diesem Spruch erscheint ein fast schüchternes, bubenhaftes Lächeln auf Hubers Gesicht. Er, der früher manchmal eher einen unnahbaren Eindruck hinterliess, ist völlig gelöst, offen und zugänglich.

Das hat mit einer Wendung in seinem Leben zu tun, an die er nicht mehr geglaubt hatte: eine zweite Ehe und spätes Vaterglück. Stolz zeigt er ein Handyfoto von Tochter Julie (6) und Sohn Max (7), das über das Wochenende in einem Zürcher Hotel aufgenommen wurde. Weil Sportferien sind, hat das Familienoberhaupt seine Liebsten zu den Presseterminen in Zürich mitgenommen, an denen er über das neue Werk «Patent Ochsner Tonbildshow» aus der Reihe «MTV unplugged» sprechen will. Vor allem aber erträgt Büne eine – wenn auch nur vorübergehende – Trennung von seinen Liebsten kaum mehr: «Ich habe den Blues geschoben beim Gedanken, dass ich bald so lange unterwegs sein werde. Dabei möchte ich zu Hause sein.» Zum Glück lieben Julie und Max das Hotelleben und die Restaurants.

Nachdem er am Scheitern seiner ersten Ehe fast zerbrach, in Depressionen und die Unfähigkeit, sich musikalisch auszudrücken, abglitt, fühlt er sich heute «auf­gehoben und unterstützt». Und das von allen Seiten: privat von seiner Familie, beruflich von seiner Band und seinem «Bruder im Herzen» Christian Siegenthaler (65), Manager und Begleiter seit den ersten Patent-Ochsner-Tagen. «Shit – das isch es uhuere Gschänk», meint er, als ob es ihm eben erst bewusst würde. «Wenn es heute fertig wäre mit mir, würde ich sagen: Ich hatte ein tolles Leben.»

Das Positive strömt aus all seinen Poren. «Die kindliche Energie ist so aufbauend. Das wünscht man sich als Künstler: Diese helle, von der Welt noch ungebrochene Stimmung, deren Funken sofort überspringt.» Seit er wieder Vater geworden sei, lache er massiv mehr. «Bei uns ist der totale Kindergarten zu Hause.» Zu seinen eigenen Kindern gesellen sich zwei Enkel, Kinder seiner Tochter Hannah (25) aus erster Ehe. «Ich fühle mich manchmal wie ein Schafhirte.» Wieder dieses charmante Lächeln.

Eigentlich wollte Büne ein neues Album schreiben. Im Nachhinein ist er froh, dass die Anfrage von MTV kam, bei Patent Ochsner als erster Schweizer Band den Stecker zu ziehen. «Die letzten beiden Jahre waren so monothematisch. Es gab wenig Input, es ist wenig passiert, und ich war we­niger unterwegs.» Es gab also kaum Inspiration für neue Ohrwürmer. «Es war ein guter Moment für eine Rückschau. Obwohl ich nicht zum ‹Weisch no› tauge, ich denke nach vorne.»

Nach zwei Jahren Arbeit sagt er: «Es war ein schönes aber kräftezehrendes Projekt. Als es fertig war, war ich fertig.» Er erinnert sich an den Abend nach dem zweiten Unplugged-Konzert im Casino Bern letzten Herbst: «Es war ein wunderschöner Moment der Befreiung. Die Band und die nähere Entourage waren alle ergriffen und blieben noch lange vor Ort. Es war alles so familiär und freundlich.» Spätnachts lief der Sänger mit seiner Frau Sue (42) durch Bern, erschöpft und trunken vor Glück.