Seine Enkelin braucht ihn jetzt dringend

Durch seine Ehefrau Ruth hat der Sänger eine grosse Familie mit Mitgliedern in Afrika und den USA. Dort mussten sie jetzt ihren Sohn zu Grabe tragen – und tun alles, um dessen Tochter zu unterstützen.

Amerika. Das war für Heinrich Müller (70) immer ein Land voller Faszination. Nicht nur wegen der Musik, die ihn schon als kleinen Buben träumen liess. «Meine Schulkameraden hörten noch ‹Im Aargau sind zwei Liebi›. Während mir der amerikanische Blues half, aus der Enge unseres Städtchens auszubrechen», erinnert er sich. In jungen Jahren trampte er durch die Staaten – nur mit einem Rucksack bepackt. «Klassisch im Greyhound-Bus nach Kalifornien – für weniger als 100 Dollar», weiss er noch genau. «Neben mir sass eine Frau, eine Schwarze, mit ihrem Baby. Wir diskutierten über Glauben, Gott und die Welt. Sie schlief dann an meiner Schulter ein. Ich liebe den Blues dieser Leute.»

Heinrich, der Weltenbummler, nahm auch sein erstes Album «Footsteps» in Übersee auf. In Nashville, dem Zentrum der Country- und Bluesmusik, die es dem damaligen Nachrichten-Moderator beim Schweizer Fernsehen so angetan hatte. «Da waren ein paar tolle Profi-Musiker dabei, die grosse Freude hatten an meinen Kompositionen», sagt er nicht ohne Stolz zur GlücksPost.

Heinrich Müller, der 2007 frühzeitig von der «Tagesschau» in Pension ging, um sich voll seiner Leidenschaft Musik zu widmen, ist schon viele Jahre nicht mehr in den USA gewesen. Grund dafür waren die schwierigen familiären Verhältnisse seiner nigerianischen Frau Ruth (62). Sie betrafen natürlich auch Heinrich, nachdem die beiden 1992 in Chicago geheiratet hatten. Seit sie zusammen sind, machten sie die meisten Amerika-Reisen gemeinsam, besuchten Ruths Familie. Ruth war vor Heinrich mit einem Afroamerikaner verheiratet gewesen, hatte mit ihm in den USA gewohnt und ihm einen Sohn geboren. Im letzten Sommer – Heinrich feilte gerade an den Liedern für seine neue CD «As Long As I Can Sing» – kam die Schreckensnachricht: Eben dieser Sohn, Ruths einziges Kind und Heinrichs Stiefsohn Greg, war verstorben. Heinrich: «Ruth war zu diesem Zeitpunkt gerade im Schosse ihrer Familie in Nigeria – zum Glück. Ihre Verwandten konnten sie auffangen. Ich möchte mir nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte sie es hier in der Schweiz erfahren.»

Greg war gerade einmal 40 Jahre alt bei seinem Tod. Ruth und Heinrich reisten Ende August nach Houston, Texas, um Greg zu Grabe zu tragen. Der Schock sass tief. Müllers Plattenaufnahmen verzögerten sich. Die Nachricht kam allerdings nicht völlig überraschend. Wie schon bei seinem Vater, der vor drei Jahren starb, prägten Armut, Gewalt und Drogen Gregs unbeständiges Leben. «Ich stand Greg lange sehr nahe», sinniert Heinrich. «In den letzten Jahren musste ich jedoch Abstand gewinnen. Auch ich habe ihm Zuwendung gegeben, emotional wie finanziell – und doch konnte er sich nicht aus dem Teufelskreis befreien.» Dabei sei er ein so schöner Mann gewesen, intelligent, liebenswürdig. «Ich hatte aber schon länger keine Hoffnung mehr und betete einzig, dass keine Katastrophe passiere. Das war keine einfache Familie, in die Ruth mit ihrer ersten Heirat hineingeriet», führt Heinrich aus.

Welch ein Glück, sind Gregs drei Kinder auf gutem Weg. Besonders zu Ruths Enkelin Justice hat Heinrich ein herzliches Verhältnis. Auf seinem ersten Album «Footsteps» widmete er ihr den Song «Justice». Auch ihr Foto ist auf dem Cover abgebildet. «Sie ist mein Stern, mein funkelndes Licht. Ihr Lachen ist umwerfend, süss und warm. Ich bin so stolz auf sie, dass ich es laut hinausschreien möchte», singt Heinrich. Heute sagt er dazu: «Ich wusste schon da, dass Justice kein leichtes Leben haben wird und hoffte, ein Lied könnte ihr helfen.»

Das kleine Mädchen, über das Heinrich 2004 sang, ist nun 18 Jahre alt und macht dieses Jahr den Highschool-Abschluss in Texas. Heinrich und Ruth reisen im Mai in die USA, um bei Justice zu sein an ihrem «Graduation Day». «Sie hat ja sonst niemanden mehr», erläutert Heinrich. «Ihre Mutter ist ebenfalls vor wenigen Jahren verstorben. Ihre einzigen lebenden Verwandten neben Ruth sind die Halbbrüder, der 15-jährige Greg jun. und die 13-jährige Jaylin. Die wohnen mit ihrer Mutter am anderen Ende der USA in Detroit.» Im amerikanischen Schulsystem müssen weiterführende Schulen – die Colleges – überwiegend aus eigener Tasche bezahlt werden. «Uns war klar, dass wir für Justices Ausbildung werden aufkommen müssen», sagt Heinrich.

Trotz des traurigen Anlasses: «Als ich im Sommer wieder in den USA war, dachte ich: Das ist schon ein interessantes Land mit hilfsbereiten Menschen.» Vielleicht stachelt es auch wieder Heinrichs Reisefieber an – nun, da seine Enkelin Justice älter ist und sich auf seine Besuche freut.

Heinrich Müller in Hochform

Mit «As Long As I Can Sing» liefert Heinrich Müller sein fünftes Album ab. Neben sanften Balladen sind groovige Klänge und Gitarrenriffs à la Dire Straits zu hören. Die Songs sind eingängig und reissen mit. Am 31.3. wird die Platte veröffentlicht und am 8. Juni mit einem grossen, öffentlichen Konzert im Nordportal Baden getauft. Ab Herbst gehen Müller und seine neu zusammengestellte Band auf ausgedehnte Schweiz-Tour.

Daten und Tickets unter: www.heinrichmueller.ch

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