«Heute fühle ich mich stärker denn je»

Mit Kung-Fu kräftigt die Komikerin nicht nur ihren Körper, sondern verbessert auch ihr Seelenheil. Um dieses hat sie in den letzten Monaten kämpfen müssen, denn sie ging durch dunkle Täler.

Es wirkt wie ein sanfter Kampf, den sich Stéphanie Berger (39) und Kung-Fu-Lehrer Daniel Hauser (45) hier liefern. Sie nutzen Arme und Beine, wirken dennoch entspannt. «Beim Kung-Fu wendet man die Kraft des Gegners gegen ihn selbst an, dafür braucht es innere Ruhe und Balance», erklärt der Profi aus Rapperswil SG, der die Komikerin seit einem Jahr trainiert. Für diese ist der Sport nicht nur die effizienteste Selbstverteidigung, sie schätzt auch die Philosophie dahinter. «Es tut mir einfach wahnsinnig gut, es ist nichts Hartes an Kung-Fu, in dem Moment, wo du anspannst, hast du verloren, man muss mit dem Fluss mitgehen», erzählt sie. «Das ist sinnbildlich fürs Leben – loslassen können, annehmen, was ist, und in Kraft oder etwas Positives umwandeln.»

Positive Gefühle: Für die sorgt Berger derzeit auch beruflich – mit ihrem neuen Programm «No Stress, no Fun». Stets am Rande eines Nervenzusammenbruchs fegt sie über die Bühne oder «bekehrt» als Medium das Publikum. «Stress ist leider zu einem Statussymbol geworden. Ich habe das Wort mittlerweile aus meinem Leben eliminiert», erzählt sie. «Für mich gibt es vielleicht mal hektische, intensive Tage – allein diese Wortwahl ändert für das Hirn schon vieles.»

Der Weg, der die Komikerin, Schauspielerin und Single-Mama von Giulien (7) zu diesem Punkt gebracht hat, führte durch dunkle Täler. Und es kostete sie viel Kraft, dort hinauszufinden. Mit dem Stalker, der sie bedrohte und eben erst verurteilt wurde, habe das nichts zu tun gehabt. «Es ging mir über ein Jahr lang sehr schlecht», erzählt sie offen. Es sei kein Burnout gewesen. «Ich will nicht ins Detail gehen, aber ich fühlte mich ohnmächtig, hilflos und war wie gefangen in diesem Zustand.»

Die Wende kam am 24. Juli letztes Jahr. An diesem Tag habe sie entschieden, dass nun Schluss ist, sie ganz allein Verantwortung für ihr Leben übernimmt – auch wenn andere Menschen an dieser Situation sicherlich auch ihren Anteil hatten. Stéphanie: «Es gibt drei Möglichkeiten: Man bringt sich bei Schwierigkeiten um, betäubt sich mit Alkohol, Essen, Sex oder Drogen – oder man stellt sich einem selbst, und das braucht Mut.» Nach langem Zögern habe sie einen vierseitigen Vertrag mit sich abgeschlossen, darin alles aufgeführt, was sie braucht, um wieder auf die Beine zu kommen – viel lesen statt fernsehen beispielsweise, gesundes Essen, Freunde treffen, Entspannung. «Es ging darum, meinen emotionalen Muskel wieder aufzubauen, der war völlig verkümmert. Heute fühle ich mich stärker denn je. Ich habe eine mentale Stärke erreicht, die ich selbst nicht erwartet hätte.»

Sie meditiert jeden Morgen, führt zur Selbstkontrolle Tagebuch, ist dankbar für alles, was sie hat – vom warmen Wasser bis zu ihren Liebsten. Und auch das Single-Leben hat sie akzeptiert: Sie habe im letzten Dreivierteljahr gelernt, dass ein Mann keine Lücke mehr füllen muss. Solange eine Beziehung ihr Leben nicht bereichert, ist sie lieber alleine. Das Wichtigste ist ihr Sohn. «Giulien ist mein grösstes Geschenk, und ich nehme meine Verantwortung ihm gegenüber sehr ernst. Es ist meine Aufgabe, ihm Instrumente mitzugeben, damit er im Leben bestehen kann, nicht nur lebt, sondern es auch geniesst. Er soll wissen, dass er alles erreichen kann, aber auch dafür arbeiten muss.»

Stéphanie Berger klingt ernst, sodass es beinahe schwierig ist, sie mit Komik in Verbindung zu bringen. Doch darin sieht sie kein Problem: «Wenn man nur nachdenklich ist, würde man depressiv werden, ist man nur lustig, verliert man den Boden: So passt das für mich sehr gut», sagt sie. «Ich freue mich, wenn ich mit meiner Arbeit den Leuten nicht nur Spass bringe, sondern auch etwas vermitteln kann. Früher war das Leben für mich immer ein Kampf. Heute weiss ich, dass es ein Geschenk ist, man das Bestmögliche daraus machen muss und es als Tanz oder Abenteuer sehen sollte.»