Gegen humorlosen Glauben

Stets überrascht der Schauspieler und Autor mit ungewöhnlichen Projekten und Konzepten. Besonders sticht sein Auftritt als Laien-Prediger hervor. Dass das nicht von ungefähr kommt, zeigt sich bei seiner Litanei in Baden und im Gespräch über Glaube und Religion.

Welch ungewöhnlicher Anblick! Beat Schlatter steht vor der Glaubensgemeinde in der reformierten Kirche Baden. Er hält eine Predigt zur Amtseinführung des neuen Pfarrers Res Peter, der ihn dazu eingeladen hat. Sie kennen einander, seit Beat Schlatter 2016 für das Kirchenmagazin «reformiert.» eine Reihe von Interviews mit Pfarrerinnen und Pfarrern geführt hat.

In seiner Litanei spricht der 60-Jährige davon, dass man Veränderungen annehmen soll. Und dass auch unmoralische Taten im Endeffekt Gutes bewirken können; man andere deshalb nicht vorverurteilen soll, da Fehler und Makel zum Leben gehörten. Nicht perfekt zu sein, mache den Menschen doch erst liebenswert. Dazu zitiert er passende Bibelstellen.

Einen Talar überziehen will Beat Schlatter nachdrücklich nicht. «Da hört es für mich auf. Man würde sonst den Respekt vor dem Pfarrer verlieren.» Als er das erste Mal 2017 zu Gläubigen sprach, setzte der Priester ein Inserat in die Zeitung. Prompt meldete sich eine Frau und fragte, ob der Schauspieler und Kabarettist nicht ihr Kind taufen würde. Er sagte zu, nicht wissend, dass er damit seine Befugnisse überschreitet. Das war ihm ein Lehrgeld. Seither geht er besonders ehrfürchtig mit dem Amt von Kirchenleuten um.

Beat Schlatter steht bereits zum sechsten Mal auf der Kanzel. Er tut dies nur auf Anfrage, meist von ihm nahestehenden Pfarrerinnen und Pfarrern. «Bei meiner Interview-Serie bildeten sich ein paar neue Freundschaften – spätestens beim gemeinsamen Trinken des Messweins», scherzt er. Für ihn gibt es keine Religionsgrenzen: «Eine meiner Predigten funktionierte bei den Reformierten wie bei den Katholiken. Ich würde sie gerne auch mal bei Muslimen ausprobieren.»

Nach dem Gottesdienst mischt er sich bei einem Apéro unter die Kirchgänger. Viele interessiert, wie er zum Teilzeit-Prediger geworden ist. Andere wollen gerne mit ihm über seinen Glauben sprechen. Mit Gott begann sich der Künstler als Teenager auseinanderzusetzen: «Ich musste miterleben, wie meine Mutter starb. Ich hatte sie drei Jahre lang gepflegt, als ich noch ein krasser Punk war.» Der Krankheit seiner Mutter stand er machtlos gegenüber. «Aber man will ja trotzdem etwas tun. Das Einzige, was in einer solchen Situation bleibt, ist, sich an eine höhere Macht zu wenden. Das gibt einem Befriedigung und Trost.»

Beat Schlatter und seine Frau Mirjam Fischer (54) liessen sich 2011 kirchlich trauen. «Das hat aber nichts mit Gott zu tun», wiegelt Schlatter ab. «Es geht um die Zeremonie und darum, dass du vor anderen Menschen ‹Ja› zu deiner Partnerin sagst. Damit gehst du eine ganz andere Verantwortung ein. Du kannst nicht mehr einfach so davonlaufen.»

Wegen seiner offensichtlichen Affinität zur Religion nimmt er immer wieder Stellung zum Thema Glauben, ob in TV-Sendungen, Büchern oder Interviews. «Mühe habe ich, wenn Menschen den gläubigen, prüden, humorlosen Tunnelblick haben und zu Oberlehrern werden. Da verwandle ich mich schnell zu Hiob oder mache mich aus dem Staub.» Ihm gehe es um den Gegensatz zwischen Komik und Kirche. «Solche Polaritäten interessieren mich. Und natürlich reizt mich besonders, was andere nicht tun.» Sein Gottesbild formuliert Beat Schlatter so: «Ich möchte gerne glauben, dass es das gibt. Oder dass es mit dem Tod nicht fertig ist.»

Christliche Werte sind ihm wichtig: «Es geht einem so viel besser, wenn man verzeiht. Ich spüre das körperlich.» Schlatter will Mitmenschlichkeit, Liebe, Hoffnung, Barmherzigkeit und Vergebung leben. «Dennoch sehe ich mich konstant dabei scheitern. Ich habe viel zu viele Abgründe in mir.» Vielleicht hält er gerade deshalb die Vergebung für besonders wesentlich.