
Im Casinotheater Winterthur wird Walter Andreas Müller seinen runden Geburtstag mit «Dinner for WAM» für einmal gross feiern.
Walter Andreas Müller
«Ich bin etwas abergläubisch»
Der Schweizer Schauspieler feiert im September seinen 80. Geburtstag mit einer besonderen Premiere. Dankbar blickt der beliebte Künstler auf sein Leben und auf seine Karriere zurück.
Von Aurelia Robles
An seinem 80. Geburtstag am 3. September wird Walter Andreas Müller, kurz WAM, gleich zwei erste Male erleben: Im Stück «Dinner for WAM» (3. 9. bis 28. 9.) verkörpert er erstmals in seiner langen Karriere sich selbst. «Das ist ‹no cheibe› schwer», findet der Schauspieler. «Aber genau diese neue Herausforderung ist verantwortlich dafür, dass es eine Traumrolle für mich ist.» Die Produktion des Casinotheaters Winterthur wurde extra für ihn zum Jubiläum geschrieben. Darin wollen ihm seine Künstlerfreunde Viktor Giacobbo (73), Christian Jott Jenny (47) und Maja Brunner (74), die ebenfalls sich selbst spielen, einen Traum erfüllen und ihn so glücklich stimmen.
Da wären wir bei der zweiten Premiere: Es wird das erste Mal sein, dass Walter Andreas Müller seinen Geburtstag mit so vielen Menschen begeht. Bisher ist der Zürcher an seinen runden Geburtstagen stets verreist, am 70. mit seinem langjährigen Lebenspartner nach Madeira. Und auch sonst hat WAM nie gross gefeiert, da er generell kein Partymensch sei. «Ich kann ja nichts dafür, dass ich auf der Welt bin. Man müsste meine verstorbenen Eltern ehren», sagt er und gesteht dann, dass er sich auch stets vor der Organisation gescheut habe.
«Jetzt mit dem Stück ist es schon bombastisch und eine einmalige Gelegenheit», sagt er während der Proben im Casinotheater. «Ich kann einen Monat lang jeden Abend mit dem Theaterpublikum von neuem meinen Geburtstag zelebrieren.» Und natürlich auch mit dem Ensemble, das aus langjährigen Weggefährten besteht. So kennen Maja Brunner und WAM sich seit vielen Jahren und spielten zusammen im Musical «Hotel Happy End». Mit Viktor Giacobbo hat der Polit-Parodist viel fürs Schweizer Fernsehen realisiert, und auch mit dem Entertainer und Gemeindepräsidenten von St. Moritz GR, Christian Jott Jenny, verbindet ihn eine lange Freundschaft. «Ich bin sogar Grossgötti von seinem elfjährigen Sohn Emil», erzählt er. «Für Götti fühlte ich mich damals zu alt, also schlug Christian mir dieses Amt vor. Aber der Grossgötti ist faul, grauenhaft faul», erzählt Müller lachend. Er sei keiner, der mit dem Grossgöttikind in den Zoo oder ins Museum gehe, auch wenn es schon Ausflüge in den Zirkus oder auf den Bachtel gab. Dafür hat er Emil ein Bankkonto eröffnet, auf das er am Geburtstag und an Weihnachten einzahle.
Bescheidener Wunsch
Für seinen runden Geburtstag hat Walter Andreas Müller keine grossen Wünsche. «Die Zuschauer sollen ja nicht denken, dass sie mir stets Blumen mitbringen müssen. Sonst habe ich ein Krematorium daheim», meint er schmunzelnd. Wenn, dann hegt er einen immateriellen Wunsch: «Dass ich um Gottes Willen all die Vorstellungen überstehe, denn ich bin etwas abergläubisch.» So erkrankte er bei den letzten drei Vorstellungen des Erfolgsmusicals «SisterÄct» an einer Lungenentzündung, die sich hinzog. Vergangenes Jahr passierte dasselbe während der Schlossfestspiele Hagenwil TG, wo er in «Der Tag, an dem der Papst gekidnappt wurde», mitwirkte. «Nun ist dies in meinem Kopf, und ich hoffe bloss, dass ich nicht wieder krank werde. Denn wenn es mir weiterhin so geht wie heute, bin ich mehr als glücklich.»
Walter Andreas Müller ist fit, spielt Golf, fährt Auto, hat Freunde um sich. «Dafür bin ich unendlich dankbar. Auch dass ich in all den Jahren ein empathischer, unprätentiöser Mensch geblieben bin.» Dass er, der der Kinderfigur «Globi» seit demnächst 50 Jahren die Stimme leiht, nun 80 Jahre alt wird, glauben nicht einmal seine jüngsten Fans. «Kürzlich nahm mir eine 17-Jährige ab, dass ich für ein Bühnenstück zu meinem 60. probe – bereits das fand sie zu alt», sagt er laut lachend. «Das läuft natürlich runter wie Öl. Es ist schön, dass ich noch als voll und als Mensch, nicht als Greis wahrgenommen werde.»
Prägende Ereignisse
Abends sitze er oft bis spät auf der Terrasse seines Erdhauses in Madetswil ZH, erzählt Walter Andreas Müller. «Mit einem Glas Prosecco und einer Zigarre in der Hand, sage ich laut zu mir: ‹Gottfried Stutz WAM, wie gut geht es dir! Wie hast du das verdient?›» Wie ein Schneeball sei er einfach den Berg hinuntergerollt, und dabei sei der Ball, sprich sein Erfolg, immer grösser geworden. «Es ging immer weiter – ohne dass ich viel dazutun musste.»
«Zweierleier» fürs Radio, Sitcom wie «Fascht e Familie» fürs Fernsehen, Theaterstücke, Musicals, Polit-Parodien für diverse Formate, Kinderproduktionen wie Globi – «Ich bin breitgefächert durchs Leben gegangen, kann wahnsinnig viel, aber nichts richtig», pflegt er zu sagen. Denn wenn er etwas bereut, dann dass er, der einst im Musik Hug seine Ausbildung zum Verlagskaufmann machte, nie Klavier spielen gelernt hat. «Ich träumte davon, ein zweiter Udo Jürgens zu werden. Ein Sänger, der sich selbst am Klavier begleitet. Das habe ich nicht geschafft», sagt er. «Dafür ist letzten Endes meine Vielseitigkeit meine Klaviatur. Ich bin quasi ein menschliches Mischpult: Schiebt man den einen Regler rauf, kommt Globis Stimme, bei einem anderen jene von Altbundesrat Christoph Blocher oder bei einem weiteren die von Adam Chifler.»
Walter Andreas Müller lebt im Moment und versucht diesen, so gut es geht, auch zu geniessen. «Ich vergesse viel, was mir über all die Jahre meines Lebens hilft.» Drei tragische Erlebnisse haben ihn geprägt: der schwere Schlaganfall seines Partners, der dazu führte, dass WAM nun alleine im Erdhaus lebt, sowie der frühe Tod seiner Mutter und das plötzliche Ableben seines früheren Lebenspartners. «Wenn du deine grosse Liebe verlierst, ist das einschneidend. Da kann ich heute noch weinen. Aus dem Stand heraus kommt mir das hoch», erzählt er gerührt. «Aber ich versuche das Beste aus meinem Schicksal zu machen. Wenn ich Bilanz ziehen müsste, habe ich sicher nicht alles richtig, aber doch sehr viel aus meinem Leben gemacht.»
In der Zukunft möchte WAM noch vermehrt reisen, insbesondere Südamerika reizt ihn. Dann würde er auch gerne zurück in die Stadt Zürich ziehen. «Dann wären meine Freunde näher. Hier in Madetswil habe ich wenig Leute um mich. Doch es ist schwierig, etwas zu finden, und zu teuer.» Wenn alle Stricke reissen und er nicht mehr mobil sein sollte, könnte er sich ein schönes Tertianum, eine Altersresidenz, vorstellen.
Zurück in die Gegenwart: In wenigen Tagen steht nun die doppelte Premiere und somit auch sein 80. Geburtstag an. «Ich bin gespannt, wie ich als WAM an diesem Abend reagieren werde. Aber ich glaube nicht, dass es mich emotional aus der Bahn werfen wird, da ich zu sehr mit der Nervosität an der Premiere kämpfen werde.» Für ihn wäre das Stück auch ein schöner Karriere-Abschluss. «Doch das sage ich bei jedem neuen Projekt.» Denn bereits im November und Dezember steht er wieder als Papst bei den Kammerspielen Seeb auf der Bühne. «Aber dann ist Schluss», sagt er und lacht laut!