Für ihn musste alles perfekt stimmen

Auch 50 Jahre nach seinem Tod sind der Berner Troubadour und seine Lieder ­unvergessen. Seine Witwe Joy blickt auf die gemeinsame Zeit zurück.

Von Irene Lustenberger

Eigentlich spricht sie nicht gerne über den Tod ihres Mannes. Für die GlücksPost macht Joy Matter (87) eine Ausnahme. Die Witwe von Liedermacher Mani Matter (†) schlägt als Treffpunkt ein Café in Bern vor. Weil die Journalistin Verspätung hat, sagt sie: «Für Mani und mich war Pünktlichkeit extrem wichtig. Und ausgerechnet beim ersten Date kam ich über eine Stunde zu spät, weil mein Auto in der Garage war und die Reparatur länger dauerte. Ich war überzeugt, dass Mani nicht mehr am Treffpunkt sein würde. Aber er wartete tatsächlich auf mich.» 

Am 24. 11. jährt sich nun der Todestag des Berner Troubadours zum 50. Mal. «Üblicherweise trifft sich die ganze Familie an diesem Tag bei mir zu Hause zum Mittagessen. Dieses Jahr gehen wir aber in das Restaurant, in dem ich manchmal mit Mani und den Kindern war.» Sie gibt zu, noch heute Mühe zu haben, wenn sie am Radio oder in einem Lokal unvorbereitet seine Stimme höre. «Das gibt mir einen Stich.» Aber ein Lieblingslied, hat sie das? «Viele, unter anderem -‹Warum syt dir so truurig?› und ‹Farbfoto›. Letzteres entstand, als wir von 1967 bis 1968 in Cambridge waren. In einem Magazin sah ich eine Reklame für einen Likör. Auf dem Foto war ein elegant gekleidetes Paar in einer weissen Kutsche sitzend abgebildet, im Hintergrund das Meer. Ein richtig kitschiges Foto», erzählt Joy Matter mit einem Lächeln. Sie habe das Bild ausgeschnitten und Mani aufs Pult gelegt, «um ihm mit einem Augenzwinkern zu sagen, dass wir auch mal ans Meer fahren könnten».

Warum sind seine Lieder auch Jahrzehnte nach seinem Tod so bekannt? «Sie haben einen humorvollen und gleichzeitig tiefgründigen Text, und die Musik ist genau auf den Text abgestimmt. Die Lieder haben kein Wort zu viel, meistens erzählen sie eine Geschichte. Deshalb gefallen sie auch den Kindern. Und die Erwachsenen sehen die Bedeutung hinter dem Text. Es freut mich, dass die Lieder von Mani immer noch in den Schulen gesungen werden.» Sie sei jeweils seine erste Zuhörerin gewesen. «Er wollte, dass ich Text und Melodie kritisiere, das gab interessante und lange Diskussionen», erinnert sie sich. Danach habe er die Lieder seinen Freunden und Co-Sängern Fritz Widmer und Jacob Stickelberger vorgesungen. «Es war jeweils ein langer Prozess, hinter jedem einzelnen Lied steckte viel Arbeit.» Für ihren Mann habe alles perfekt stimmen müssen.

Nachdem Mani Matter am 24. 11. 1972 auf der Hinfahrt zu einem Konzert in Rapperswil tödlich verunglückte, war die Englischlehrerin von einem Tag auf den anderen alleinerziehende Mutter dreier Kinder. «Ich war immer berufstätig, und die Organisation der Kinderbetreuung und des Alltags war kompliziert.» Sibyl, Meret und Ueli waren damals acht, sieben und fünf Jahre alt. «Sibyl reagierte mit einer Depression auf den Tod ihres Vaters, sie war ein paar Wochen bei Freunden, um Abstand zu gewinnen. Meret folgte mir auf Schritt und Tritt, weil sie fand, ich hätte ein trauriges Gesicht. Sie wollte mich beschützen. Und Ueli, der hörbehindert ist und dem damals die Worte noch fehlten, versuchte mit Zeichnungen von kaputten Autos, Polizisten und Ambulanzen den schrecklichen Unfall zu verarbeiten», erzählt sie in «Warum syt dir so truurig?» (27. 11., 20.05 Uhr, SRF 1). Unmittelbar danach folgt die Show «Neu aufgelegt: Mani Matter 2022», in der Schweizer Musiker seine Songs neu aufleben lassen. «Für mich ist Polo Hofers ‹Warum syt dir so truurig?› das beste Cover. Ich finde die Art, wie er dieses Lied singt, sehr berührend», sagt Joy Matter.